Hypochondrie

Hypochondrie

Hypochondrie (Hypochondriăsis, Malum hypoch ondriacum, v. gr.), Krankheit des männlichen Geschlechts u. Alters. hat krankhafte Verstimmung u. erhöhte Empfindlichkeit der Unterleibsnerven, in höherem Grade aber des ganzen Nervensystems zum Grunde u. zeigt sich in einer allgemeinen Störung des sensoriellen Lebens; daher auch Krämpfe u. Schmerzen im Unterleibe (Hypochondrische Schmerzen) u. gestörte Verdauung, Neigung zu Verstopfung, bisweilen mit Diarrhöe abwechselnd, Blähsucht etc., bei meist ungestörter, bisweilen selbst gesteigerter od. wechselnder Eßlust, abwechselnde u. herumziehende Schmerzen in fast allen Körpertheilen, Angst, Besorgniß wegen der Zukunft, Todesfurcht, bei allen Leiden aber doch selten Lebensüberdruß, Unfähigkeit zu Geschäften, Niedergeschlagenheit, Muthlosigkeit u. Schwermuth meist Begleiter derselben sind. Sehr bezeichnend ist ein Wechsel dieser Gefühle mit oft übertriebener Heiterkeit, so wie kleinliche u. ängstliche Aufmerksamkeit u. Überschätzung aller jener körperlichen Empfindungen. Meist steht die H. mit organischen u. mechanischen Fehlern einzelner Eingeweide des Unterleibes, Magen-, Leber- u. Milzverhärtung, Verstopfungen, Blutanhäufungen in den Unterleibsgefäßen in Verbindung, die jedoch öfter sich erst als spätere Folgen derselben ausbilden. Anlage zur H. gibt vorzüglich Vollblütigkeit des Unterleibs, allgemeine Schwächung des Nervensystems u. örtliche des Unterleibs. Ursachen: der häufige u. öftere Genuß erhitzender, warmer u. geistiger Getränke, Diätfehler, Ausschweifungen allerlei Arten, Übersättigung in Genüssen, erschöpfende Krankheiten, anhaltende starke Geistesarbeiten vorzüglich bei Vernachlässigung der Sorge für den Körper u. einseitiger Richtung derselben, weshalb die H. vorzugsweise Gelehrte verfolgt (Gelehrtenkrankheit), sitzende u. einsame Lebensweise, [681] Sorgen, unbefriedigter Ehrgeiz, Geschäftslosigkeit, bes. wenn sie einem thätigen Leben folgt, unbefriedigter Geschlechtstrieb u. Onanie. Heilung selten; obgleich die H. öfter freie Zwischenräume bildet; Krisen, etwa noch durch Hämorrhoiden, sind selten, häufiger durch Gicht. Desorganisationen treten meist spät ein u. erst durch sie wird der Körper zerrüttet; bisweilen geht sie in Melancholie über, nicht leicht entstehen neben ihr acute fieberhafte epidemische Leiden; zuweilen erlischt sie nach acuten Krankheiten. Wankelmuth u. Unfolgsamkeit des Kranken in diätetischen Anordnungen machen die Heilung mit unmöglich, um so mehr, je reiner nervös die H. ist. Erste Bedingung der Cur, zu welcher der Arzt sich das feste Vertrauen des Kranken auf alle Weise zu erwerben suchen muß, ist die Entfernung der Ursachen, fleißige, regelmäßige, nicht bis zu bedeutender Ermüdung fortgesetzte Bewegung hauptsächlich vor dem Essen, Reisen, den Körper übende Beschäftigungen, Zerstreuung, einfache, schwere, blähende u. erhitzende Dinge vermeidende Diät. Die eigentliche Cur muß dann auf Herabstimmung der übermäßigen Empfindlichkeit des Nervensystems hinwirken, zunächst durch Einwirkung auf den Unterleib, durch die Verdauung erleichternde, den Stuhlgang regelnde, auflösende, nicht schwächende, allmälig stärkende, u. blähung- u. krampfstillende Mittel, der Gebrauch von Mineralwassern, die Kaltwassercur. Die quälenden Einbildungen des Kranken muß man bekämpfen nicht bespötteln.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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