Thiergarten [1]

Thiergarten [1]

Thiergarten, ein Bezirk, welcher mit guter Befriedigung umgeben ist, um darin Wild, bes. Rothwild, zu hegen. Für das Schwarzwild muß eine besondere Anlage gemacht werden (s. Saugarten). Zu einem T. für Hirsche u. Rehe eignet sich am besten eine Laubholzgegend, welche mit Eichen, Buchen, Roßkastanien u. wilden Obstbäumen bepflanzt ist u. hier u. da ein Stück Wiese- u. Ackerland hat. Ein Bach od. eine Quelle u. eine sumpfige Vertiefung mit einem Suhlloche darf nicht darin fehlen. Umschlossen sind die T. mit einer Lehmwand u. mit einer 10 Fuß hohen Mauer od. einer Holzwand, welche unten zur Hälfte aus starken Bohlen, oben aus Latten od. auch als Pallisaden (Stickelzäunen, Stickelwänden), verfertigt ist, od. mit einer Befriedigung von geschälten kiefernen Stangen, welche in durchlöcherte Ständer eingelassen sind. In dem T. wird an der lichtesten Stelle ein großer Schuppen errichtet, welcher unten an den Giebelseiten offen, an den langen Seiten mit Lattenwerk vermacht ist. In der Mitte des Schuppens ist eine Raufe angebracht, welche so hoch gestellt ist, daß die großen Hirsche nicht oben hinein reichen u. die Schmalthiere u. Kälber darunter hinweg kriechen können; an den inneren u. äußeren Wänden des Schuppens sind Krippen, um bei gutem Wetter außerhalb, bei schlechtem Wetter innerhalb des Schuppens füttern zu können. Auf dem Boden wird das nöthige Winterfutter aufbewahrt. In od. nahe bei dem T. ist die Wohnung des Aufsehers; außerdem legt man noch ein Bürschhaus an neben Fütterungen, Salzlecken, Tränkplätzen; Jagdkanzeln (auf Bäumen angebrachte Sitze, zu denen Treppen führen), feste Jagdschirme, verdeckte Schieß- u. Anstände. Auch müssen Alleen, Stellwege u. Bürschwege ausgehauen sein, um den T. prakticabler zu machen. Einsprünge sind Orte, wo das außerhalb des T-s befindliche Wild zwar in dieselben springen, aber da sie tiefer liegen, als das umliegende Feld u. durch eine steile 6 Fuß hohe Mauer von dem nicht umfriedigten Felde geschieden ist, nicht zurückkehren kann. Die in dem T. befindlichen Wiesen u. Felder werden, wenn sie fremden Eigenthümern gehören, mit Gatterwerk eingehegt, wenn sie Eigenthum des Besitzers des T-s sind, nach Umständen auch dem Wild überlassen. Die Felder werden mit Raps, Roggen u. Hafer besäet. Die Rapsfelder öffnet man, wenn Schnee gefallen ist, die Roggenfelder im Spätherbst einige Tage u. dann im Frühjahre, ehe der Roggen in das volle Schossen kommt. Wenn der Hafer sehr üppig steht, kann er dem Wilde einige Tage überlassen werden, ehe er schoßt, u. wenn er reif ist, wird er völlig Preis gegeben. Das Buschholz wird sechs Jahre lang eingehegt, das schlagbare Holz im Herbst gehauen u. in Reihen gelegt, damit das Wild die Knospen u. die zarten Zweige abfresse, u. dann erst abgefahren. Der Normalbestand eines T-s von 100 sächsischen Ackern (zu 300 achteiligen Quadratruthen) kann 60 Stück Edelwild od. 80 Stück halb Edelwild, halb Damwild od. 100 Stück Damwild sein. Dam-, Axis- u. bengalisches Wild gedeiht im T., letzteres muß aber in warmen Ställen überwintert werden. Dagegen gedeihen Rehe im T. meist schlecht. Oft dienen auch die T. zur Fohlenzucht u. Hütung. Schon die Römer legten sich Thiergärten an; Anfangs Hasengärten (Leporaria), später aber für Hirsche, Rehe, Wildschweine u. wilde Ziegen. Fulvius Lupinus bestimmte 40 Acker zu einem T.; Hortensius machte den seinigen noch größer u. nannte ihn Theriotropheum (d.i. ein Platz, wo Wild gehalten wird). Zur Anlage eines T-s wurde ein Wald, welcher von Wiesen unterbrochen u. mit Wasser versehen war, verlangt; fehlte das Wasser, so wurde ein Kanal od. ein Teich gegraben. Umzo[517] gen wurde das Ganze mit einer Mauer u. mit einem Wildzaun von eichenen Pfählen, daher hießen die T. auch Roboraria.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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