- Bingen [1]
Bingen, 1) Kreis der großherzoglich hessischen Provinz Rheinhessen, 50,000 Ew.; 2) Stadt u. Hauptort daselbst, in einer romantischen Gegend am Einflusse der Nahe in den Rhein, hat eine Tabacksfabrik, Gerbereien, Weinbau, Handel u. Schifffahrt 5100 Ew. Auf einer Anhöhe sind die Trümmer des Schlosses Klopp, in welchem Heinrich IV. 1105 gefangen saß. Östlich der Stadt erhebt sich der Rochusberg mit einer Kapelle, welche Goethe mit dem Altarbild des St. Rochus schmückte. Auf der Südseite dieses Berges wächst der Scharlachberger Wein. Jenseits der Nahe, über welche eine steinerne Brücke von 7 Bogen führt, liegt der Rupertsberg, nach dem Pfalzgrafen Ruprecht I. benannt. Er gehört zu der Preußischen Rheinprovinz, wie auch der auf einer kleinen Insel im Rhein unterhalb B. befindliche Mäusethurm, ein alter, zur Mauth (Zoll) errichteter Thurm. Nach der Sage entstand der Mäusethurm so: Hatto II., Erzbischof von Mainz, ließ eine mit Korn gefüllte Scheune, deren sich die Armen bemächtigten, zugleich mit diesen niederbrennen, wobei er rief: Hört, wie die Mäuse schreien! Seitdem aber unablässig von Mäusen verfolgt, flüchtete er sich vor ihnen hierher; sie schwammen jedoch über den Rhein u. fraßen ihn 969 auf. Der Mäusethurm, dem Verfall nahe, wurde 1856 wieder hergestellt. In der Nähe des Mäusethurmes liegen Felsen quer über u. unter dem Wasser, u. lassen nur auf der rechten Seite des [799] Stromes eine bequeme Fahrt, das Bingerloch, übrig 1830 wurde dieser Felsen gesprengt. – Das alte Bingium war eine Stadt der Vangiones u. gehörte zum Belgischen Gallien. Die Römer hatten schon eine steinerne Brücke über die Nahe (die jetzige ist weit späteren Ursprung) u. legten ein Kastell hier an, das zur Zeit der Völkerwanderung zerstört wurde; auf seinen Ruinen wurde im Mittelalter die Burg Klopp erbaut. 1301 nahm Kaiser Albrecht I., in dem Krieg mit dem Erzbischof Gerhard II. von Mainz, die Stadt Bingen mit Sturm, die Klopp aber belagerte er vergebens. 1350, bei der Fehde mit dem Erzbischof Gerlach von Mainz, sprang der gefangene Kuno von Falkenstein den hohen Felsen herab u. befreite sich so. In B. wurde 1621 ein Vergleich zwischen Kaiser Ferdinand II. u. Landgraf Moritz von Hessen-Kassel abgeschlossen, in welchem Letzter der Protestantischen Union u. bes. dem Bündnisse mit Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz entsagte. 1639 wurde B. von den Weimarischen, 1640 von den Kaiserlichen u. 1644 von den Franzosen eingenommen; 1689 wurde Stadt u. Burg von den Letzteren zerstört; am 3. Jan. 1814 bei B. Gefecht zwischen Preußen u. Franzosen. Am 29. April 1850 wurde B. von einer großen Feuersbrunst heimgesucht. B. wird auch als der Ort genannt, wo der Nibelungenhort (s.u. Nibelungen) im Rhein verborgen liegt. 3) Flecken im preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen (Hohenzollern), an der Lauchart, 1100 Ew. Dabei Schloß Hornstein, Zucht- u. Arbeitshaus.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.