Delhi [1]

Delhi [1]

Delhi, 1) Provinz der Indo-britischen Präsidentschaft Bengalen (Vorderindien, Asien), grenzt an Lahore, Sutuleje, Gurwal, Nepaul, Oude, Agra u. Ajmeer, 1670 QM., 8 Mill. Ew. (Hindus, Muhammedaner, Rohilla, Sikhs); nördlich gebirgig u. waldig, südlich ebener, trockner, zum Theil sandig u. unfruchtbar, zum Theil sehr fruchtbar u. gut angebaut; Flüsse: Ganges, mit der Dschumna, Sutledsch (Setledsch), Calli-Nuddj, Sabi u. mehrere Steppenflüsse, sonst auch mit vielen, in Kriegszeiten eingegangenen Kanälen (darunter Shahnhir od. Ali Merdan, von Delhi bis nach Paniput, 18 Meilen lang, verbindet die Dschumna u. Sabi, auf Privatkosten erbaut, trug 11/2 Mill. Rupien jährlich ein). Klima: im S. heiß, im N. gemäßigter; Producte: Getreide, Tabak, Baumwolle, Zucker, Holz (Bambus, Fichten), Vieh (Rindvieh), Elephanten, Wachs, Gummi. Industrie: Baumwollenweberei, Handel. D. gehört den Briten, den Sikhs u. eingebornen Fürsten unter britischer Oberherrschaft. Die Familie des ehemaligen Fürsten, des Großmoguls, erhielt bis zum Ausbruch der Sipoyrevolution im Frühjahr 1857 eine ansehnliche Pension von England (gegen 150,000 Pfd. Sterl.). Eintheilung in 7 Districte: Delhi, Bareily, Moradabad, NSaharunpor, Merut, Hurriana, Sikhsgebiete; 2) District der nordwestlichen Provinzendes anglo-indischen Reichs, 37 QM. mit (1853) 435,744 Ew., von denen 316,065 brahmanische Hindu sind, der Rest aber dem Islam u. andern Religionsparteien angehört; 3) (Schah-Jehan-Abad), Hauptstadt des Districts, einst Residenz der Großmoguls, an einem Arme der Dschumna (u. von dieser selbst 1/2 Stunde entfernt) gelegen, hat etwa 3 Stunden im Umfang u. ist von drei Seiten mit einer Mauer umgeben, welche unter der britischen Herrschaft durch mächtige Bastionen u. andere Befestigungsarbeiten verstärkt worden ist. Zur Stadt, welche aus der Ferne mit ihren Palästen, Kuppeln u. Minarets u. dazwischen hervortretenden Baum- u. Palmengruppen einen eigenthümlichen u. imposanten Eindruck gewährt, führen 11 Thore, von denen sich 4 auf der Stromseite befinden. Die Straßen sind meist eng u. unregelmäßig; eine Ausnahme macht die breite Chandnee-Chauk (spr. Tschandni-Tschok) od. Hauptstraße, welche die Stadt von N. nach S. durchschneidet; eine andere größere Straße zieht sich von O. u. W. vom Lahorethor bis zum Palast. Letzter, rings von einer Mauer aus rothem Granit mit Thürmen u. Kuppeln von drei Seiten eingeschlossen, ist nach[816] der Seite des Flusses offen u. steht durch eine Brücke mit dem alten Fort Selimghur in Verbindung; der ganze Palast ist eins der schönsten u. vollendetsten Denkmäler moslemisch-indischer Baukunst. Theile desselben sind der Diwani-Khas, eine schön ornamentirte Halle aus weißem Marmor, im Garten ein Bad aus demselben Material; dasselbe gilt von der zwar kleinen aber schönen Moti-Mesjid od. Privatmoschee, der Dewaniaûm od. die Audienzhalle mit dem berühmten Pfauenthron; doch sind alle Baulichkeiten des Kaiserpalastes mehr od. minder in Verfall begriffen. In der Nähe des Palastes, an der Chandnee-Chauk, ist die Moschee Roshun-a-Dowlah, von welcher aus Nadir-Schah das Blutbad, welches seine Soldaten unter den Bewohnern D-s anrichteten, betrachtete. Zu den großartigsten Bauwerkendes moslemischen Indiens ist die Jumma-Musjid od. Hauptmoschee zu rechnen, deren Vorhof an jeder Seite 450 Fuß mißt; die eigentliche Moschee ist ein prachtvoller Marmorbau von 261 Fuß Länge mit 3 mächtigen Kuppeln; sie ward vom Schah Jehan mit einem Kostenaufwand von mehr als 1 Mill. Rupien erbaut u. seit 1855 von den Briten reparirt. Merkwürdig ist sonst noch die Kala-Masjid od. schwarze Moschee, im älteren arabischen Styl; die englische Kirche in der Nähe des Kaschmirthores; der Palast des Residenten; der Gerichtshof. Die vielen prächtigen Privatpaläste, welche D. zur Blüthezeit der Mogulherrschaft zierten, sind unter den Stürmen der Mahratten u. Rohillas meist verfallen od. völlig zerstört worden. Die Tempel der Hindu sind sämmtlich unansehnlich. Unter Schah-Jehan erhielt die Stadt durch den reichen Perser Ali-Murdan-Khan eine Wasserleitung, welche um Mitte des 18. Jahrh. völlig in Verfall gerieth, aber seit 1820 von den Briten wieder hergestellt worden ist. Die letzte Volkszählung (1855) ergab 152,406 Ew., davon 76,372 Hindus, 76,034 Moslems. Von höheren Unterrichtsanstalten ist das Delhi-College zu nennen. Ende 1855 erschienen in D. 7 Zeitungen in persischer u. hindostanischer Sprache sowie die englische Delhi-Gazette; es bestanden mehrere Druckereien u. lithographische Pressen. Industrie, namentlich in Baumwollenwaaren, Kaschmirshawls u. Juwelierarbeiten, sowie der Handel, sind von ziemlicher Bedeutung. Die Umgegend ist weithin mit Ruinen bedeckt, die meist dem alten D. angehören. Bemerkenswerth darunter sind: die Kotela, das Fort des alten D., einige 100 Schritt südlich der gegenwärtigen Stadt; der Lath od. die Säule des Firuz-Schah, ein Monolith aus rothem Sandstein, 37 Fuß hoch; das Grab des Humayun, ein imposanter Bau, 1 Stunde südlich von D., mit überraschender Aussicht; das Grabmal Nizam-ud-din, eines muhammedanischen Heiligen, inmitten mehrerer Begräbnißplätze, kleiner Moscheen u. Mausoleen; das Mausoleum des Safdar-Jang, Großvezier um die Mitte des 18. Jahrh., 2 Stunden südlich von D.; ferner: westlich der Stadt das Observatorium, erbaut von Jeysingh unter Mohammed-Schah; südlich von D. die Kutb-Minar, vielleicht die größte Säule der Welt; unweit derselben das Grab des Kaisers Schah-Alum u. eine Sommerresidenz seiner Nachkommen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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