Kiesel

Kiesel

Kiesel, 1) ein aus Quarz od. einer quarzigen Masse bestehendes Geschiebe; 2) (Chem., Silicium, Si), das Radical der Kieselerde, ein nichtmetallisches Element, welches dem Boron sehr nahe steht, wurde zuerst von Davy dargestellt, nachdem Berzelius seine Existenz in der Kieselerde nachgewiesen hatte. Der K. findet sich niemals im freien Zustande in der Natur, sondern mit Sauerstoff verbunden als Kieselerde, u. macht als solcher den Hauptbestandtheil der festen Erdrinde aus. Man gewinnt den K. durch Erhitzen von Kieselfluorkalium mit Kalium; es entsteht eine braune Masse, welche aus Fluorkalium, Kieselkalium u. K. besteht, sie wird in Wasser geworfen u. der abgeschiedene K. mit Wasser rein gewaschen; er bildet dann ein dunkelbraunrothes Pulver ohne Metallglanz, geruch- u. geschmacklos; sein Atomgewicht ist 22, 3 (H = 1) od. 277, 77 (O = 100). Man kann den K. krystallisirt erhalten, wenn man Kieselfluornatrium mit Natrium u. metallischem Zink schmilzt; er erscheint dann in grauen metallglänzenden Nadeln. An der Luft verbrennt er zu Kieselerde, ist unlöslich in Wasser, Schwefelsäure, Salpetersäure u. Königswasser, löslich in einem Gemisch von Salpetersäure u. Flußsäure. Durch Glühen geht er in einen anderen allotropischen Zustand über, er verliert seine Verbrennlichkeit. Nur in Flammenbogen einer sehr starken galvanischen Batterie (von 600 Bunsenschen Elementen) ist er schmelzbar u. zum Theil flüchtig; im geschmolzenen Zustand ist er schwarz, metallglänzend u. sehr hart. Verbindungen: A) mit Sauerstoff verbindet sich der K. in zwei Verhältnissen: a) Kieseloxyd (Siliciumoxyd) = Si2O3, ein weißes Pulver, wird erhalten, wenn trocknes salzsaures Gas über schwach glühendes Silicium geleitet u. das gebildete Kieselsesquichlorid (Si2Cl3) mit Wasser in Berührung gebracht wird; es zerlegt das Wasser, bes. bei Gegenwart von Alkalien, indem sich Kieselerde bildet; b) Kieselsäure od. Kieselerde, s.d. B) Mit Wasserstoff bildet der K. Kieselwasserstoff (Siliciumwasserstoff), wenn Kieselfluornatrium mit Natrium u. Chlormagnesium geschmolzen u. das gebildete Kieselmagnesium in Wasser gebracht wird; es ist ein an der Luft sich von selbst entzündliches Gas. C) Mit Chlor: Kieselchlorid (Chlorsilicium) = Si Cl3, bildet sich, wenn Chlorgas über erhitztes Silicium geleitet wird, es entweicht als weißer Dampf; man gewinnt diese Verbindung auch, wenn man künstlich bereitete Kieselerde mit Ruß u. Öl zu einer festen Masse vermischt, diese glüht u. nach dem Erkalten in ein Porzellanrohr bringt, welches bis zum Glühen erhitzt wird, während man einen Strom von trocknem Chorglas durchleitet; in einer abgekühlten Vorlage condensirt sich das Kieselchlorid. Es ist eine wasserhelle Flüssigkeit, welche schwerer als Wasser ist, bei 59° C. siedet u. bei – 20° noch nicht fest wird, riecht erstickend u. bildet an der Luft weißen Nebel, indem es sich mit dem Wasserdampf der Luft in Salzsäure u. Kieselsäure zerlegt. In Wasser löst es sich unter Zersetzung auf, geschmolzenes Kalium zerlegt es in Chlorkalium u. Kieselkalium. Mit trocknem Ammoniakgas verbindet es sich zu einer weißen festen Masse, mit Schwefelwasserstoff zu einer farblosen Flüssigkeit, dem Kieselbichlorosulfid (Chlorschwefelsilicium) = Si Cl2 S. D) Mit Schwefel: beim Glühen von K. in Schwefeldampf verbrennt dasselbe mit rothem Lichte zu Kieselsulfid (Schwefelsilicium) = Si S3, welches man auch bei der Behandlung von Kieselchlorid mit Schwefelwasserstoff als Rückstand erhält; es ist eine weiße pulverige Masse, welche sich beim Glühen an der Luft in schwefelige Säure u. Kieselerde zerlegt; Wasser zersetzt es in Kieselerde u. Schwefelwasserstoff. E) Mit Fluor: Kieselfluorid (Fluorsilicium) = Si Fl3, ein farbloses, an der Luft rauchendes Gas, welches man durch Erhitzen von gepulvertem Flußspath u. Quart od. Glas mit Schwefelsäure erhält. Es riecht der Salzsäure ähnlich, reagirt sauer, wird bei – 107° C. flüssig; Wasser zersetzt es unter Bildung von Kieselerde u. Kieselfluorwasserstoffsäure. Mit krystallisirter Borsäure verbindet es sich zu einem weißen Pulver (Br O3. 3 HO + Si Fl3), welches sich, mit Wasser befeuchtet, zersetzt. Schmelzendes Kalium verbrennt in dem Gase mit rothem Feuer unter Bildung von Fluorkalium u. Kieselkalium. Mit Ammoniakgas gemischt verdichtet es sich zu Kieselfluoridammoniak, ein weißes festes, in der Hitze flüchtiges Pulver, welches durch Wasser zerlegt wird, indem sich Kieselerde u. krystallisirbares Kieselfluorammonium bildet. Mit Fluorwasserstoff bildet das Kieselfluorid die Kieselfluorwasserstoffsäure (Kieselflußsäure) = 3 Fl H. 2 Si Fl3, welche sich bei der Berührung von Kieselfluorgas mit Wasser unter Abscheidung vom Wasser erzeugt (3Si Fl3 + 3 HO = 3Fl H. 2Si Fl3 + Si O3), man erhält sie auch beim Auflösen von Kieselsäure in Flußsäure, sie ist eine farblose Flüssigkeit, schmeckt u. reagirt stark sauer, durch Abdampfen kann sie nur bis zu einem gewissen Grade concentrirt werden, bei weiterem Abdampfen zersetzt sie sich in Kieselfluorid u. Flußsäure; mit den Salzen von Kali, Natron u. Lithion gibt sie gallertartige Niederschläge, welche anfangs kaum sichtbar sind, Barytsalze geben krystallinische Niederschläge. Metalloxyde nicht im Überschuß angewendet, geben Kieselfluormetalle (s.d.), bei Überschuß von Metalloxyd entstehen Fluormetalle u. Kieselerde. F) Mit Stickstoff verbindet sich der K. zu einem dem Borstickstoff (s.d.) ähnlichen Körper, dem Kieselstickstoff = Si N. G) Mit Metallen läßt sich der K. zu Kieselmetallen verbinden, sie lassen sich durch directes Zusammenschmelzen von Metall mit K. od. durch Glühen der kieselsauren Metalloxyde od. eines Gemisches von Metall, Kieselerde u. Kohle darstellen. Die Kieselmetalle sind um so schwerer von Säuren angreifbar, je mehr K. sie enthalten. Kieseleisen ist weiß, außerordentlich hart u. spröde, läßt sich schwer bearbeiten. Wenn man Cyanmetalle mit Kieselerde glüht, so entstehen Kieselstickstoffmetalle, welche von Säuren kaum angegriffen werden u. mit Kali geschmolzen Ammoniak entwickeln.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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