- Humus
Humus, 1) (Chem.) Nach dem Aufhören der vegetativen Processe der Thier- u. Pflanzenstoffe leiden dieselben eine schnellere od. langsamere Zersetzung, deren Endproducte rein unorganischer Natur sind, ihr Kohlenstoff wird dabei zu Kohlensäure u. Kohlenwasserstoff, der Wasserstoff zu Wasser u. der Stickstoff zu Ammoniak. Ehe aber diese vollkommene Zerstörung der organischen Materie erreicht wird, treten häufig Zwischenproducte auf, welche sich durch große Gleichförmigkeit selbst bei der Zersetzung vollkommen verschiedenartiger Körper charakterisiren, u. welche man unter dem allgemeinen Namen H. (od. Humussubstanzen) zusammenfaßt. Der größte Theil der den Pflanzen- u. Thierkörper constituirenden Substanzen werden durch diesen Verwesungsproceß (Humusbildung) bei Gegenwart von Feuchtigkeit unter Aufnahme von Sauerstoff u. Abgabe von Kohlensäure u. Ammoniak dunkler, sie erscheinen braun bis braunschwarz u. verlieren ihre frühern Eigenthümlichkeiten, behaupten aber noch ihre organische Natur u. lassen sich auf eine verhältnißmäßig geringe Anzahl in vieler Beziehung verwandter Körper, der sogenannten Humuskörper, zurückführen. An dieser Humusbildung nehmen bes. die Proteïnkörper u. die Kohlenhydrate Antheil u. es scheinen gerade in dieser Periode die Zersetzungsproducte beider Klassen sehr ähnlich od. gar identisch zu sein. Eine große Anzahl anderer Körper können diesem Zersetzungsproceß unterliegen, nur von den ätherischen u. fetten Ölen, den Harzen u. einigen Alkaloiden ist bisher noch keine derartige Zersetzung bekannt. Auch künstlich lassen sich viele Humuskörper herstellen, sie entstehen z.B. bei der Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure auf eine große Menge organischer Körper, ferner in Lösungen von manchen organischen Säuren od. deren Salzen, wenn diese durch. Alkalien die Fähigkeit erhalten, Sauerstoff aus der Luft zu absorbiren. Im reinen Zustand sind die Humuskörper braun bis braunschwarz gefärbt u. enthalten nur Kohlenstoff, Wasserstoff u. Sauerstoff. Sie sind theils in reinem Wasser, theils in verdünnten Alkalien löslich, theils darin unlöslich; alle sind unlöslich in ätherischen u. fetten Ölen u. Äther, manche auch in Alkohol; in ihrer chemischen Zusammensetzung nähern sie sich den Kohlenhydraten. Im reinen Zustand, sowie in Verbindungen sind sie nicht flüchtig, unkrystallisirbar u. geruchlos, die meisten ihrer Verbindungen sind braun gefärbt. Die Humuskörper sind theils indifferent, theils sind sie schwache Säuren u. verbinden sich dann mit Basen zu Salzen. Mulder unterscheidet sieben bestimmte Humuskörper, welche nach ihrer Löslichkeit in drei Gruppen zerfallen: a) In reinem Wasserlösliche: Quellsäure, Quellsatzsäure u. Ulminsäure. Die Quellsäure (Acidum crenicum = C24H12O16 + 3HO) u. Quellsatzsäure (Acidum apocrenicam = C48H12O24 + 4HO) finden sich in Quelien, in der Ackererde, vermodertem Holze, Ocker us. w. Die Quellsäure ist braungelb, ihre Salze sind alle amoniakhaltig, daher sie Berzelius als eine mit Ammoniak gepaarte Säure betrachtet, mit Alkalien bildet sie im Wasser lösliche, mit andern Oxyden unlösliche Salze. Die Quellsatzsäure (Nitrohuminsäure, Nitrophloretinsäure) ist dunkelbraun, ihre Salze enthalten Ammoniak u. sind schwarz; sie entsteht durch Oxydation der Quellsäure. Die Ulminsäure (C40H14O12) kommt mit Ammoniak verbunden in der schwarzen Gartenerde vor, ist braun, wird durch verdünnte Säuren in Huminsäure verwandelt. b) Im Wasser unlöslich, löslich in verdünnten Alkalien: Huminsäure u. Geïnsäure. Die Huminsäure (C40H12O12) ist schwarz, wird durch Schwefelsäure nicht verändert. Die Geinsäure (C40H12O14) unterscheidet sich von der Ulmin- u. Huminsäure dadurch, daß sie durch stark erwärmte Salpetersäure anfangs blaßroth wird, dann sich unter Bräunung löst, während beide anderen Säuren damit ein schön hellrothes Pulver geben. Die Geinsäure wird durch Oxalsäure nicht verändert, Ulmin- u. Huminsäure werden in braunen Flocken ausgefällt. Ulminsäure, Huminsäure u. Geïnsäure bezeichnet man auch als Humussäuren im engern Sinne, während man unter Humussäuren in weiterer Bedeutung alle als Säuren auftretenden Humuskörper bezeichnet. c) In Wasser u. Alkalien unlösliche: Ulmin (= C40H16O14) u. Humin (= C40H15O15) sind indifferente Körper, braun od. schwarz, mit Alkalien längere Zeit erwärmt geben sie humussaure Alkalien, durch Behandeln mit Salpetersäure entsteht Oxalsäure u. Nitrohuminsäure (quellsatzsaures Ammoniak); Chlor erzeugt die Chlorhuminsäure. Andere organische Körper, welche wahrscheinlich noch zu den Humuskörpern gerechnet werden müssen, deren Verhalten aber noch nicht genügend erforscht ist, sind: die Gallhuminsäure (Melangallussäure), durch Erhitzen des Gallusgerbstoffs od. der Gallussäure erhalten, der Huminsäure ähnlich; die Apoglucinsäure, welche aus der Glucinsäure bei längerem Stehen ihrer wässerigen Lösung an der Luft entsteht; sie ist der Quellsatzsäure am ähnlichsten; Melausäure[613] (Spirhuminsäure) u.a. Die Azulinsäure, welche bei der freiwilligen Zersetzung einer wässerigen Cyan- od. Cyanwasserstofflösung entsteht, ist vielleicht ein stickstoffhaltiger Humuskörper. 2) (Landwirthsch.), im Allgemeinen ein Aggregat von den genannten Verwesungsproducten mit ihren verschiedenartigen Verbindungen. Es wird unterschieden: a) Milder H. (Waldhumus), enthält hauptsächlich humussauren Kalk u. Magnesia, außerdem Thonerde u. kommt im Wald- u. Ackerboden u. in der Gartenerde vor; b) Saurer H. (Moor- od. Bruchboden) enthält wesentlich Humin, Ulmin u. freie Humussäuren, reagirt sauer; seine Verwesung ist durch zu viel Feuchtigkeit gehemmt, theils gänzlich unterdrückt; c) Kohliger H., Torfboden, besteht hauptsächlich aus Humin u. Ulmin, enthält nur wenig humussaure Salze, bes. aber fehlen ihm Alkalien u. alkalische Erden; durch Eisenoxyd ist er bräunlich gefärbt, unlöslich in Wasser u. unfruchtbar; d) Basischer H. entsteht auf Kalk u. Sandboden; erscheint grau, beim Befeuchten schwarz, ist trocken, enthält basische, humussaure unlösliche Salze, bes. Kalksalze; e) Adstringiren der H. (Heideboden), bildet sich aus gerbsäurehaltigen Vegetabilien. Heidekraut, Sumpfborst, Rhododendron etc. geben einen solchen H., der auch nur solchen Pflanzen günstig ist. Der H. ist eine Folge des Pflanzenwachsthums, nicht eine Bedingung desselben, wenn dieser Körper auch bei seinem Übergange in assimilirbare Stoffe als Hauptagens zur Beförderung der Vegetation wird. Daß der H. direct von der Pflanze aufgenommen werden könne u. zur Vegetation derselben beitrage, wie Mulder u. Andere glauben, ist in der neueren Zeit widerlegt worden. Der H. wirkt allerdings günstig auf die Vegetation ein, er ist von Einfluß auf den Ertrag eines Ackers, aber nur durch die Endproducte seiner Verwesung u. durch seine physikalischen Eigenschaften. In den Pflanzen geht beständig ein Sauerstoffstrom von der Spitze des Stängels nach den Wurzeln, jedenfalls mit dem Zweck, auf die oxydirbaren organischen Überreste einzuwirken u. dadurch das Vegetabil fortwährend mit einem Kohlensäurequell zu umgeben. Diese Kohlensäure dient zur Lösung in Wasser unlöslicher unorganischer Verbindungen, wie des phosphorsauren Kalkes etc. Der H. wirkt ferner dadurch günstig auf die Vegetation ein, daß er Ammoniak in großer Menge absorbirt u. der Pflanze zuführt; endlich dadurch, daß er vermöge seiner dunklen Farbe den Boden erwärmt.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.