Phenylsäure

Phenylsäure

Phenylsäure (Phenylige Säure, Phenyloxydhydrat, Phenylalkohol, Phenol, Spirol, Carbolsäure, Salicon), C12H5O + HO, bildet sich aus verschiedenen Substanzen als Product der trockenen Destillation, so aus Steinkohlen u. findet sich dann im Steinkohlentheer aus manchen Harzen, der Knochen, beider trockenen Destillation der Chinasäure, von Salicin mit Kalk, beim Erhitzen von salicylsaurem Ammoniak; beim Durchleiten von Alkohol- od. Essigsäuredämpfen durch glühende Röhren; sie findet sich ferner in geringer Menge unter den Oxydationsproducten des Leims, im Castoreum, im Harn des Menschen u. der pflanzenfressenden Thiere. Das aus Steinkohlen gewonnene Kreosot besteht größtentheils aus P. Man gewinnt die P. aus den Brandölen des Steinkohlentheers, welche zwischen 150° u. 200° überdestilliren; man erhitzt die Masse mit ganz concentrirter Kalilauge auf 150° u. zersetzt das dadurch erhaltene phenylsaure Kali durch Salzsäure. Die P. ist eine farblose ölige Flüssigkeit, welche bei + 8° u. bei vollkommen abgehaltener Feuchtigkeit in langen farblosen Krystallen anschießt; sie ist in Wasser schwer, in Alkohol u. Äther leicht löslich; specifisches Gewicht 1,065, siedet bei 184°, die Krystalle schmelzen bei 35°; entzündet verbrennt sie mit rußender Flamme; riecht nach Rauch, schmeckt brennend scharf u. wirkt giftig; sie coagulirt das Eiweiß u. hemmt die Fäulniß der Proteïnkörper; sie löst Schwefel u. Jod auf, verbindet sich nicht mit Ammoniak, löst sich leicht in fixen Alkalien, mit denen sie krystallinische Salze bildet; aus diesen wird sie durch Säuren in Form von Öltropfen ausgeschieden; mit Eisenchlorid gibt sie eine blaue Lösung, reagirt nicht auf Lackmus. Ein mit Salzsäure benetzter Fichtenspan wird durch P. schön blau gefärbt. Wenn man P. mit Ammoniak bei hoher Temperatur u. bei vermehrtem Drucke zusammenbringt, so bildet sich Phenylamin; durch Salpetersäure wird die P. sehr leicht zersetzt, u. es bilden sich drei verschiedene Säuren: die Mono-, Di- u. Trinitro-P. (s. unten); wird P. mit Quecksilberoxyd gekocht, so scheidet sich Quecksilber aus; eben so reducirt es das Silberoxyd aus seiner Lösung in Salpetersäure; Chlor zersetzt die P. u. bildet drei gechlorte Säuren; mit Salzsäure u. chlorsaurem Kali geht die P. in Chloranil über; P. u. Schwefelsäurehydrat vereinigen sich mit einander zu Phenylschwefelsäure (C12 H5 O, SO3) + SO3, HO, eine saure, syrupartige Flüssigkeit, welche mit Baryt ein krystallisirbares lösliches Salz bildet. Abkömmlinge der P.: a) Mononitro-P. (Nitrophenassäure), C12 H5 (NO4) O2, bildet sich bei Einwirkung von salpetriger Säure auf Phenylamin neben P., ferner, wenn man Phenylamin der Einwirkung einer Mischung von Salpetersäure u. arseniger Säure aussetzt od. auch direct Salpetersäure auf P. einwirken läßt; sie krystallisirt in lichtgelben Nadeln von aromatischem Geruch, welche bei 45° schmelzen u. bei 216° sieden; ihre Alkalisalze sind scharlachroth; die alkoholische Lösung gibt mit Schwefelwasserstoff weiße Nadeln von Amidophenylsäure, C12 H5 (NO4) O2 + 6HS. b) Dinitro-P. (Nitrophenessäure), C12 H4 (2 NO4) O2, entsteht durch die Einwirkung von Salpetersäure auf P. neben der folgenden Säure; sie krystallisirt in gelben Prismen, welche in dünnen Schichten fast farblos sind; sie ist mit der P. u. mit der folgenden Säure isomorph, ohne Geruch, Anfangs geschmacklos, später aber bitter, schmilzt bei 114° u. bildet nach dem Erkalten eine faserig-blätterige Masse; sie löst sich nur wenig in siedendem Wasser, leicht aber in Äther u. Alkohol; sie färbt thierische Gewebe gelb. Kleine Mengen der Säuren können ohne Zersetzung sublimirt werden; bei raschem Erhitzen verpufft sie schnell mit rother Flamme, unter Abscheidung von Kohle; durch Salpetersäure wird sie in die folgende Säure übergeführt. Die Salze sind gelb od. orange, krystallisirbar u. fast sämmtlich in Wasser löslich; ihre [47] Lösungen färben die Haut stark gelb; beim Erhitzen verpuffen sie stark. Das Kalisalz, KO, C12 H3 (2 NO4) O + Aq., ist gelb u. krystallisirt in glänzenden, sechsseitigen Nadeln, welche sich in warmem Alkohol, schwer in Wasser lösen; das Natronsalz krystallisirt in langen, seidenglänzenden, ziemlich löslichen Prismen. Brom liefert mit der Binitrophenylsäure die Brombinitrophenylsäure, C12H3Br (2 NO4) O2 + HO, welche in gelben Nadeln krystallisirt. c) Trinitro-P. (Pikrinsäure, Pikrinsalpetersäure, Indigbitter, Weltensbitter, Nitrophenissäure, Chrysolepinsäure, Kohlenstickstoffsäure), C12 H3 (3 NO4) O2, s. Pikrinsäure. d) Dinitrochlor-P., entsteht wenn P. mit Chlor u. dann mit Salpetersäure behandelt wird; sie krystallisirt in farblosen Blättchen; ihre Salze sind gelb od. roth, krystallisirbar u. schwer löslich. e) Dichlor-P. (Chlorophenessäure), C12 H4 Cl2 O2, entsteht durch die Einwirkung von Chlor auf P.; ist von ölartiger Beschaffenheit u. durchdringendem Geruch, löst sich nicht in Wasser, mischt sich mit Alkohol u. Äther in allen Verhältnissen u. geht durch die Einwirkung des Chlors über in die f) Trichlor-P. (Chlorindoptensäure), C12H3Cl3O2, krystallisirt in weißen seidenglänzenden Nadeln, ist in Wasser kaum, in jedem Verhältnisse in Alkohol u. Äther löslich, schmilzt bei 44°, siedet bei 250° u. destillirt unverändert über. g) Isopurpursäure, s. Pikrinsäure; h) Oxipikrinsäure, s.d.; i) Oxyphensäure, s.d.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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