- Kohlensäure
Kohlensäure (Acidum carbonicum), CO2, findet sich sehr verbreitet in der Natur; im freien Zustande kommt sie als Bestandtheil der Luft vor u. macht im Mittel 0, 004 bis 0, 005 Volumen derselben aus. Im Innern der Erde gebildet, tritt sie an mehreren Orten in großer Menge hervor, so aus den noch thätigen Vulkanen u. in vielen Gegenden, in welchen erloschene Vulkane sind, wie bei Brohl am Laacher See, wo sie zur Bleiweißfabrikation verwendet wird, bei Trier u.a. Orten am Rhein, in mehreren Höhlen, wie in der Hundsgrotte bei Neapel, Dunsthöhle bei Pyrmont. Die im Innern der Erde oft unter hohem Druck befindliche Kohlensäure wird in Berührung mit Wasser von diesem in großer Menge absorbirt u. solches Wasser bildet dann die sogenannten Sauerbrunnen (Säuerlinge). Die K. findet sich ferner in Bergwerken, bes. in Kohlenschächten, als sogenannte böse Wetter, in verschlossenen Kellern etc. An Basen gebunden kommt sie im Kalkstein, Marmor, der Kreide, im Dolomit u. vielen anderen Mineralien vor. Sie bildet sich stets beim Verbrennen von Kohle od. kohlehaltigen Körpern in der Luft od. im Sauerstoffgas, bei der Zerlegung mancher Sauerstoffverbindungen durch Kohle od. kohlehaltige Körper in der Glühhitze, beim Athmen der Menschen u. Thiere, bei der Gährung, Fäulniß u. Verwesung organischer Stoffe. Man stellt die K. dar, indem man möglichst reinen Kalkstein (Marmor) od. Dolomit mit verdünnter Salz- od. Salpetersäure übergießt u. die entweichende K. vor ihrer Verwendung durch ein Gefäß mit Wasser leitet, um sie zu reinigen. Wo für technische Zwecke (wie bei der Fabrikation des Bleiweißes, künstlicher Mineralwässer, des zweifach kohlensauren Natrons) große Mengen von K. zu möglichst niedrigem Preise erforderlich sind, entwickelt man die K. durch Zersetzung von kohlensaurem Kalk od. Dolomit mit Salzsäure, od. durch Verbrennen von Kohle in einem Luftstrom; od. man glüht ein Gemenge von Braunstein, kohlensaurem Kalk u. Kohle; od. man verwendet die K., welche sich bei der Gährung entwickelt; od. endlich man benutzt die K., die der Erde entströmt, indem man sie durch ein Druckwerk aufsaugt u. durch Röhren dahin leitet, wo sie Anwendung finden soll, wie bei Brohl am Rhein Die K. ist bei gewöhnlicher Temperatur ein farbloses[642] Gas von schwach säuerlichem, stechendem Geruch u. erfrischendem Geschmack; sie enthält ihr gleiches Volumen Sauerstoff, ist schwerer als Luft u. läßt sich daher gleichsam aus einem Gefäß in ein anderes gießen; füllt man ein offenes Gefäß mit K., so schwimmt eine mit Luft gefüllte Seifenblase auf ihr. Das specifische Gewicht der K. ist nach Biot u. Arago 1, 5196, nach Regnault 1, 52928, nach Berzelius u. Dulong 1, 5245, nach Wrede 1, 5201; die specifische Wärme nach Dulong 1, 175, nach de la Roche u. Berard 1, 258. Die K. wird vom Wasser absorbirt; bei 18° u. unter dem Drucke einer Atmosphäre nimmt Wasser sein 1, 06faches Volumen auf; bei 7 Atmosphären Druck absorbirt das Wasser 5 Volumen. Alkohol absorbirt sein 26faches, Äther sein 2, 17faches Volumen. Die K. unterhält das Verbrennen u. Athmen nicht, brennende Körper verlöschen darin, Menschen u. Thiere sterben schon in einer Atmosphäre, welche 9 Proc. K. enthält; in einem Raum von 30 Fuß Länge, 25 Fuß Breite u. 14 Fuß Höhe, welcher vollkommen geschlossen ist, so daß kein Luftwechsel stattfinden kann, sterben 16 Menschen nach 24 Stunden durch die ausgeathmete Luft. Daher ist auch der Aufenthalt in Kellern, wo Flüssigkeiten gähren, gefährlich; solche Räume lassen sich leicht von der K. befreien, wenn man Kalkmilch hineinspritzt; aus Brunnen entfernt man die K. am leichtesten durch frisch ausgeglühte Holzkohle; dieselbe absorbirt 36 Volumen. Die K. verbindet sich mit den stärkeren Basen zu einfachen u. doppelt kohlensauren Salzen (Carbonate, s. Kohlensaure Salze). Die K. ist eine der schwächsten Säuren u. wird von den meisten anderen Säuren unter Aufbrausen ausgetrieben. Sie ist eine beständige, nicht leicht zersetzbare Substanz. Nur durch Kalium u. Natrium wird sie in Kohlenstoff u. Sauerstoff zerlegt; leichter erfolgt die Zersetzung in Kohlenoxyd u. Sauerstoff. Durch hohen Druck u. niedrige Temperatur läßt sich die K. zu einer tropfbaren Flüssigkeit verdichten. Zu diesem Zwecke nimmt man nach Faraday ein in einem stumpfen Winkel gebogenes Rohr von starkem Glase u. bringt in dasselbe die Substanz, aus welcher sich die K. entwickeln soll. Nachdem durch Erwärmen der Röhre die darin befindliche Luft vertrieben worden ist, schmilzt man den kurzen Schenkel der Röhre zu u. setzt die Gasentwickelung fort, während man diesen Schenkel abkühlt. Dieses Verfahren, nach welchem das Gas durch seine eigene Atmosphäre condensirt wird, hat nur das Unangenehme, daß man nicht im Stande ist, die dabei erhaltene flüssige K. näher zu untersuchen, da sie nicht frei erhalten werden kann. Thilorier führte zuerst Faradays Methode im Großen aus, indem er K. in einem gußeisernen Cylinder (Generator) erzeugte u. sie in einem zweiten, dem vorigen ganz gleichen Cylinder (Condensator) überströmen ließ. Ein Unglücksfall, welcher sich in Paris ereignete, wobei der Generator während der Füllung zersprang u. ein junger Chemiker, Osmin Hervy, sein Leben dabei verlor, veranlaßte, daß dieser Apparat nicht mehr benutzt wurde. Doch wurde der Apparat von Thilorier später von Donny u. Mareska verbessert. Ein ähnlicher aus Schmiedeeisen angefertigter Kohlensäureverdichtungsapparat ist der von Hare u. Johnston. Vor längerer Zeit machte Brunel den Versuch, K. mittelst einer Druckpumpe zu condensiren, aber erst durch das einfache Verfahren von Natterer wurden alle Übelstände glücklich beseitigt. Natterer condensirt das Gas mittelst einer ganz gewöhnlichen Druckpumpe, wie man sich deren zum Laden der Windbüchsenflaschen bedient. Die flüssige K. ist farblos, klar u. dünnflüssig wie Wasser; sie löst sich in Wasser nur in geringer Menge, der nicht gelöste Theil schwimmt auf dem Wasser. Mit Alkohol, Äther, Schwefelkohlenstoff u. Terpentinöl läßt sie sich in allen Verhältnissen mischen. In Berührung mit Kalium entwickelt sie Kohlenoxydgas u. es entsteht kohlensaures Kali. Sie bricht das Licht weniger als Wasser u. kann nur flüssig bleiben, so lange sie entweder ein Gefäß ganz ausfüllt, od. über ihr eine Schicht von Kohlensäuregas steht, dessen Spannkraft dem Maximum der Spannkraft, welches das Kohlensäuregas bei der vorhandenen Temperatur annehmen kann, gleich ist. Wird der auf die Oberfläche wirkende Druck verringert, so geräth die flüssige K. ins Sieden. Thilorier entdeckte, daß die K. auch fest werden könne. Es geschieht dies durch die enorme Kälte od. Wärmebindung, welche beim Verdunsten der flüssigen K. eintritt. Hält man die Kugel eines Weingeistthermometers in einen Strahl flüssiger K., so zeigt dasselbe – 90°. Um feste K. zu erhalten, läßt man die flüssige K. in einem seinen Strahle in eine trockene Flasche od. in ein metallenes Gefäß ausströmen. Die feste K. ist locker wie Schnee u. läßt sich bis auf die Hälfte zusammendrücken. Sie verdunstet weniger leicht, als die flüssige Säure. 346 Gran feste K. erforderten bei 25° 31/2 Stunden Zeit, um vollständig zu verdunsten. Berührt man sie auf einer glatten Fläche mit dem Finger, so gleitet sie schnell fort, wie vom Winde getragen. Bringt man etwas mit der Haut in Berührung, so entsteht eine weiße Blase, gerade so, als ob man sich verbrannt hätte. Der Schmelzpunkt der festen K. ist – 65°. Bringt man mit Äther befeuchtete feste K. auf Quecksilber, so gefriert dieses zu einer hämmerbaren Masse. Ein breiförmiges Gemisch von fester K. mit Äther gibt durch ihre Verdunstung eine nicht viel niedrigere Temperatur, als die feste K. für sich; die Verdunstung geht aber weit langsamer vor sich. Man benutzt deshalb eine solche Mischung zur Hervorbringung sehr niedriger Temperaturgrade. Die K. ist schon in frühen Zeiten bekannt gewesen; Paracelsus u. van Helmont beobachteten sie beim Brennen des Kalkes u. bei der Gährung u. nannten sie wildes Gas, wilden Geist (Spiritus sylvestris); Black nannte sie fixe Luft. Bergmann erkannte zuerst, daß die K. eine Säure sei u. nannte sie Luftsäure; Lavoisier wies ihre Bildung beim Verbrennen der Kohle u. ihre Zusammensetzung aus Kohlenstoff u. Sauerstoff nach.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.