Kieselerde

Kieselerde

Kieselerde (Silicia, Kieselsäure, Chem.), Si O3, ist in der Natur sehr verbreitet, theils frei, theils an Basen gebunden; im freien Zustande erscheint sie als Quarz in sechsseitigen farblosen, durchsichtigen Säulen, auch amorph u. mit Wasser verbunden als Opal u. Hyalit. Sehr verbreitet im Mineralreich sind die Doppelverbindungen der K., aufgelöst findet sie sich in den Wässern mancher vulkanischen Gegenden, die meisten Quellen enthalten Spuren von K., sie geht in den Thier- u. Pflanzenkörper über u. findet sich in der Asche der meisten animalischen u. vegetabilischen Substanzen, namentlich sind die Cerealien, Equisetaceen u. die rohrartigen Palmen reich daran; die Panzer vieler Infusorien bestehen fast nur aus K. Man erhält die K. künstlich, wenn man Kieselfluorgas in Wasser leitet, die abgeschiedene Gallerte auspreßt, mit Waffe wäscht u. glüht; sie bildet dann ein höchst seines leichtes Pulver. Durch Schmelzen von Quarz mit kohlensaurem Natron, Auflösen der geschmolzenen Masse in Wasser u. Übersättigen mit Salzsäure, erhält man die K. als Hydrat, welches durch Glühen das Wasser verliert. Dieses Hydrat ist in Wasser ziemlich leicht löslich, während die K., wie sie im Mineralreich vorkommt, so wie nach dem Glühen, in Wasser vollkommen unlöslich ist; man spricht daher von zwei isomeren Modificationen der K., einer löslichen u. einer unlöslichen. Die lösliche Modification scheidet sich als eine Gallerte ab, welche getrocknet ein weißes, geschmackloses Pulver darstellt, beim Erhitzen bis 100° geht sie in die unlösliche Modification über; diese ist in Wasser u. Säuren, mit Ausnahme der Fluorwasserstoffsäure, vollkommen unlöslich, nur im Knallgasgebläse schmelzbar zu einem farblosen zähflüssigem Glas; wirst man die schmelzende K. in Wasser, so wird sie außerordentlich hart; für sich ist die K. nicht flüchtig, nur bei Gegenwart von Wasser tritt schon bei der Schmelzhitze des Eisens eine Verflüchtigung ein, daher man in Hohöfen zuweilen einen schneeartigen Anflug von K. findet. Durch Kochen mit ätzenden od. kohlensauren Alkalien wird die K. aufgelöst, Säuren fällen sie aus diesen Auflösungen wieder in Form von Kieselgallerte, ein Theil der K. bleibt jedoch auch bei Überfluß von Säure in der Flüssigkeit gelöst. Kalium entzieht der K. den Sauerstoff, ebenso Eisen u. andere Metalle bei Gegenwart von Kohle; der Kiesel verbindet sich mit dem Metall zu Kieselmetall. Mit Basen vereinigt sich die K. zu kieselsauren Salzen. Es herrschen verschiedene Ansichten darüber, ob man die Formel der K. Si O, Si O2 od. Si O3 annehmen soll; obgleich sich für jede dieser drei Formeln eine Anzahl von Salzen auffinden läßt, welche bald die eine, bald die andere Annahme wahrscheinlich machen, so ist doch nach Kopps Untersuchungen mit Zugrundelegung der analytischen Resultate von Pelouze das Atom des Kiesels = 21, 3 (H = 1) u. die Formel der Kieselsäure = Si O3 anzunehmen. Kopp beobachtete nämlich, daß der Siedepunkt von Verbindungen, in denen Brom an die Stelle von Chlor getreten ist, für jedes Äquivalent Brom um 32° höher liegt, als der der entsprechenden Chlorverbindung. Pierre fand für den Siedepunkt des Siliciumchlorids 59°, für den des Siliciumbromids 153°. Die Siedepunktsdifferenz ist also 94, ungefähr 3 ✕ 32, was beweist, daß das, Siliciumchlorid 3 Äquiv. Chlor, das Bromid 3 Äquiv. Brom u. die Kieselsäure 3 Äquiv. Sauerstoff enthält. G. Rose schließt aus dem Isomorphismus der K. mit Zinnsäure u. Zirkonerde, daß die Formel der K. Si O2 sei. Kieselsaure Salze (Silicate) lassen sich meist durch Zusammenschmelzen der K. mit den Metalloxyden od. deren Salzen darstellen. Durch ihre Feuerbeständigkeit treibt die K. in der Hitze die stärksten Säuren aus, wenn sie flüchtig sind. Die Salze haben die Eigenschaft, im Schmelzen sowohl einen Überschuß an Basis wie an K. aufzunehmen. Die natürlich vorkommenden, zum Theil auch die künstlich dargestellten Silicate liefern den Beweis, daß sich die K. in den verschiedensten Verhältnissen mit den Basen verbinden kann; diese verbinden sich wieder unter einander zu Doppelsalzen. Die Base enthält bald eben so viel Sauerstoff als die Säure, bald nur 1/3, 1/4, 1/6, 1/9,1/12, bald 11/2, 3 Mal so viel. Je weniger in den Silicaten die Kieselsäure vorherrscht u. je stärker die Base ist um so leichter werden sie durch Säuren zersetzt Enthalten sie Wasser, so scheint dies die Rolle der Base zu spielen, sie verhalten sich dann den basischen Salzen ähnlich. Aus den Silicaten, welche durch Säuren zersetzbar sind, scheidet sich die Kieselsäure in Gestalt eines zarten Pulvers ab, od. als Hydrat, d.h. als Gallerte, u. sie gelatiniren, wenn man sie mit Salzsäure behandelt. Zu den letzteren gehören namentlich die wasserhaltigen Silicate (Apophyllit. Analcim, die Zeolithe, Natrolith, Mesolith etc.), so wie einige wasserfreie Silicate stärkerer Basen (Tafelspath, Leucit, Lasurstein). Alle Silicate lassen sich durch hinreichendes Erhitzen mit ätzenden od. kohlensauren Alkalien aufschließen, d.h. durch Salzsäure zersetzbar machen. Einige natürlich vorkommende wasserfreie Silicate werden erst durch Glühen u. Schmelzen von Säuren angreifbar gemacht, wie der Vesuvian, Granat. Außer den basischen Verbindungen des Kalis u. Natrons sind alle kieselsauren Salze in Wasser unlöslich, sie werden durch Glühen nicht zerlegt.

a) Kieselsaures Athyloxyd (Kieseläther, Kieselester): aa) Basisch kieselsaures Äthyloxyd, 3 C4H5O . SiO3, farblose Flüssigkeit von durchdringendem Geruch u. pfefferartigem Geschmacke, specifisches Gewicht = 0, 932 siedet bei 163°, unlöslich in Wasser, wird an der feuchten Luft unter Abscheidung von Kieselsäure nach u. nach zersetzt, es bildet sich, wenn man auf Kieselchlorid nach u. nach absoluten Alkohol tröpfelt. bb) Halbbasisch kieselsaures Äthyloxyd, 3 C4H5O . 2SiO3, 2SiO3 + 3C4H5O, farb- u. geruchlose Flüssigkeit, specifisches Gewicht = 1, 079 siedet bei 300°. cc) Neutrales kieselsaures Äthyloxyd, C4H5O. Si O3, eine glasartige feste Masse, die aber schon durch einen sehr kleinen Gehalt der vorigen Verbindung eine zähe Beschaffenheit erhält; unveränderlich an der Luft, wird bei 100° kaum weich. b) Kieselsaures Ammoniak läßt sich in festem Zustande nicht erhalten; gallertartige Kieselsäure löst sich zwar in wässerigem Ammoniak auf, aber schon bei freiwilligem Verdunsten entweicht alles Ammoniak, u. es bleibt Kieselsäure zurück. c) Kieselsaures Amyloxyd (K eselfuseläther), 3 C10H11O. Si O3, bildet sich bei der Einwirkung von[476] Fuselöl auf Kieselchlorid unter Entwickelung von Salzsäure; ist eine farblose Flüssigkeit, welche zwischen 322–324° siedet, sich in allen Verhältnissen in Alkohol u. Äther, nicht aber in Wasser löst; sie läßt sich entzünden u. brennt unter Abscheidung von Kieselsäure. d) Kieselsaurer Baryt; Kieselsäure u. Baryt vereinigen sich beim Glühen mit einander; wenn man die dreifache Menge Kieselsäure anwendet, so erhält man eine porzellanartige Masse. e) Kieselsaure Beryllerde, Be2O3, Si O3, findet sich in farblosen, undurchsichtigen Rhomboëdern im Phenakit. Der Smaragd, Beryll u. Aquamarin sind Varietäten derselben Verbindung mit anderen kieselsauren Beryll- u. Thonerdeverbindungen. f) Kieselsaures Bleioxyd; die Lösung von Kieselsluorblei gibt mit Ammoniak einen Niederschlag von kieselsaurem Bleioxyd. Eine Verbindung desselben mit kieselsaurem Kali, also ein Doppelsilieat, ist das Bleiglas, welches man für Luxusgegenstände, für optische Zwecke, zur Fabrikation künstlicher Edelsteine, od. als Glasur zum Überziehen von Gefäßen anwendet. g) Kieselsaures Eisenoxyd, neutrales, Fe2O3, 3 Si O3, findet sich im Mineralreiche als Anthosiderit vor; mit kieselsaurem Natron findet es sich im Achmit, mit Kalk-, Magnesia-, Mangan- u. Eisenoxydulsilicaten bildet es die zur Klasse der Granaten gehörigen Mineralien; mit kieselsaurem Eisenoxydul kommt es im Hisingerit vor. h) Kieselsaures Eisenoxydul, drittelsaures, 3Fe O. Si O3, bildet sich beim Frischen des Eisens u. beim Schmelzen des Schwarzkupfers u. erscheint in grauen, metallglänzenden Krystallen. Die Verbindung 3 Fe O. 2Si O3 findet sich in der Natur als Chlorophäit in den Blasenräumen mancher Laven; entsteht auch zuweilen in den Hohöfen. i) Kieselsaures Kali; K. u. Kali verbinden sich leicht auf trocknem u. nassem Wege; in der Hitze schmelzen sie leicht zusammen u. bilden bei Überschuß von K. eine durchsichtige, nach dem Erkalten spröde u. in Wasser u. Säuren unlösliche Masse (Glas). Schmilzt man kohlensaures Kali mit K. zusammen, so entweicht Kohlensäure u. es entsteht kieselsaures Kali. Nimmt man 3 Theile Pottasche auf 1 Theil K., so ist das Product leicht schmelzbar, durchsichtig, glasartig, hygroskopisch u. in Wasser löslich; die Auflösung nennt man Kieselfeuchtigkeit (Liquor silicii); man kann dieselbe auch durch Kochen von K., am besten Kieselgallerie mit Ätzkali erhalten. Die Kieselfeuchtigkeit reagirt alkalisch, wirkt ätzend; aus concentrirter Lösung scheidet sich die K. auf Zusatz von Salzsäure gallertartig aus; in verdünnten Lösungen bleibt die K. auch bei Überschuß von Salzsäure gelöst. An der Luft zieht die Kieselfeuchtigkeit Kohlensäure an, während sich K. in Form einer Gallerte ausscheidet, dieselbe zieht sich immer mehr zusammen u. wird endlich zu einer glasartigen harten Masse. Schmilzt man 15 Theile Quarz mit 10 Theilen kohlensaurem Kali u. 1 Theil Kohle zusammen, so erhält man eine grauschwarze harte Masse, welche sich durch längeres Kochen mit Wasser größtentheils löst, die Auflösung ist dickflüssig u. opalisirend, man hat sie unter dem Namen Wasserglas (s.d.) in der Technik angewendet. Über die Anwendung desselben s. Stereochromie. k) Kieselsaurer Kalk findet sich als 2 Si O3, 3 Ca O im Tafelspath; als Ca O, 2 Si O3 + 2 (Ca O, Si O3) + 6 H O im Okenit. Mit borsaurem Kalk bildet es die Mineralien Dathollt u. Botryolith, mit kieselsaurem Kali den Apophyllit, K O, 2Si O3 + 8 (Ca O, Si O3) + 16H O. Durch Zusammenschmelzen von 3 Theilen Quarz u. 3 Theilen Marmor erhält man eine dem Tafelspath ähnlich zusammengesetzte Masse von blaugrauer Farbe. Der kieselsaure Kalk bildet ferner mit anderen kieselsauren Alkalien, Erden u. Metalloxyden eine große Menge von Mineralien u. ist ein Bestandtheil der meisten künstlichen Gläser. I) Kieselsaures Kobaltoxydul bildet mit kieselsaurem Kali die Smalte (s.d.). m) Kieselsaures Kupferoxyd findet sich krystallisirt als Dioptas, 3Cu O, 2Si O3 + 3H O, amorph als Kieselmalachit. n) Kieselsaure Magnesia findet sich im Speckstein u. Steatit mit Wasser verbunden im Meerschaum. Andere Verbindungen sind Pikrosmin, 3 Mg O, 2 Si O4, Olivin, 3 Mg O, Si O3, Serpentin, 2 (3 Mg O, 2Si O3) + Mg O, H O. o) Kieselsaure Kalkmagnesia findet sich im Pyroxen (Augit) u. Amphibol (Hornblende). p) Kieselsaures Ratron; Kieselsäure mit kohlensaurem Natron geschmolzen gibt ein Glas, welches sich in Wasser löst u. eine dem Wasserglas entsprechende Flüssigkeit darstellt. Wenn man in Ätznatron Kieselsäure auflöst u. die Lösung concentrirt, so bilden sich nach einigen Tagen Krystallrinden, welche zum Theil aus kieselsaurem Natron von der Zusammensetzung 3Na O. 2Si O3 + 27H O u. 3Na O. 2Si O3 + 18HO bestehen. Doppelt kieselsaures Natron, Na O, 2Si O3, soll in dem Wasser des Geisers auf Island enthalten sein Das kieselsaure Natron verbindet sich mit den kieselsauren Verbindungen der übrigen Metalloxyde u. macht einen der wichtigsten Bestandtheile vieler Glassorten aus. q) Kieselsaure Thonerde macht einen Hauptbestandtheil der Erdoberfläche aus u. bildet als Thon (s.d.) einen wesentlichen Bestandtheil aller Ackererden. Zu den zahlreichen Verbindungen der Kieselsäure mit der Thonerde gehören: Andalusit, Cyanit, Disthen, Sillimannit, welche nach der Formel 3 Al2O3, 2Si O3 zusammengesetzt sind. Der Topas besteht aus kieselsaurer Thonerde u. Fluoraluminium 5 (Al2O3, Si O3) + 2Al2Fl3. Sehr häufig sind Doppelverbindungen von kieselsaurer Thonerde mit anderen kieselsauren Salzen, wie namentlich die Feldspathe. r) Kieselsaares Zinkoxyd, 2 (3Zn O, Si O3) + 3H O, kommt in der Natur als Galmei (Kieselzinkerz) vor. s) Kieselsaure Zirkonerde, Zr2O3. Si O3, findet sich in der Natur als Zirkon u. Hyacinth.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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