- Malaiische Völker
Malaiische Völker od. Oceanier nennen neuere Ethnologen u. Ethnographen den ganzen Menschenstamm; der über fast sämmtliche Inseln des Indischen u. Großen Oceans verbreitet ist u. nach Blumenbachs Eintheilung der Menschenformen in fünf Racen eine eigene Race, die Malaiische Race, bildet. Als charakteristische Merkmale kommen derselben zu: Braune Hautfarbe (einerseits bis ins helle Mahagoni-, andererseits bis ins dunkelste Nelken- u. Kastanienbraun); dichtes, schwarzes lockiges Haar, breite Nase, großer Mund. Während die Malaiische Race in ethnologischer Beziehung gewissermaßen den Übergang von der Kaukasischen u. Mongolischen zur Äthiopischen Race bilden, erscheinen die Malaiischen od. Oceanischen Völker in ethnographischer, wie[771] auch in linguistischer Hinsicht als ein eigner, von allen übrigen scharf geschiedener Völkerstamm, der zwar räumlich außerordentlich weit ausgedehnt ist, da er sich von Madagascar in Westen bis zur Osterinsel in Osten erstreckt, aber dennoch in seinen räumlich auch noch so entlegenen Gliedern deutlich das Gepräge naher Verwandtschaft trägt, u. noch bes. dadurch merkwürdig ist, daß er in der Hauptsache nur den Tropenländern angehört u. nur Inseln bewohnt. Über die Urheimath ist nichts sicheres ermittelt; die ältesten Wohnsitze sind jedoch wahrscheinlich auf Sumatra, Java u. Borneo zu suchen, von wo aus sich die Oceanier allmälig zum Theil noch in historischer Zeit nach allen Himmelsgegenden verbreiteten. Bei ihrer Verbreitung trafen sie auf eine negerartige Urbevölkerung, welche theils von ihnen ausgerottet wurde od. wenigstens in ihnen sich verlor, theils mit ihnen vermischte u. so die eigenthümlichen Typen erzeugte, welche mehrere Völker Oceaniens u. Polynesiens trotz ihrer verwandten Sprache in physischer Beziehung tragen. Als mehr od. minder reine Reste jener negerartigen Urbevölkerung (s. Negritos u. Papuas) sind auf dem Indischen Archipel z.B. die Samang u. Bila auf der Halbinsel Malacca, die Aëtas auf der Philippinischen Insel Luzon, die Bewohner der Andamaninseln, ein Theil der Bevölkerung Neuguineas u. der Nachbarinseln, sowie weiter in Osten, in dem von neueren Geographen eben deshalb Melanesien genannten Theile der oceanischen Inselwelt, die Bewohner von Neubritannien, Neuirland, der Louisiade, der Salomoninseln, der Neuen Hebriden u. Neucaledoniens. Nicht zu verwechseln mit diesen Trümmern einer zu einer ganz andern Menschenrace gehörigen schwarzen Urbevölkerung sind verschiedene, wegen ihrer Abgelegenheit bisher nur wenig od. oberflächlich bekannt gewordene Völkerschaften, die in halbwildem Zustande in dem unzugänglichen Innern verschiedener Inseln des Indischen Archipels wohnen, von den Niederländern gewöhnlich mit dem sehr unbestimmten Namen der Alfuren (s.d.) od. Haraforas bezeichnet werden, aber dem Malaiischen Völkerstamme zugehören u. nur als in der Cultur zurückgebliebene od. auch wohl von den Küsten aus ins Innere zurückgedrängte u. deshalb verwilderte Glieder desselben zu betrachten sind. Der größte Theil der Malaiischen Völker hat sich von jeher durch eine gewisse Cultur ausgezeichnet, die unter einigen bis zu einem ziemlich hohen Grade gestiegen ist. Sie verdanken dieselbe den Indern, welche schon Jahrhunderte vor Christi Geburt mit dem Archipel, namentlich mit Java in Verbindung standen. Von Indien aus erhielten mehrere Malaiische Völker nicht nur die Schrift, wie die Javanen, die Battas, die Redjang, die Bugis, die Tagaden, deren Alphabete sämmtlich aus dem Devanagarialphabet der Inder hervorgingen, sondern auch den Brahmaismus, wie später theilweise auch den Buddhismus. Seit der Mitte des 12. Jahrh. fand auch der Islam durch Vermittelung der Malaien auf dem Archipel allgemeine Verbreitung. Mehrere Malaiische Völker, wie vor Allem die Javanen (s.d.) u. die eigentlichen Malaien (s.d.), dann die Bugis, Makassaren u. in gewisser Beziehung auch die Malegassen (s. Madagascar), besitzen nationale Literaturen, in denen sowohl der indische, wie der moslemische, in neuerer Zeit auch der europäische Einfluß leicht zu erkennen ist. Die christlichen Missionäre haben zwar mehrere Tausende getauft, doch hat die eigentliche christliche Sittigung unter den Malaien eben so wenig wie bei andern asiatischen Völkern Boden gewonnen. Man kann die Malaiischen Völker in drei Hauptgruppen theilen: a) eigentlich Malaiische Völker od. Centralmalaien auf dem Indischen Archipel. Zu denselben gehören die eigentlichen Malaien, Javanen, die Sundaer, die Bugis, die Makassaren, sowie die Battas, Redjangs u. Lampongs, auf Sumatra, die Bewohner von Nias u. anderer Inseln südlich von Sumatra, die Jamboras, Bimas u. Sumbavas auf den kleinen Sundainseln, die Dayaker in Borneo, die Timoresen, die Alfuren, der Minnehassa auf dem nördlichen Celebes, die Illanos auf Mindanao; die übrigen Völker auf den Philippinen, worunter die Tagaler (s.d.). Auch die Bewohner des Innern der Insel Formosa sind Malaiischen Stammes. b) Die westlichen Malaien, welche durch die Malegassen auf der Insel Madagascar (s.d.) repräsentirt sind. c) Die Polynesier (s. Polynesische Sprachen). Die Gesammtzahl sämmtlicher M. mag etwa 25 Millionen betragen (s. Malaiischer Sprachstamm). Vgl. Junghuhn, Die Battaländer auf Sumatra, Berl. 1847, 2 Bde.; Newbold, Polit. and statist. account of the british Settlements in the Strait of Malacca etc., Lond. 1839, 2 Bde.; Logan, Ethnology of the Indo-Pacific Islands im Journal of the Indian Archipelago, Singapore 1853 etc.; die Tijdschrift u. die Bijdragen für die Sprach-, Land- u. Völkerkunde von Niederländisch Indien.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.