- Civilgericht
Civilgericht, die öffentliche Behörde, welche mit der Ausübung der Rechtspflege in bürgerlichen Rechtssachen (s. u. Civilgerichtsbarkeit) betraut ist. Die C-e theilen sich in a) Untergerichte, welche die Civilsachen in erster Instanz entscheiden, u. b) Obergerichte, an welche die Sachen, wenigstens der Regel nach, erst dann gelangen, wenn wider die Entscheidung des Untergerichtes eine Appellation, Beschwerde od. ein Recurs eingewendet worden ist. Die ersteren kommen unter dem Namen Landgerichte, Ämter, Justiz- od. Gerichtsämter, Kreisgerichte etc. vor; hinsichtlich der Obergerichte huldigt das Deutsche Recht dem Grundsatze, daß es 3 Instanzen gibt, von denen dann die zweite durch Appellationsgerichte, Hofgerichte, Landesjustizcollegien etc., die dritte durch Oberappellationsgerichte, Oberhofgerichte, Obertribunale gebildet wird. Die Gerichte der oberen Instanzen sind durchgängig[172] collegialisch besetzt, d.h. die Richter bilden hier ein Collegium, bei welchem Stimmenmehrheit entscheidet. Hinsichtlich der Einrichtung der unteren C-e aber findet eine große Verschiedenheit Statt, indem dieselben bald als Collegial-, bald als Einzelgerichte constituirt sind. Über den Vorzug der einen od. anderen Einrichtung wird sehr gestritten; Einzelgerichte, bei denen nur ein Richter, wenn auch vielleicht mit Hülfe mehrerer Nebenpersonen entscheidet, empfehlen sich dadurch, daß bei ihnen die Bildung kleinerer Bezirke möglich ist u. hierdurch dem Rechtssuchenden das Angehen des Richters wesentlich erleichtert wird, auch sich dann in der Regel zwischen Gerichtsuntergebenen u. Richter ein innigeres Verhältniß bildet. Dagegen scheinen Collegialgerichte dem eigentlichen Zweck der Rechtspflege in sofern mehr zu entsprechen, als die Übereinstimmung mehrerer Personen, welche nach gemeinschaftlicher Berathung u. nach gegenseitiger Prüfung der Gründe u. Gegengründe gewonnen wird, mehr Bürgschaft dafür leistet, daß wirklich das Recht gefunden werde, als dies bei einem für sich allein stehenden Beamten erwartet werden kann. Dagegen haben die Collegialgerichte gegen sich, daß ihre Einrichtung wesentlich theurer ist, daß das Verfahren vor ihnen meist ein langsameres u. schwerfälligeres wird u. daher, namentlich bei geringfügigeren, oft nicht mit der Bedeutung des Streitgegenstandes in Verhältniß steht. Eine dritte Einrichtung ist daher die, daß nur die wichtigeren Sachen, z.B. über 100 Thlr., Collegialgerichten, die minder wichtigen dagegen Einzelrichtern, wenn auch bei demselben Gerichte, übertragen sind. Neben dem Richter erfordert das gemeine Deutsche Recht bei jedem C. als eine zweite Hauptperson einen Gerichtsschreiber (Actuarius, auch, namentlich bei Obergerichten, Secretär genannt), welcher alles Erhebliche, was bei Gericht vorgeht, schriftlich aufzunehmen u. für gehörige Führung der Acten zu forgen hat. Als Nebenpersonen kommen außerdem Schöppen (s.d.), Auscultanten, Praktikanten od. Auditoren, welche dem Gerichte blos zu ihrer Ausbildung od. zur Aushülfe beigegeben sind, u. Getichtsdiener, Gerichtsboten, welche bei den Gerichtssitzungen aufzuwarten, die Citationen u. Executionen zu besorgen u. niedere Dienste zu verrichten haben, so wie Sporteleinnehmer, Sportelrendanten, welche die Gebühren einzunehmen u. zu verrechnen haben, vor. Alle zu einem Gericht gehörigen Personen sind als öffentliche Beamte zu betrachten u. werden deshalb vereidigt, genießen aber auch die Vorrechte der öffentlichen Beamten, namentlich für den Bereich ihrer Dienstgeschäfte den öffentlichen Glauben. Den Gegensatz des C-s bildet das Criminalgericht (s.d.); doch sind die Functionen der Civil- u. Criminalgerichtspflege oft auch bei einem Gerichte vereinigt.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.