D'Israeli

D'Israeli

D'Israeli (spr. Disrihti), 1) Isaac, Sohn eines in England eingewanderten venetianischen Kaufmanns, dessen israelitische Vorfahren aus Spanien Ende des 15. Jahrh. vertrieben wurden, geb. 1766 in London, ging zu seiner Ausbildung nach Amsterdam u. Leyden, wo er sich dem Studium der neueren Sprachen u. der Schönen Wissenschaften zuwandte; nach England zurückgekehrt, gab er das väterliche Geschäft auf, um sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Durch seine Forschungen erwarb er sich um die Geschichte der Englischen Literatur kein geringes Verdienst. Seit 1839 erblindet, vollendete er mit Hülfe seiner Tochter die von ihm begonnenen Arbeiten u. st. 1848 auf seinem Landgute Bradenhamhouse in Buckinghamshire. Er schr.: Curiosities of literature, 1791–1817, 3 Bde., 11. Ausg. 1839; Literary miscellanies 1840 Quarrels [189] of authors, 1814, 3 Bde.; Calamities of authors, 1812, 2 Bde.; Commentaries on the life and reign of Charles I., 4 Bde., 5. A. 1831; On inquiry to the literary and political character of James I.; The literary character, 2 Bde.; Amenities of literature, Lond. 1812, 3 Bde., 5. A. 1851; Genius of Judaism, 1833. Eine Gesammtausgabe seiner Werke veranstaltete der Folgende, Lond. 1849–51. 2) Benjamin, Sohn des Vor., geb. im Dec. 1805 in London, kam daselbst bei einem Handelshause in die Lehre, beschäftigte sich aber mehr mit Poesie u. Schriftstellerei. Um 1825 unternahm er eine Reise nach dem Festlande, blieb mehrere Monate in Ägypten u. kehrte Ende 1826 nach London zurück; drei Jahre später besuchte er Spanien, Griechenland, die Türkei, Palästina u. zum zweiten Male Ägypten u. kehrte 1831 in sein Vaterland zurück. Bei der Reformbewegung dieser Zeit nahm er Partei für die Radicalen u. trat 1832 vergebens in High-Wycombe als Bewerber für den dortigen Parlamentssitz auf. Hierüber ärgerlich, schickte er die Schmähschrift: What is He? gegen Graf Grey ins Publicum. 1835 trat er unerwartet als torystischer Bewerber für Taunton auf u. griff in seiner Rede, die er vor den Wählern hielt, O'Connel in starken Ausfällen an. Es entspann sich nun in den Parteiblättern zwischen Beiden ein literarischer Kampf, der für D. in sofern von Nutzen war, daß er in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Zu dieser Zeit erschienen von ihm in der Times seine Letters of Runny-mede u. seine Vindication of the English constitution. 1837 gelang es ihm, für Maidstone ins Unterhaus zu kommen, wo die Versammlung seine erste Rede mit Hohngelächter begleitete, was ihn fast zwei Jahre, theils in schriftstellerischer, theils in parlamentarischer Hinsicht zum Schweigen brachte; erst 1839, wo er mit mehr Ruhe u. Tact gegen den Gesetzvorschlag, daß der Staat die Erziehung unterstützen möge, u. mit Sachkenntniß über das Eigenthumsrecht der literarischen Erzeugnisse sprach, schenkte ihm das Haus Aufmerksamkeit. In dieser Parlamentsperiode unter dem Ministerium Peel (Sept. 1841) vertrat D. Shrewsbury im Unterhause, unterstützte Peel u. griff Palmerston bei jeder Gelegenheit an. D., früher Radicaler, dann Tory geworden, wurde 1843 Whig u. erklärte am 9. Aug. dieses Jahres, daß aus der Politik Peels nur Unheil für den Staat erwachsen könne u. daß alles Unglück Irlands aus der Politik der Tories erstanden sei. Zu dieser Zeit versammelte sich die Partei des sogenannten Jungen Englands um D., u. er galt als ihr Führer. In der Session von 1846 sprach er gegen Peel, da dieser auf die Aufhebung der Korngesetze einging, als den Verräther an der Protectionistenpartei. 1847 kam er für Buckinghamshire ins Parlament u. zeigte sich als Gegner des Ministeriums Russel. Nach dem Tode des Lords Bentinck, 1849, wurde D. als der Führer der Protectionisten angesehen. Sein Antrag auf günstigere Gestaltung der landwirthschaftlichen Interessen blieb bei der Abstimmung in der Minderzahl; gleichen Erfolg hatte seine im Febr. 1851 eingebrachte Bill, es sei dringende Pflicht der Regierung, den nothleidenden landwirthschaftlichen Zuständen Abhülfe zu bringen, u. ebenso später sein Gesetzvorschlag, bei jeder Ermäßigung aller Steuerauflagen sei vor Allem der Nothstand der Landbesitzer zu berücksichtigen. Als im Febr. 1852 das Derby-Cabinet sich bildete, erhielt D. das Amt des Schatzkanzlers (Finanzministerium). Er eröffnete sein Amt mit einem glänzenden Programm, welches aber in der Praxis hinter allen Erwartungen zurückblieb. Schon im Mai erlitt er in einer untergeordneten Frage eine Niederlage durch die liberale Partei u. führte, als er am 3. Decbr. 1853 mit seiner Finanzpolitik völlig Fiasco gemacht hatte, den Rücktritt des Ministeriums Derby herbei. Bald darauf trennte er sich wieder von der Torypartei, gab förmlich die Führerschaft der Protectionisten auf u. übernahm die der Opposition gegen das Ministerium Aberdeen. Er bekämpfte im Decbr. 1854 die Fremdenlegionsbill u. sprach scharfen Tadel in der Debatte über den Roebuckschen Antrag (Jan. 1855) gegen die Regierung aus. Sein gegen das Ministerium gerichteter Antrag über die unsichere Haltung des Cabinets in Bezug auf die Kriegs- u. Friedensfrage, wodurch gegen Palmerston ein Mißtrauensvotum erzielt werden sollte, wurde am 24. Mai verworfen. Nach dem Sturze Palmerstons im Febr. 1858, trat er als Schatzkanzler in das Ministerium Derby. Was D. als Parlamentsredner auszeichnet, ist eine scharfe Dialektik, ein treffender Witz u. eine geschickte Taktik, des Gegners Blößen zu benutzen. Mehr die Furcht vor seinen Angriffen, als das Vertrauen auf seine staatsmännischen Fähigkeiten, rief ihn in das Cabinet der Tories, obwohl er seiner Herkunft nach nichts mit den Aristokraten gemein hat. Er schr.: England and France, 1820; Vivian Grey, 1825–27 Voyage of Capt. Popanilla, 1828; You ng Duke, 1831, 3 Bde.; Venetia, 1837, 3 Bde.; The revolutionary epic, 1837; Henrietta Temle, 1837; A larcos (Tragödie), 1839; Tancred, 1837–49, 3 Bde.; Contarini Fleming, 1846 u. 1849; Coningsby, 1844 u. 1849, 3 Bde.; Sybil, on the new nation, 1849, 3 Bde.; Biographie des Lord Bentinck (erlebte mehrere Auflagen); auch gab er seines Vaters Werke heraus.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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