Graubündten [2]

Graubündten [2]

Graubündten (Gesch.). G. bildete, als Hohenrhätien, einen Theil des alten Rhätiens (s.d.), dessen Bewohner von den Römern erst nach harten Kämpfen unterworfen wurden; es wurde nach der Zerstörung des Römerreichs von Gothen u. Longobarden in Besitz genommen, die zur Vertheidigung der Engpässe dort Burgen u. Wartthürme aufbauten, kam dann zum Reiche der Franken u. fiel 843 durch den Vertrag von Verdun an Deutschland. Das Christenthum fand schon im 5. Jahrh. dort Eingang, u. Chur war der Sitz eines Bischofs. Durch die Franken wurde in Rhätien das Lehnwesen eingeführt u. dem Herzog von Alemannien die Oberverwaltung der Provinz übertragen, die nun den Namen Hochalemannien erhielt. Aber seit dem 10. Jahrh. zerfiel es in eine Menge kleiner Herrschaften, die sich gegenseitig befehdeten; unter den vielen Besitzern dieser Herrschaften war der Bischof von Chur der mächtigste. Fortgesetzter Druck, den diese Herren auf dem Landvolke lasten ließen, brachte dasselbe endlich zur Empörung, die im Mai 1424 dadurch gestillt wurde, daß Bauern u. Freiherren, den Abt von Disentis an der Spitze, im Dorfe Truns einen Bund zum Schutz gegenseitiger Rechte abschlossen. Dies war der Ursprung des Grauen (Grafen-) od. Oberen Bundes. Etwas früher schon hatte sich ein anderer Bund gebildet, welchem Chur vorstand, u. welcher der Gotteshausbund hieß; 1436, nach dem Aussterben der Grafen von Toggenburg, bildeten die vormaligen Unterthanen dieses Herrn den Zehngerichtenbund. Diese drei Bünde vereinigten sich 1471 zu Vazerol mit einander, u. nun wurden die Bewohner Hohenrhätiens Bündtner od. gewöhnlich Graubündtner genannt, weil der Graue Bund zuerst mit den Eidgenossen in Berührung kam. Die folgenden Jahrhunderte waren für G. eine unruhige Zeit, die ihnen bes. durch die 1512 von Mailand eroberten Grafschaften Veltlin, Chiavenna u. Bormio erregten, weil die Einwohner katholisch, die Bündtner dagegen reformirt waren. Da bei den Kämpfen zwischen Österreich, Spanien u. Frankreich um die Herrschaft in Italien der Besitz der graubündtischen Pässe von großer Wichtigkeit war, so unterstützte Österreich u. Spanien den 1617 ausgebrochenen Aufstand der Veltliner. Im Herbst 1622 drang Gomez Suarez, Herzog von Feria, spanischer Statthalter in Mailand, auf der einen u. der Erzherzog Leopold von Öesterreich von der anderen Seite in G. ein u. zwang die Bündtner, das Veltlin an Spanien u. Engadin an Österreich abzutreten. 1624 eroberten die Franzosen beide Landschaften für G. wieder, u. der Besitz derselben wurde ihnen 1626 im Frieden von Monzon bestätigt. Doch bald überzogen kaiserliche Truppen unter dem Erzherzog G. wieder, aber die Graubündtner fochten mit französischer Hilfe wieder glücklich gegen sie. Dafür verwüstete das unter Colalto 1629 nach Italien gegen die Franzosen ziehende kaiserliche Heer G. auf das Entsetzlichste. Die Streitigkeiten zwischen G. u. den unterworfenen Grafschaften dauerten fort, ja sie wurden gefährlicher, da die Katholischen in G. selbst Aufstände machten. 1639 wurden diese Streitigkeiten durch die Capitulation von Mailand geschlichtet, wo die G. ihre Besitzungen von Spanien unter der Bedingung zurückerhielten, daß in Veltlin, Bormio u. Chiavenna nur das römische Glaubensbekenntniß geduldet würde u. daß die dortigen Bewohner von dem Richter des Landes an ein, von G. u. den spanischen Gouverneuren zu Mailand zu gleichen Theilen ernanntes Gericht appelliren dürften. 1797 trennte Bonaparte jene Landschaften von G. u. vereinigte sie mit der Cisalpinischen Republik. Bei den Einfällen der Franzosen u. Österreicher fochten Männer u. Frauen mit Muth u. Entschlossenheit, bes. gegen die Ersteren unter Massena. 1803 wurde G. als fünfzehnter Canton mit der Schweiz vereinigt. 1814 gab sich der Canton eine Verfassung, welche die Eintheilung in die drei Bünde u. 251 Hochgerichte beibehielt,[558] 1820 revidirt u. 1851 unter Trennung der drei Bünde gänzlich umgeändert wurde (s. Graubündten [Geogr.]), da aber gab sich das Volk ein neues Grundgesetz mit Große Rath.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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