- Gewölbe
Gewölbe, 1) (Bank.), eine aus keilförmig gehauenen Ziegel- od. Bruchsteinen gefertigte Decke über einen von Mauern umgebenen Raum im Innern der Gebäude. Die G. sind daher als eine Vereinigung mehrerer Bogen zu betrachten, unterscheiden sich nach den Wölbungslinien derselben u. haben gleiche Verbindungsarten der einzelnen Theile (Wölbesteine) Die Mauer, auf welcher ein G. ruht, ist das Widerlager. Ist eine Widerlagsmauer mehreren G-n od. deren Bogen gemein, so nennt man sie einen Pfeiler. Anfänger sind die unmittelbar auf dem Widerlager ruhenden Steine, mit denen die Wölbung beginnt. Schlußstein ist der im höchsten Bogen befindliche Keilstein; Schnittriß, Fugenschnitt, die Formen der Steine u. die von denselben im G. gebildeten Linien beim Aneinanderstoßen. Jedes G. wird auf einem hölzernen Gerüste, dessen Form die Wölbungslinie angibt u. dessen Oberfläche mit Bretern verschalt ist, errichtet (s. Lehrgerüst). Nach den verschiedenen Formen unterscheidet man: a) Tonnengewölbe, dessen Bogenlinie einen halben Zirkel od. ein Zirkelstück bildet u. welches auf einander gegenüberstehenden Mauern ruht; sie werden überlangen, nicht zu breiten Räumen angewendet (bei sehr breiten Räumen würde ihre Höhe zu bedeutend) u. erhalten auf 12–15 Fuß Länge u. da, wo Mauern auf das G. zu stehen kommen, Gurtbogen, welche stärker als das übrige G. gemacht werden; b) Muldengewölbe, es besteht aus zwei Tonnengewölben, ähnlich dem Kreuzgewölbe, nur sind die Scheidungslinien der vier zusammenstoßenden Bogen nicht sichtbar, sondern die Kappen vereinigen sich in Curven. Wird dieses G. oben durch eine gerade Ebene geschlossen, so heißt es Spiegelgewölbe, u. diese Fläche der Spiegel; c) Böhmisches G., ein gewöhnlich über einem quadratischen Raume angebrachtes Kuppelgewölbe. Die Wölbungsflächen stoßen in scharfen Ecken (Graten) zusammen u. verlaufen sich im Schlusse des G-s; d) Kugelgewölbe in Form einer halben Kugel od. Ellipse; oft wird im Schlusse eine Öffnung (Laterne) zur Erleuchtung eingewölbt; Chor- od. Nischengewölbe ist es, wenn es einen halbzirkelförmigen Raum bedeckt od. eine Viertelskugel bildet; e) Kreuzgewölbe, besteht aus zwei sich durchschneidenden Tonnengewölben, so daß es sich gegen die Widerlager mit Kreislinien anlegt; die aus den Ecken nach dem Mittelpunkt aufsteigenden Durchschnittslinien (Gratbogen, Bogenrippe) werden[332] etwas stärker als das übrige G. gemacht u. sind, bes. bei den gothischen G-n, innerhalb durch vorspringende Gesimsglieder bezeichnet u. verziert; die zwischen den Gratbogen eingewölbten Theile heißen Kappen (Calotten); f) Kappengewölbe, besteht aus flachen, auf Gurtbogen ruhenden Tonnengewölben (Kappen). Die Gurtbogen müssen wenigstens 1/4 der Spannung im Lichten Höhe haben; die Höhe der Kappen kann 1/8 bis 1/12 ihrer Spannung betragen; g) Gothische od. Klostergewölbe, sind Kreuzgewölbe, deren Wölbungslinie spitzbogenförmig ist. Nach der Stellung der G. unterscheidet man noch: steigende od. abhängige G., deren Widerlager schräge Linien bilden; einhüftige G. od. Horngewolbe, deren Widerlager von ungleicher Höhe sind; Schneckengewölbe, deren Widerlager in einer Schneckenlinie steigen. Sämmtliche G. sind von dem Widerlager aus bis zur Hälfte ihres Bogens durch Hintermauerung zu verstärken.; die Gewölbesteine laufen entweder nach der Länge des G-s, od. sie werden auf den Schwalbenschwanz eingewölbt, d.i. sie liegen mit der Widerlagslinie in einem Winkel von. 45 Grad u. stoßen unter rechten Winkeln zusammen. Die Stärke der Gewölbebogen u. Widerlager richtet sich nach der Spannung u. Belastung des G-s. Wölbungen, welche durch Mauern belastet werden, müssen bei einer Weite von 6 F. 1 F., bei 10 F. 11/2 Fuß, bei 15 F. 2 F., bei 20 F. 21/2 F. Bogenstärke haben. Bei G-n, welche nur als unbelastete Decke dienen, kann die Stärke des G-s so viel Zolle betragen, als die Spannung Fuß enthält; die Stärke des Widerlagers darf nie unter der doppelten Bogenstärke sein. G. werden gefertigt von behauenen Sandsteinen, gebrannten Ziegeln u. Bruchsteinen. In Italien bedient man sich zur Ausfüllung zwischen den Gurt- u. Gratbogen eines Gemisches von Tufsteinen u. Mörtel, auch werden leichte G. mit bloßem Cement, auf die Verschalung gegossen, wie man dies bei römischen Monumenten noch häufig trifft. Die im Alterthum u. Mittelalter oft angewendeten, in neuerer Zeit wieder in Anwendung gebrachten Topfgewölbe bestehen aus gebrannten Gefäßen, welche mit Cement unter einander befestigt sind; vgl. Scheffler, Theorie der G, Braunschweig 1857. – Die erste Anwendung des Fugenschnittes zu Wölbungen ist unbekannt; die Ägyptier, Phönicier, Israeliten u. Babylonier kannten das Wölben nicht; erstere bildeten die gewölbten Decken aus ganzen, wagerecht auf Säulen ruhenden Steinen, od. sie legten mehrere Steine wagerecht über einander, so daß der obere um etwas über den untern hervorragte, wie z.B. im Gange der großen Pyramide zu Memphis; eben so wölbten auch die alten Skandinavier. Auch die Griechen scheinen vor Perikles Zeiten die Wölbungskunst nicht gekannt zu haben. Dagegen findet sich in den römischen Denkmälern die Bogenwölbung sehr häufig, u. nach spätern Schriftstellern soll das Wölben schon zu den Zeiten der römischen Könige bekannt gewesen sein. Mehrern Denkmälern in den Ruinen von Volterra (Porta Herculis), zu Fäsula, Crotona etc. nach scheinen die Etrusker die ersten gewesen zu sein, welche die Kunst zu wölben übten. 2) Gemach mit gewölbter Decke, als Archive, Vorrathskammern etc. 3) In vielen Städten jeder Kaufmannsladen, auch wenn er keine gewölbte Decke hat. 4) (Anat.), der obere convexe Theil od. die concav gebildete Fläche von Körperorganen, wie der Augenhöhle, des Gehirns des Hirnschädels u.a. 5) (Bot., Fornix), die obere innere Fläche eines gewölbten Theils, auch so v.w. Hohl- od. Gewölbschuppe, ein meist schuppenartiger Theil im Schlunde mancher Blüthen, meist in der Fünfzahl, wodurch der Schlund zum Theil verschlossen wird, z.B. bei Myosotis.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.