- Frist
Frist, 1) im Proceßrecht ein Zeitraum, innerhalb dessen entweder nach gesetzlicher Vorschrift (Noth-, Ordnungs- F., Fatalien), od. nach der Bestimmung des Gerichts (Richterliche F.). od. nach der Übereinkunft der Parteien unter Genehmigung des Richters (Conventional-, Gewillkührte F.) die Vornahme einer einzelnen Proceßhandlung geschehen muß. Man unterscheidet zunächst Dilatorische u. Peremtorische F.; jene sind von der Art, daß ihre Versäumung nicht den Verlust des Rechts, der vorzunehmenden processualischen Handlung, für welche die F. gesetzt war, nach sich zieht, sondern nur die durch das Versäumniß bewirkten Kosten od. etwa angedrohte Strafe; die F. wird erneuert u. deren abermalige Versäumniß mit höherer Strafe u. dem Verluste der vorzunehmenden Handlung bedroht, wodurch sie eine Peremtorische F. wird, denn die F. muß erst wiederholt u. erneuert werden. Durch Versäumniß einer Peremtorischen F. dagegen geht die Berechtigung, von welcher innerhalb einer gesetzten F. Gebrauch zu machen war, sogleich verloren, u. zwar ohne daß es einer Ungehorsamsbeschuldigung bedarf, wenn die Peremtorische F. eine vom Gesetz bestimmte (Fatale in der engeren Bedeutung) war. Regelmäßig sind alle gesetzlichen F-en peremtorisch; von den richterlichen dagegen gemeinrechtlich immer nur erst die dritte gesetzte F., wenn nicht (was den Gerichten auch frei steht) alle 3 F-en in Eine verhältnißmäßig längere peremtorische zusammengenommen sind. Ein fernerer Unterschied ist der, daß die richterlichen F-en auf Ansuchen der Parteien (Fristgesuch) verlängert werden können (Fristertheilung, Fristerstreckung, Prorogation, Dilatio), die gesetzlichen dagegen nicht. Bei den Fatalien (s. oben) unterscheidet man noch absolute od. unbedingte Nothfristen, bei welchen der Anfang der F. durch das Gesetz so bestimmt ist, daß sie nach einem gewissen Vorgang von selbst zu laufen beginnt; u. bedingte od. gemischte Nothfristen (Fatalia secundum quid), für deren Anfang es[753] erst noch der Ertheilung eines richterlichen Decretes bedarf. Die Zeitrechnung in Ansehung der F-en ist die gewöhnlich juristische; nur fangen im Zweifel die richterlich bestimmten F-en erst den Tag nach dem Insinuationstag der richterlichen Verfügung an zu laufen, u. die Erben einer Partei, welche vor Ablauf der zur Vornahme einer Handlung bestimmten F. stirbt, genießen die volle F. wieder, welche für sie von der Zeit der Antretung der Erbschaft an berechnet wird. Im Sächsischen Recht ist bes. die Sächsische F. merkwürdig; sie kommt von der alten dreimaligen Vorladung her, von denen eine jede den Zeitraum von 14 Nächten in sich faßte; sie besteht aus 6 Wochen u. 3 Tagen. Diese F. wird auch bei der sächsischen Verjährung von Jahr u. Tag (Annus saxonicus) zu dem Jahre noch hinzugerechnet (vgl. Maurer, Geschichte der altgermanischen Gerichtsverhandlungen S. 147). Die langen F-en in den älteren Proceßordnungen verzögern das Ende eines Processes oft auf eine lästige Weise; neuere Proceßgesetzgebungen haben durch zweckmäßige Abkürzungen diesem Übel zu steuern gesucht. Vgl. Termin. Der deutsche Untersuchungsproceß, nach materiellem Recht strebend, kennt die, blos bei formellem Recht möglichen Nothfristen nicht. Selbst die F. zur Einreichung der Defension hat nur den Sachwalter treffende Versäumnißnachtheile: Geldstrafe u. Bestellung eines anderen Defensors, nicht das Präjudiz des Verlustes der Defension. Eben so ist der Gebrauch der Rechtsmittel gemeinrechtlich an keine Präclusion hervorbringende Nothfrist gebunden. Im Anklageproceß aber, selbst nach der Peinlichen Gerichtsordnung Art. 21 u. jetzt nach den neueren Strafproceßordnungen finden Nothfristen Statt. 2) Die Nachsicht od. Gestundung bei jeder Zahlung, die zu einem gewissen Zeitpunkt geleistet werden sollte.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.