- Ecuador
Ecuador (Gesch.). E. bildete vor Ankunft der Spanier einen Theil des Inca-Reiches u. fiel mit diesem unter spanische Herrschaft (d. Nähere s. Peru, Gesch.). Es gehörte bis 1811 zum spanischen Vicekönigreich Neu-Granada, erklärte sich aber in diesem Jahre mit den übrigen spanischen Colonien in Südamerika für unabhängig u. bildete von 1819–31 einen Theil der Föderativ-Republik Columbia (s.d. Gesch.), von da an war E. der Schauplatz des Bürgerkriegs u. der Anarchie. Die Bemühungen des Generals Santander, Präsidenten von Neu-Granada, die Parteien zu versöhnen, scheiterten; ebenso vergeblich versuchte es Don Juan Jose Florez (1833 zumersten Präsidenten von E. gewählt), die Ordnung wieder herzustellen. Er verband sich mit Bolivia gegen Peru u. beruhigte Neu-Granada (s.d.) durch Abtretung von Buenaventura. 1834 brach unter der Leitung von Vincente Rocafuerte eine Empörung aus, Präsident Florez wurde bei Guayaquil geschlagen, kämpfte späterhin mit mehr Glück gegen ihn u. nahm ihn zu Quito gefangen, worauf (im Mai 1835) eine Verständigung zwischen Beiden zu Stande kam. Bald darauf stand General Barragan gegen Beide auf, schlug deren General Otamendi, beschränkte Florez auf Quito u. Rocafuerte auf Guayaquil, unterlag aber kurz darnach gegen Letztern. Florez versammelte nun einen constituirenden Congreß von 45 Deputirten, der am 9. Aug. 1835 eröffnet wurde, dem Staat eine neue (1838 u. 1843 in einigen unwesentlichen Punkten abgeänderte) Verfassung gab u. Rocafuerte als Präsidenten der Executive bestellte. E. übernahm den 3. Theil des von der ehemaligen Föderativ-Republik in Europa gemeinschaftlich abgeschlossenen Anleihe, berichtigte die Grenzen der Republik u. schloß mit Neu-Granada u. Venezuela ein Bündniß zu gemeinsamer Abwehr äußerer Angriffe u. zu gegenseitiger Zollfreiheit. Die einst von Condamine gegründeten Pyramiden wurden 1837 in Gegenwart des Präsidenten wieder aufgerichtet, ein militärischer Aufstand zu Riobamba 1838 bald überwältigt, u. E. fing unter Rocafuertes Präsidentur an zu gedeihen. Bereits im März 1839 wurde durch ein Decret des Senates u. Congresses der spanischen Regierung die Zulassung spanischer Handelsschiffe in den Häfen der Republik angeboten, worauf Spanien im Nov. 1841 einen förmlichen Friedens- u. Freundschaftsvertrag mit E. abschloß, dem ein Handels- u. Schifffahrtsvertrag, auf Gegenseitigkeit der Vortheile begründet, folgte. Um den directen Handel mit Europa zu heben, wurde im Decbr. 1841 durch ein Gesetz den direct aus Europa in den Häfen der Republik einlaufenden Schiffen eine Erleichterung von 50/0 an allen Tarifsätzen gewährt. 1844 wurde zwischen E. u. Neu-Granada ein Vertrag abgeschlossen, nach welchem Neu-Granada die Staatsschuld E-s übernahm u. für die nochrestirenden 711/2 % der Columbischen Schuld allein gegen England verantwortlich wurde. Inzwischen war Florez 1843 wieder, u. zwar auf Lebenszeit, zum Präsidenten erwählt worden, aber in Folge eines in Guayaquil ausgebrochenen Aufstandes, den Rocafuerte leitete, ging Florez nach dem Vertrag vom 17. Juni 1845, mit Beibehaltung seiner Würde als General en chef u. eines Gehaltes von 20,000 Dollars 2 Jahre außer Land. Rocafuerte hatte gehofft, daß er nun zum Präsidenten gewählt werden würde, allein die Wahl fiel auf Ramon Roca, einen Farbigen, u. Rocafuerte starb vor Ärger darüber 1847 in Lima. Im Mai 1846 kam es zu einem Kriege mit Neu-Granada, der aber bereits am 29. d. M. durch den Frieden zu Sta. Rosa de Carchi beendigt wurde. Inzwischen machte Florez alle möglichen Versuche, in Europa eine Expedition gegen E. auszurüsten u. sich der Gewalt dort wieder zu bemächtigen, bes. gelang es ihm in spanischen u. englischen Seestädten Schiffe u. Leute zu werben, allein die englische Regierung verhinderte die Expedition u. nahm die Transportschiffe weg, auch in Spanien wurde der Plan auf französische Verwendung gestört, u. der spanische Gesandte in E., der Anfangs die Kenntniß seiner Regierung von[469] dem Florezschen Plane geleugnet hatte, sah sich endlich doch genöthigt, seine Pässe zu nehmen u. E. zu verlassen. Bei der Eröffnung der Session des Congresses am 15. Sept. 1847 konnte der Präsident nicht allein die glückliche Beseitigung der Besorgnisse wegen des Florezschen Unternehmens mittheilen, sondern auch die freundlichen Beziehungen zu den Vereinigten u. den Europäischen Staaten, u. daß mit England ein Vertrag gegen den Sklavenhandel u. mit Belgien ein Handelsvertrag vereinbart worden sei. Indeß hatte Florez noch eine mächtige Partei im Lande, die schon bei dem Aufstand in Guayaquil am 1. Octbr. 1846 eine Demonstration für ihn machte; deßhalb versuchte Florez, was ihm in Europa nicht gelungen war, nun in Amerika zu erreichen, indem er erst in Jamaica, u. als er hier nicht zum Ziele kam, 1848 in Neu-Granada eine Expedition gegen E. zu Stande zu bringen beabsichtigte, indem er dem Präsidenten von Neu-Granada, Mosquera, vorschlug, den Columbischen Bund wiederherzustellen u. eine Monarchie zu begründen. Doch waren seine Agitationen, welche er hauptsächlich mit spanischen Geldern betrieb, so offenkundig, daß auch Peru u. Bolivia es an der Zeit hielten, Gegenmaßregeln zu ergreifen. Mosquera sah sich daher genöthigt, Florez fallen zu lassen, u. dieser begab sich nach New-York, um dort von Neuem seinen gescheiterten Plan aufzunehmen. Inzwischen war 1849 die Präsidentschaft Roca's zu Ende gegangen. Das Gleichgewicht der beiden großen Parteien im Congreß, der an den spanischen Traditionen hängenden absolutistisch-hierarchischen u. der einer selbständigen volksthümlichen Entwickelung des Staatswesens huldigenden liberalen Partei, verhinderte die Präsidentenwahl, da auf keinen der Candidaten zwei Drittel der Stimmen, der Verfassung gemäß, zu vereinigen waren. Die Executivgewalt blieb daher vorläufig in der Hand des Vicepräsidenten Ascasubi. Parteiumtriebe beunruhigten das Land, bis am 8. Decbr. 1850 der Nationalconvent in Quito zusammentrat u. den Candidaten der clerikalen Partei Diego Noboa zum Präsidenten erhob. Eine der ersten Regierungsmaßregeln desselben war die Zurückrufung der Jesuiten u. die Aufnahme aller Unzufriedenen, welche Neu-Granada in Folge des dort herrschenden liberalen Systems, gezwungen od. freiwillig, verlassen hatten. Der Nachbarstaat, eine von E. ausgehende Reaction fürchtend, drohte mit Krieg, falls die betreffende Maßregel nicht zurückgezogen u. die Jesuiten nicht des Landes verwiesen würden. Noboa antwortete mit einer Truppensendung an die Grenzen Neu-Granadas. Aber der die Truppen befehligende General Urbina benutzte seine Autorität, um selbst den Präsidenten zu stürzen. Im Juli 1851 erklärte eine in Guayaquil zusammengetretene Junta den gefangen genommenen Präsidenten für abgesetzt, u. José Maria Urbina trat als Dictator u. Präsident an die Spitze des Staates. Die aus dieser Umwälzung hervorgehende Erbitterung der abgetretenen Partei machte sich General Florez zu Nutze, da ihm Peru unzweideutig Unterstützung zu leisten versprach, u. landete mit einem Haufen geworbener Freibeuter auf der Insel Pura. Von Urbina ohne großen Kampf geschlagen, floh er nach Peru. Ein Conflict mit diesem Staate war für E. unvermeidlich, da Peru neben der französischen Regierung. welche sich gleichfalls zu Gunsten Noboas in den Streit gemischt hatte, die moralische Schuld an der Störung des Friedens trug. Da indeß Neu-Granada die Forderungen der Regierung von E. nachdrücklich unterstützte, so erklärte sich Peru bereit, Florez u. seine Anhänger des Landes zu verweisen. Der französische Consul Montholon aber forderte, verletzt durch die gereizte Stimmung, welche sich gegen ihn kund gab, seine Pässe. Der Übermacht weichend, sah sich im Mai 1853 Urbina genöthigt, der französischen Regierung sein Bedauern über das Benehmen der Behörden gegen den Consul auszusprechen. Unterdessen hatte der Congreß zu Quito der Regierungsweise Urbinas seine Zustimmung gegeben, die Verfassung von 1843 wieder hergestellt u. nach demokratischen Principien revidirt. Es gelang dem Präsidenten, das Land fortan vor Ruhestörungen zu bewahren u. seitdem Castilla an die Spitze der Peruanischen Regierung getreten war (1855), auch mit dieser die freundschaftlichen Beziehungen zu unterhalten. Ihm folgte in der Präsidentschaft 1856 General Francisco Nobles. Dieser schloß im Anfang des Jahres 1857 ein Bündniß mit Peru u. Chile gegen etwaige Freibeuterexpeditionen, deren Theilnehmer von den contrahirenden Staaten als Seeräuber betrachtet u. behandelt werden sollen. Ein wichtiger Act seiner Regierung in Bezug auf den Handel u. Verkehr war die Einführung des französischen Münz-, Maß- u. Gewichtssystems im Decbr. 1856. Vgl. Juan de Velasco, Histoire du royaume de Quito, franz. herausgegeben von Ternaux-Compans, 2 Bde., Paris 1840; Histoire des pyramides de Quito, élévées par les Académiciens envoyés sous l'équateur par ordre du Roi, Par. 1851.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.