Ehebruch

Ehebruch

Ehebruch (Adulterium), die fleischliche Vermischung einer verheiratheten Person mit einer anderen, mit welcher sie nicht verheirathet ist. War der andere Theil gleichfalls verheirathet, so heißt der E. ein doppelter (Adult. duplex, Oberhurerei), war der andere Theil ledig, ein einfacher (Ad ult. simplex). Der E. findet sich bei allen bekannten Völkern als ein Verbrechen, wiewohl nach den verschiedenen Ansichten über die Ehe aus verschiedenen Gesichtspunkten, aufgestellt. Bei den Römern z.B. wurde der E. mehr nur als eine Kränkung der Rechte des Ehemannes aufgefaßt, was dazu führte, daß man auch nur bei der fleischlichen Vermischung der Frau mit einer anderen Mannsperson den Thatbestand eines eigentlichen E-s annahm, wogegen der Mann durch den Beischlaf mit einer Unverheiratheten nur ein einfaches Stuprum beging. Von anderen Grundsätzen aber ging das Canonische Recht aus. Indem es in dem E. vor Allem die Sünde des verletzten Sacramentes als das eigentlich Strafbare betrachtete, mußte es nothwendig dazu kommen, den E. bei beiden Theilen für gleich strafbar zu erklären. Diese Ansicht liegt auch dem gemeinen Criminalrecht, wie dasselbe in Art. 120 der Peinlichen Gerichtsordnung enthalten ist, zu Grunde. Der Thatbestand des Verbrechens setzt hiernach voraus: a) ein rechtsgültig abgeschlossenes u. noch bestehendes Eheverhältniß. Die Untreue einer Braut od. eines Bräutigams ist daher nie ein E., obwohl die Römer auf erstere allerdings auch die Strafen des Adulterium anwendeten u. ältere Criminalisten dieselbe als Quasi-adulterium bezeichnen. Ebenso ist nach rechtsgültig getrennter Ehe in Bezug auf dieselbe kein E. mehr denkbar. Die bloße Scheidung von Tisch u. Bett aber (s.u. Ehescheidung) hebt natürlich die Möglichkeit eines E-s nicht auf, weil dabei das eheliche Band immer als fortbestehend zu achten ist. b) Die geschlechtliche Vereinigung eines der Ehegatten mit einer Person anderen Geschlechts. Andere geschlechtliche Verirrungen, wie Sodomie, Päderastie, Onanie sind daher nicht geeignet, das Verbrechen des E-s zu begründen, sondern werden an dem Ehegatten nicht anders, wie bei einem Unverheiratheten bestraft. Dagegen genügt zur Herstellung des Thatbestandes in dieser Richtung auch schon ein nur einmaliger Beischlaf, u. die Vollendung ist schon mit Vereinigung der Geschlechtstheile als vollendet anzunehmen, so daß es auf die von älteren Criminalisten öfters erforderte Immissio od. Emissio seminis nicht ankommt. c) Das Bewußtsein, daß durch den Beischlaf eine bestehende Ehe verletzt werde (Dolus). Eine unbewußte od. unfreiwillige Verletzung begründet daher das Verbrechen nicht. Dagegen wird bei Vorhandensein jenes Bewußtseines der E. nicht allein von der verheiratheten Person, sondern auch von der anderen theilnehmenden Person, mag diese nun verheirathet sein od. nicht, begangen. Die Strafe des E-s besteht nach der Carolina, ohne Unterscheidung zwischen doppeltem u. einfachem E., für den Ehebrecher in Enthauptung, für die Ehebrecherin in lebenslänglicher Einsperrung in ein Kloster, nach älteren Stadtrechten zuweilen in der Strafe des Lebendigbegrabens, wofür die Praxis für beide Theile willkürliche Freiheitsstrafe gesetzt hat. Die Anwendung aller dieser Strafen setzt aber immer erst einen bezüglichen Antrag des beleidigten Ehegatten voraus; nur wenn durch den E. etwa ein öffentliches Ärgerniß gegeben wurde,[504] kann nach besonderer Vorschrift mehrerer Reichspolizeiordnungen auch ein Einschreiten von Amtswegen eintreten u., ohne daß es dann selbst eines besonderen Beweises der Geschlechtsvereinigung bedarf, mit Polizeistrafen eingeschritten werden. Denselben Grundsätzen folgen im Ganzen auch die neueren Strafgesetzgebungen. In den meisten derselben ist die Strafe nur auf Gefängniß von wenigen Wochen, für die schlimmsten Fälle bis zu 6 Monaten gesetzt. Der doppelte E. findet sich dabei immer als schwerere Art hervorgehoben, so daß er nach manchen (z.B. Preußen, Baiern, Sachsen, Braunschweig) noch einmal so hart, als der einfache bestraft wird. Das Österreichische Gesetzbuch kennt als besonderen Strafschärfungsgrund noch, wenn durch den E. Zweifel über die Paternität eines Kindes entstanden sind od. der E. als Gewerbe betrieben wurde. Umgekehrt gilt noch manchen als Strafmilderungsgrund, wenn der fehlende Ehegatte zur Zeit des E-s von dem anderen Ehegatten verlassen od. von Tisch u. Bett geschieden war. Alle stimmen ferner darin überein, daß sie nur eine Bestrafung auf Antrag gestatten; das Preußische u. Braunschweigische Gesetzbuch läßt diesen Antrag sogar nur in Verbindung mit einer Ehescheidungsklage zu. Der Antrag kann von dem beleidigten Ehegatten natürlich bis zur Fällung des Urtheils wieder zurückgezogen werden. Manche Gesetzgebungen legen aber auch schon einer außergerichtlichen Verzeihung (Condonatio) die Wirkung bei, daß dann der Antrag überhaupt nicht mehr gestellt werden darf, u. nehmen diese Verzeihung als stillschweigend eingetreten an, wenn der beleidigte Ehegatte, mit dem Fehltritte des anderen bekannt, ihm wieder die eheliche Pflicht geleistet hat. Nach dem Römischen Rechte, wie auch nach dem älteren Deutschen war es übrigens dem beleidigten Ehegatten, wie auch dem Vater, welcher die Ehebrecherin in seiner Gewalt hatte, erlaubt, den auf der That betroffenen Ehebrecher sofort ungestraft zu tödten. Nach den neueren Criminalgesetzgebungen, welche dies Recht nicht gestatten, kann in solchem Falle nur der nachgewiesene, gerechte Affect des Tödtenden die mildere Strafe des Todtschlages statt der des Mordes rechtfertigen. Einen moralischen E. hat man es wohl genannt, wenn ein Ehemann od. eine Ehefrau im Augenblicke der innigsten Vereinigung den Platz im Herzen, der dem anderen Ehegatten gebührt, einer anderen Person einräumt, wie einen solchen Fall Goethe in seinen Wahlverwandtschaften behandelt; juristisch wirkt dies natürlich gar nichts. Über E. als Ehehinderniß s.u. Ehe; als Ehescheidungsgrund s.u. Ehescheidung.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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