- Oude [2]
Oude (spr. Audh), 1) bis zur Einverleibung in das Angloindische Reich ein Königreich in der[524] nördlichen Hälfte Indiens, im Norden von Nepaul, sonst nach allen Seiten hin von englischem Gebiete begrenzt, besitzt ein Areal von 1122 QM. u. bildet im Allgemeinen eine von Nordwesten nach Südosten geneigte Ebene, der Norden u. Nordosten am Fuße des Sub-Himalaya (Sewalikkette) ist eine undurchdringliche Wildniß, welche dem Terrai od. den am Fuße des Himalaya sich hinziehenden, von tödtlicher Malaria erfüllten Sumpfwaldungen, angehört; Hauptflüsse sind der Ganges, Chowka, Ramgunga, Raptee, Ghogra, Goomtee u. Saee; das Klima ist den größten Theil des Jahres hindurch trocken, die Temperatur jedoch sehr wechselvoll; die kühle Jahreszeit umfaßt November, December, Januar u. Februar, doch tritt eigentlicher Frost nur selten ein; die größte Hitze herrscht März, April, Mai u. Juni. Die Fauna von O. ist die des übrigen Hindostan; von Raubthieren sind namentlich Tiger häufig; angebaut werden Reis (in den Gegenden, welche bewässert werden können), Weizen, Gerste, Hülsenfrüchte, verschiedene Öl- u. Farbepflanzen; gute Baumwolle; die Opiumculturist im Wachsthum begriffen. Die Zahl der Bewohner betrug vor der Rebellion von 1857 2,970,000, zur kleineren Hälfte Mahommedaner. Die Landessprache ist das Urdu; die Staatseinkünfte betrugen in den letzten Jahren 11/2 Million Pfund Sterling. Hauptstadt war Anfangs Fyzabad, seit 1775 aber Lucknow. 2) Stadt des Königreichs, am rechten Ufer des Ghogra in der Nähe von Fyzabad, jetzt nur etwa 8000 Ew.; im Alterthum (Agodhya) einer der glänzendsten Herrschersitze Indiens, welcher als Residenz des Rama schon in dem Ramayana hochgefeiert wurde.
O. war schon im frühesten Alterthum einer der wichtigsten Theile Indiens u. bildete den Kern des Reichs Kosala mit der Hauptstadt Agodhya (woraus der Name Oude entstand). Gegen Ausgang des 12. Jahrh. n. Chr. wurde O. von Bakhtiar Khilzi, einem Feldherrn des Kutb Eddin Aibuk, des Vicekönigs der Ghuridischen Sultane von Ghazna, unterworfen u. bildete seitdem einen Theil des Reichs von Delhi. Als das Mogulreich seinem Zerfalle entgegenging, wurde 1756 Schudscha ed-Daulah, welchem sein Vater Sesdardschang u. Großvater Saadet Ali Khan (seit 1722) vorausgegangen waren, zum Vezier des Reichs von Delhi u. Nabob von O. ernannt, die Oberherrschaft des Großmoguls bestand jedoch seit 1760 blos noch dem Namen nach. Schah Schudscha machte mit Sheer Cossim gemeinschaftliche Sache gegen die Ostindische Compagnie, wurde aber 13. Mai 1764 von den Briten bei Patna u. am 22. Mai bei Buxar geschlagen u. mußte die Provinzen Allahabad u. Corah abtreten, durfte auch nach dem Vertrag vom Nov. 1768 nur 35,000 Mann Truppen halten. 1773 erhielt er gegen 5 Millionen Rupien die beiden Provinzen zurück, u. als er 1774 gemeinschaftlich mit einer britischen Truppenabtheilung die Rohillas unterworfen hatte, kam der größte Theil von Rohilcund zu seinem Reiche. Dem Schah Schudscha (gest. Jan. 1775) folgte sein Sohn Asoph-ed-Daulah, welcher Benares, Jaunpore u. einige benachbarte Gebiete an die Ostindische Compagnie abtreten u., in fortwährender Erhöhung bis 1797 endlich jährlich 555,000 Pfd. Sterl. für die Anwesenheit britischer Truppen u. einer britischen Residentschaft zahlen mußte. Asoph-ed-Daulah st. 1797, u. die Briten erkannten die Thronbesteigung des Vezier-Ali, seines natürlichen Sohnes, an, setzten aber bald anstatt desselben den Saadet-Ali (1798), einen Bruder des Schah-Schudscha auf den Thron. Der neue Nabob zahlte sogar 760,000 Pfd. St. an Subsidiengeldern u. trat die Festung Allahabad ab; ja, da immer mehr britische Truppen im Lande nöthig wurden, so mußte er im Vertrag vom 10. November 1801 das südliche Doab, die Districte von Allahabad, Azimgurh, das westliche Goruckpore etc. (etwa 400 QM. mit 1 Million Ew.) an die Compagnie abtreten u. jährlich die Summe von 1,352,347 Pfd. St. zahlen. Sein Sohn u. Nachfolger Ghazi-Eddin Heider (seit Juli 1814) zahlte der Ostindischen Compagnie 18151 Million Pfd. St. als Hülfsgeld für den Krieg gegen Nepaul u. erhielt nach der Beendigung des Kriegs die Herrschaft über die von Nepaul abgetretenen Landestheile am Himalaya, wofür er aber eine der Compagnie im Octbr. 1814 geliehene Million Pfd. St. quittiren mußte. 1819 sagte sich der Nabob auch formell von der Oberherrschaft des Großmogul vollständig los u. nahm unter Zustimmung der Briten den Titel eines Königs (Padischah) an. 1825 mußte er bei dem Ausbruche der Kriege mit Birma u. Bhurtpore abermals 1 Million Pfd. St. als unkündbares aber verzinsliches Darlehn an die Compagnie zahlen. Ghazi-Eddin st. 1827 u. hinterließ den Thron seinem Sohne Nasir-Eddin Heider, nach dessen Absterben 1837 derselbe wiederum an einen seiner väterlichen Oheime, den Muhammed Ali, dann weiter 1842 an dessen Sohn Amschad-Ali kam. Letzter regierte bis 13. Febr. 1847, wo sein Sohn Mohammed Wadschid-Ali den Thron bestieg, denselben aber durch Erlaß des Oberstatthalters vom 7. Febr. 1856 verlor; worauf das Königreich dem Angloindischen Reiche einverleibt wurde. Als Grund für diese Confiscation wurde vom Lord Dalhousie die Mißregierung des Königs bezeichnet. Der Staat war allerdings vollständig zerrüttet u. die Dynastie unfähig zum Regieren, allein diese Zustände waren zum Theil erst durch die britischen Einmischungen u. Umtriebe herbeigeführt worden. Nach der Entthronung lebte der König in Kalkutta, wo er während der Rebellion von 1857, deren Ausbruch das gewaltsame Verfahren mit O. nicht wenig Vorschub leistete u. die auch gerade in diesem Theile Indiens am schwersten niederzuwerfen war (s. Indien, Gesch.), als Staatsgefangener behandelt wurde. Inzwischen hatte sich die Mutter des Exkönigs mit ihrem jüngsten Sohne, Ali-Khan, u. ihrem Enkel, Mohammed Hamid Ali Khan, dem 16jährigen Sohne des Exkönigs, nach London begeben, um hier zu Gunsten ihrer Familie zu wirken, was jedoch bei den damaligen Vorgängen in Indien am wenigsten gelingen konnte. Sie wandte sich später nach Paris, wo sie 24. Jan. 1858 starb, ihr Sohn Ali-Khan starb Ende Februar desselben Jahres in London. Vgl. Edw. Copley (ehemaliger Bibliothekar des Königs Nasir-Eddin Heider), The private life of an Eastern King, Lond. 1855; Sleeman, A Journey through the kingdom of Oude, Lond. 1858, 2 Bde.; Butter, Description of the kingdom of O., Lond. 1853.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.