- Pasquill
Pasquill (v. ital. [s. Pasquino], lat. Libellus famosus, Carmen famosum), jede durch bleibende Zeichen (Schrift, Druck, bildliche Darstellung) geäußerte u. öffentlich im Publicum verbreitete Ehrenkränkung,[725] bes. solche unter falschem Namen od. anonym verbreitete Ehrenkränkung. Als eine Unterart des P-s wird die Schmähschrift ausgezeichnet als diejenige Ehrenkränkung, welche speciell mittelst einer anonym od. pseudonym verbreiteten Schrift begangen wird u. die Anschuldigung eines Verbrechens zum Gegenstand hat. Das P. ist eine Unterart der Injurien (s.d.) u. setzt daher neben den besonderen Requisiten, welche sich aus den obigen Begriffsbestimmungen ergeben, den vollen Thatbestand aller Injurien, bes. daher eine wirkliche Verletzung der gemeinen Ehre u. den Animus injuriandi wesentlich voraus; die Hervorhebung des P-s vor den übrigen Injurien aber erklärt sich aus der bes. verletzenden Form, welche in der öffentlichen Verbreitung der Ehrenkränkung beruht, aus den hieraus sich von selbst ergebenden, bes. schweren Nachtheilen, welche für den guten Ruf des Injuriirten entstehen können, u. aus der Tücke, welche sich durch die Verbergung des wahren Namens des Verfassers kund gibt. Diese Gründe haben namentlich in früheren Zeiten zu harten Strafandrohungen wider die Pasquillanten geführt. Schon das Römische Zwölftafelgesetz enthielt darüber Bestimmungen; spätere Gesetze drohten neben öffentlichen Strafen dem Verbrecher auch die Intestabilität, d.h. die Unfähigkeit, ein Testament zu errichten, an. Unter den Kaisern erließ namentlich Constantin mehre harte Strafbestimmungen wider derartige Injurien. Im Anschluß daran haben auch die Deutschen Reichsgesetze die P-e mehrfach hervorgehoben, wozu sich ein besonderer Anlaß bot, als zur Zeit der Reformation es sehr gewöhnlich wurde, die Presse u. Bilder zur Verunglimpfung der Gegner zu benutzen. Die Carolina bestimmte als Strafe gegen den Verfasser der Schmähschrift die Strafe desjenigen Verbrechens, welches derselbe in unbegründeter Weise dem Geschmähten beigemessen hat (Talion); in der gemeinrechtlichen Praxis wurde dafür eine arbiträre, meist in Gefängniß od. körperlicher Züchtigung bestehende willkürliche Strafe gewöhnlich, wie dieselbe blos auch schon die Carolina für den Fall androhte, wenn die Anschuldigung wahr gewesen war od. der Pasquillant sie für wahr gehalten hatte. Die Exemplare der Schmähschrift, des Schandgemäldes etc. wurden, so weit man ihrer habhaft werden konnte, früher gewöhnlich durch den Nachrichter öffentlich verbrannt, später trat an Stelle dessen die einfache Confiscation u. Vernichtung. Die neueren Strafgesetzgebungen heben nur zum Theil noch die P-e bald unter diesem Namen, bald nur mit Umschreibungen als besondere u. außergewöhnlich strafbare Injurien hervor, während andere die Form des P-s nur als einen besonderen Schärfungsgrund für Verleumdungen u. Injurien erwähnen. Selbst diejenigen Strafgesetzbücher, welche noch von P-en u. Schmähschriften sprechen (Sachsen, Württemberg, Braunschweig, Hannover), stellen den Begriff davon weder ganz gleichförmig, noch ganz dem Gemeinen Rechte entsprechend auf. Denn die einen beschränken dabei den Begriff des P-s auf anonym od. pseudonym verbreitete Schmähschriften, andere fassen ihn dagegen im weiteren Sinne auf u. lassen als P-e überhaupt alle in bleibende Zeichen gefaßte u. so verbreitete Injurien gelten. Insofern dabei Preßerzeugnisse in Frage kommen, werden über die Bestrafung der Drucker u. Verbreiter diejenigen Bestimmungen angewendet, welche für die Bestrafung von Preßvergehen (s.d.) gelten.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.