Karaīten

Karaīten

Karaīten (Karäer), eine um die Mitte des 8. Jahrh. in Babylonien entstandene Secte, welche im Gegensatz zu den Rabbaniten (Talmudisten) die rabbinische Überlieferung u. den Talmud verwirft u. zum Buchstaben der Heiligen Schrift zurückkehrt, aber dennoch neue Satzungen u. sogar eine eigene Tradition schuf. Die K. verbreiteten sich, wenn auch nirgends in starker Zahl, in Palästina, Syrien, Ägypten, Afrika, Constantinopel, der Krim u. einigen Provinzen Polens, wo sie größere Freiheiten als die andern Juden genossen. Ihr Vorsteher od. Nasi, später Chacham genannt, hatte lange Zeit hindurch seinen Sitz in Kairo. Die K. besitzen eine eigene nicht unbedeutende, aber bis jetzt nur wenig bekannte Literatur in arabischer u. hebräischer Sprache Dieselbe beginnt mit den Schriften des Anan-Ben-David (um 760), des eigentlichen Stifters der Secte, u. hat in der Periode ihres Ursprungs (750–900) bedeutend bei der Umgestaltung des Rabbanismus mitgewirkt. Der Karaismus entstand gleichzeitig u. im Zusammenhang mit den ersten muhammedanischen Secten u. trat alsbald mit Spaltungen in seinem Innern auf, die einestheils durch verschiedene Gestaltung der eigenthümlichen Praxis, anderntheils durch verschiedene Beziehung bloßer Dogmen u. Lehrsätze sich unterscheiden. Als Begründer solcher Schulen od. Richtungen werden Abdallah (Obadja) Isfahani (754–75), Ismail el Okbari im Irak (833–42) u. m. A. genannt. Die karaitischen Schriften, die sich erhalten haben, sind vorherrschend religiösen Inhalts, namentlich dogmatische Abhandlungen, exegetische Schriften, Gesetzbücher, religiöse Dichtungen u. einiges Grammatische. So lange die K. vorzugsweise in arabisch sprechenden Ländern lebten, blieb auch das Arabische ihr Hauptidiom. So bei den bedeutendsten Schriftstellern aus dem Zeitalter des Saadja, wie bei Salman Ben Jeruchem, Menachem, Kirkissani el Bassir (916–30), Josef Ben Abraham u. seinem Schüler Jeschua; ferner bei Jafet Halevi (953) u. seinem Sohn Levi, Sahal Ben Mazliach, Jakob Ben Reuben (1098), Hedelsi in Constantinopel (1149). Indessen hatte sich der Karaismus nach Spanien verbreitet, wo ihn jedoch die Rabbaniten nicht aufkommen ließen. Siegreicher blieb er im Orient, wo namentlich Ahron-Ben-Elia aus Nicomedien den Werken des Maimonides eine karäische Dogmatik (Ez chajjim, 1346), einen Gesetzcodex (1354) u. einen[297] Pentateuchcommentar (1362) entgegensetzte. Später wußten Elia Beschitzi (st. 1490) u. Kaleb Afendopolo den Karaismus gegen die Angriffe der Rabbaniten zu vertheidigen. Etwa seit Beginn des 16. Jahrh. taucht eine literarische Thätigkeit in Constantinopel, der Krim (n. theilweise auch in Galizien) auf, als deren vorzüglichste Vertreter zu nennen sind der Dichter Jehuda Gibbor (1503), der Arzt u. Bibelcommentator Abraham Ben Jehuda in Constantinopel (1527), der Dogmatiker Pozzi, der Gesetzlehrer Poki (st. vor 1581), Serach Ben Nathan Traki (um 1620), der Reisende Samuel Jemsel (1641), Mordechai Ben Nisan (1698), der Polemiker Salomo Ben Ahron Traki, Simcha Ben Isak Ben Moses (1757), der ein alphabetisches Verzeichniß karäischer Werke Aruch Zedlkim (Wien 1830) verfaßte. Über Grammatik schrieben Jussuf Hasaken, Sahab Ben Mazliach, Ahron Ben Troki, später Salomo Traki u. Mordechai Ben Nissan. Bei späteren jüdischen Schriftstellern heißen die K. häufig Zaddukim, Sadduzäer, von denen man sie auch öfter ableitete.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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