Kanal [1]

Kanal [1]

Kanal, 1) durch Kunst angelegter Graben, in welchem Wasser fließen kann. Kanäle sollen entweder Wasser von einem Ort wegleiten (Abzugskanal), od. an einen bestimmten Ort bringen (z.B. Mühl- u. Kunstgraben), od. dazu dienen, Holz zu flößen u. Schifffahrt auf ihnen zu treiben (Floßgraben u. Schifffahrtskanal). A) Abzugskanäle, wo auf starkes Gefälle u. auf Zufluß von Wasser zu achten ist, dienen zur Ableitung des Regenwassers, des Unraths aus Häusern (Cloaken), des Wassers aus Teichen (Fluthgraben) u. zur Entwässerung sumpfiger Gegenden (Entwässerungskanal); sie sind entweder offen mit geringer Tiefe u. Böschung zu beiden Seiten, od. unterirdisch, wo die Seitenwände gemauert u. so hoch überwölbt werden, daß ein Mensch hindurchkriechen kann. Soll eine Gegend durch Kanäle entsumpft werden, so überzieht man sie mit einem Netz von Kanälen; die kleinsten (1–2 Fuß breit) saugen das Wasser auf u. führen es durch (3–5 Fuß breite) Gräben endlich in den 6–12 Fuß breiten Hauptabzugskanal. B) Umgekehrt ist der Lauf des Wassers in den Bewässerungskanälen, durch welche die Fruchtbarkeit von Wiesen u. Feldern erhöht werden soll. C) Känäle, welche das Wasser an einen bestimmten Ort leiten sollen, u. Schifffahrtskanäle müssen des geringern Verlustes an Gefälle u. der Kostenersparung wegen möglichst gerade angelegt werden. Man leitet die Kanallinie um die in ihrer Richtung liegenden Berge herum od. mittelst ausgemauerter Stollen durch dieselben hindurch; über Thäler entweder durch zu beiden Seiten aufgeworfene Dämme, od. durch bes. aufgeführte Brücken (Brückenkanäle), od. auch durch Röhrenleitungen auf hölzernen od. steinernen Gerüsten. Solche Kanäle, welche das Wasser zuleiten, werden gemauert od. nur mit Holz bekleidet, wo sie dann rechtwinklig ohne Böschung aufgeführt werden od. auch ausgestochen, wobei sie eine –11/2 süßige Böschung erhalten, die mit Rasen belegt wird, bes. für Mühlen u. Fabrikanlagen, welche durch Wasser getrieben werden. Schiffbare Kanäle sind in den nach Bedarf durch Holzverkleidung, Mauerwerk od. Beton gegen das Durchsickern zu verwahrenden Boden eingeschnittene Gräben, so hoch mit Wasser angefüllt, daß beladene Schiffe darauf fortgezogen werden können; dienen zu Verbindung zweier Flüsse, Seen od. Meere, od. zur Erleichterung des Handels im Binnenlande (Binnenkanäle).

Der Kanalbau erfordert Findung der zweckmäßigsten Kanallinie, Nivellirung derselben, Untersuchung des Bodens durch Bohren. Zu einer vortheilhaften Richtung gehört, daß der K. an der höchsten Stelle (welche, wenn sie nicht an dem einen Endpunkte des K-s liegt, Brechpunkt od. Theilungspunkt heißt) auch in der trockensten Jahreszeit, aus Flüssen, Bächen, Seen u. Quellen, durch besondere Kanäle (Speisekanäle) so viel Wasser zugeführt bekommt, als die Schifffahrt bedarf. Diese Wassermenge richtet sich nach dem Bedarf, den die anzulegenden Schleußen (s.d.), durch welche man die Niveaudifferenz zwischen den beiden Endpunkten des K-s überwindet, erfordern, u. nach der Versickerung u. Verdunstung des Wassers (ein Cubikfuß auf jeden Quadratfuß Grundfläche des Kanals für ein Jahr). Der Kosten u. des Wasser- u. Zeitverlustes wegen ist das Übersteigen von Anhöhen möglichst zu vermeiden; ist dies aber nicht thunlich u. beträgt die Anhöhe mehr als 30–40 Fuß, so muß der K. unterirdisch in Tunneln od. Kanalstollen so kurz als möglich durchgeführt werden, wobei die Bedeckung am sichersten gewölbt wird. Die Geschwindigkeit des Wasserlaufs hängt von der Tiefe u. dem Gefälle des K-s ab; wenn die Schiffe nach beiden Richtungen hin von Thieren gezogen werden, so ist gar kein Gefälle nöthig, der K. erhält dann einen horizontalen Boden u. braucht so am wenigsten Wasser; bei zu geringer Geschwindigkeit setzt sich viel Schlamm ab u. wird die Schifffahrt verzögert, während zu große mehr Wasser verlangt; Geschwindigkeit von 2–3 Fuß in der Secunde ist am zweckmäßigsten. Der Querschnitt eines K-s richtet sich nach der Breite der Schiffe, von denen er befahren wird, u. nach der Tiefe im Wasser, wenn sie beladen sind; wenigstens soll der Boden eines K-s so breit sein, daß zwei Schiffe bequem neben einander fahren können, u. die Tiefe des Wassers bei einigermaßen beträchtlicher Schifffahrt 3–4 Fuß betragen; wenn der K. nur für Ein Schiff ausreichende Breitebekommt, so müssen wenigstens an einzelnen Stellen Erweiterungen angebracht werden, wo zwei sich begegnende Schiffe einander ausweichen können. Die Böschung der Ufer soll wenigstens 11/2 füßig, bei lockerem Boden noch flacher sein u. wird vor dem Ausspühlen des Wassers, bes. bei Dampfschifffahrt, durch Weidenanpflanzung, Deckwerke, Faschinenlagen u. Steindämme geschützt. Die durch das Ausgraben eines K-s gewonnene Erde wird bei großen Kanälen von starkem Gefälle zur Anlegung der Leinpfade (Ziehwege) benutzt, auf denen die Menschen u. Thiere, welche die Schiffe stromaufwärts ziehen müssen, bequem gehen können; sie erhalten eine Breite von 6–10 Fuß. Da die Kanäle von geringem Gefälle u. wenn sie viele Schleußen haben, sich leicht verschlemmen, so müssen sie öfters ausgebaggert werden; od. man trifft Vorkehrungen, daß das Wasser bisweilen mit einer größern Strömung durch den K. gelassen werden kann, wo es dann diesen selbst reinigt. Wo der K. Flüsse, Straßen, Eisenbahnen kreuzt, muß er über od. unter denselben weggeführt werden, u. die etwaige Überbrückung muß auch den Leinpfad mit enthalten. An den Endpunkten u. an wichtigen Zwischenpunkten erhält der K. Häfen u. Landeplätze, welche mit den nöthigen Bequemlichkeiten für das Ein- u. Auslanden, mit Magazinen, Werften, Docks etc. zu versehen sind.

Die frühesten Kanäle hatten mehr die Erhöhung der Fruchtbarkeit des Landes, als die Verbindung einzelner Länder u. Landstriche zum Zweck. Alte Kanäle finden sich in Ägypten, von denen einer einst das Rothe Meer mit dem Mittelmeere verbunden haben soll (wird neuerdings bezweifelt, obgleich sich Spuren eines solchen angefangenen K-s finden), andere immer noch bestehen, z.B. der Jussufkanal, die Kanäle in einigen Provinzen Persiens u. Afghanistans (wo das Kanalsystem große Vollkommenheit erreichte, indem mehrere sogar unter der Erde meilenweit fortgeführt wurden), am Tigris u. Euphrat etc. Die Griechen u. Römer thaten weniger im Kanalbau, u. erst Karl der Große hatte den Plan, die Donau mit dem Main u. so mit dem Rhein u. also die [274] Nordsee mit dem Schwarzen Meer mittelst eines K-s zu verbinden, welche Arbeit zwar begonnen, aber nicht vollendet wurde. In neuerer Zeit wurde der Bau der Kanäle mit Eifer wieder aufgenommen, u. bes. Entwässerungskanäle in Frankreich (an der Rhone), der Lombardei (an dem Po), in Baiern (an der Isar), in Ungarn etc. angelegt. Häufiger sind aber in neuern Zeiten (17. u. 18. Jahrh.) Kanäle zur Beförderung des Handels u. der Schifffahrt angelegt worden. Man hat durch sie entweder die Wege abkürzen wollen (z.B. der Kaledonische, wodurch die Nordsee u. das Atlantische Meer, der Eiderkanal, wodurch die Nord- u. Ostsee verbunden werden; ferner mehrere Kanäle in Rußland, wodurch man die Verbindung des Kaspischen u. des Schwarzen Meeres mit der Ostsee od. dem Weißen Meere bewerkstelligt hat, auch in Schweden der Götakanal u. v. a.) od. den Transport erleichtern. Auch der K. Karls des Großen zur Verbindung der Nordsee mit dem Schwarzen Meere ist als Donau-Main- od. Ludwigskanal wieder aufgenommen u. 1845 vollendet worden (s. Ludwigskanal). In neuester Zeit sind bes. zwei Plane zu Kanälen von Bedeutung, der eine (Canal du midi) zur Verbindung des Atlantischen u. Stillen Meeres durch die Nord- u. Südamerika verbindende Landenge, s.u. Panama, u. der des Suezkanals zur Verbindung des Indischen u. Mittelmeeres, s.u. Suez. Besonders reich an Kanälen sind Holland u. England, ferner Frankreich, Lombardei, Preußen, bes. Brandenburg u. Rußland. Die einzelnen Kanäle s. unter ihrem Namen, wie Kaiserkanal, Grandjunctionkanal, Götakanal, Eiderkanal, Finowkanal etc. Der Nutzen der Kanäle ist groß u. dürfte in gewisser Beziehung selbst durch die Eisenbahnen nicht ersetzt werden, da der Wassertransport, wenn auch langsamer, doch wohlfeiler ist u. sich so bes. für schwere Gegenstände empfiehlt, wenn eine schnelle Beförderung derselben weniger erforderlich ist. 2) Vertiefte Züge an der Schnecke des Ionischen Capitäls; 3) cylinderförmig vertiefte Verzierung; 4) Röhre, durch welche eine Flüssigkeit, warme Luft etc. geleitet wird; 5) in den Orgeln eine aus Bretern zusammengesetzte Röhre, durch welche der Wind aus den Blasebälgen in die Windladen geleitet wird; 6) röhrenartige Aushöhlung in Körpertheilen, von Häuten gebildet, od. in Knochen, zum Durchgang von Flüssigkeiten bestimmt, bes. im ersteren Falle, u. dann auch so v.w. Gang od. zum Durchgang von Gefäßen, Nerven u. andern Teilen; so Kanal des Nebenboden (Nebenhodengesäß, Vas epididymidis), cylindrische vielfach geschlängelte Röhre, welche das Mittel- u. Endstück des Nebenhoden bildet, s. Genitalien.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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