Phenylamin

Phenylamin

Phenylamin. I. (Chem.). A) Bildungsweise u. Eigenschaften des P-s. Das P. (Anilin, Krystallin, Benzidam, Kyanol, Phenamid).

Phenylamin

findet sich unter den Producten der trockenen Destillation stickstoffhaltiger Substanzen, im Steinkohlentheer, aus welchem man es durch Schütteln mit Salzsäure u. Destilliren der Flüssigkeit mit Kalk gewinnt; man erhält es ferner aus dem Indigo u. vielen seiner Zersetzungsproducte durch Schmelzen mit Kali; durch Erhitzen der Anthranilsäure; bei der Behandlung von Nitrobenzin mit reducirenden Mitteln, wie Schwefelwasserstoff, Schwefelammonium, Eisenoxydulsalzen, Eisenfeile u. Essigsäure, Zink u. Salzsäure, arseniger Säure in alkalischer Lösung; beim Erhitzen von phenylsaurem Ammoniak in zugeschmolzenen Röhren bei 250°. Das P. ist in reinem Zustand eine farblose, stark lichtbrechende ölige Flüssigkeit von aromatischem Geruch u. gewürzhaftem Geschmack; sein specifisches Gewicht ist 1,020; bei – 20° wird es noch nicht fest, verdunstet schon bei gewöhnlicher Temperatur schnell u. siedet bei 182°. In Wasser ist es wenig, in Alkohol u. Äther in jedem Verhältniß löslich; es löst Schwefel u. Phosphor auf, wird an der Luft gelb u. verharzt; mit Wasser vermischt erzeugt es mit Salzsäure weiße Nebel, wie das Ammoniak; es coagulirt Eiweiß. Mit einer Lösung von unterchlorigsaurem Kalk färbt es sich blau (daher Kyanol genannt); rauchende Salpetersäure färbt es ebenfalls blau u. verwandelt es beim Erhitzen in Pikrinsäure. Mit einigen Tropfen Schwefelsäure u. einem Tropfen einer Auflösung von chromsaurem Kali vermischt, färbt sich das P., so wie seine Salze, blau; chromsaures Kali, einer Auflösung von P. in Salzsäure zugesetzt, gibt je nach dem Verhältniß der Säure entweder Roth od. Violett od. Blau; verdünnte Chromsäure gibt schwarze od. grünblaue Niederschläge. Eisenoxyd-, Eisenoxydul-, Zinkoxyd- u. Thonerdesalze werden gefällt, salpetersaures Quecksilberoxyd nicht. Mit Säuren bildet es leicht krystallisirbare Salze, daher der Name Krystallin. Die Salze des P. sind fast alle löslich u. farblos, werden aber an der Luft rosenroth; eine Auflösung dieser Salze färbt einen Fichtenspan an der Luft gelb, welche Färbung durch Chlor nicht verschwindet. Kalilauge scheidet aus den Salzen das P. in Öltropfen aus. Wenn man salzsaures P. mit salpetrigsaurem Silberoxyd erhitzt, so bildet sich Phenylsäure. Wenn man in wasserfreies od. in Alkohol aufgelöstes P. in der Kälte salpetrigsaures Gas leitet, so färbt sich die Flüssigkeit braungelb u. gibt auf Zusatz von Salpetersäure, Schwefelsäure od. Salzsäure eine prachtvoll rothe Farbe; viel Wasser verwandelt sie in Gelb, ein Tropfen Säure stellt die rothe Farbe wieder her. Mehre der genannten Reactionen finden in der Färberei Anwendung, s. unten. B) Salze des P. a) Salzsaures P., C12 H7 N, ClH, seine Naden von stechendem Geschmack, leicht löslich in Wasser u. Alkohol, lassen sich unverändert sublimiren; b) Phenylamin-Platinchlorid, C12 H7 N, ClH + PtCl2, durch Mischen von salzsaurem P. mit Platinchlorid erhalten, krystallisirt in schönen gelben Nadeln, welche sich ziemlich leicht in Wasser, wenig in Alkohol, nicht in Äther lösen; c) Bromwasserstoffsaures P., C12 H7 N, BrH, hat große Ähnlichkeit mit dem salzsauren Salze, ist aber etwas weniger löslich; d) Rhodanwasserstoffsaures P., durch Sättigen von Rhodanwasserstoffsäure mit Anilin erhalten; rothe Öltropfen, welche nur allmälig erstarren; e) Schwefelsaures P., C12 H7 N, HO, SO3; kleine Krystalle, welche sich in Wasser[43] leicht, wenig in Alkohol, nicht in Äther lösen; die siedend gesättigte alkoholische Lösung erstarrt beim Erkalten; bei höherer Temperatur. verwandelt es sich unter Entwickelung von Wasser u. P. in Sulfanilidsäure; f) Phosphorsaures P., 2 (C12 H7 N, 2, HO) + PO5, entsteht, wenn man überschüssiges P. zu gewöhnlicher Phosphorsäure setzt; perlmutterglänzende Blättchen, welche sich leicht in Wasser u. Äther, weniger in Alkohol lösen; eine andere Verbindung, C12 H7 N, 3 HO + PO5, entsteht durch Hinzufügen von gewöhnlicher Phosphorsäure zu einer Lösung des vorigen, bis dieselbe von Chlorbaryum nicht mehr gefällt wird. Nach Verlauf von einigen Stunden krystallisirt das Salz in schönen, seidenglänzenden Nadeln, welche in Alkohol u. Äther ohne Zersetzung löslich sind; g) Schwefelsaures Kupferoxyd-P., CuO, SO3 + C12 H7 N, entsteht beim Vermischen einer Auflösung von P. in weingeisthaltigem Wasser mit einer verdünnten Lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd; grüner krystallinischer Niederschlag; h) Quecksilberchlorid-P.; beim Vermischen alkoholischer Lösungen von P. u. Quecksilberchlorid entsteht Hg Cl + C12 H7 N, in perlmutterglänzenden Blättchen; eine andere Verbindung, 3 Hg Cl + C12 H7 N, welche sich beim Vermischen einer Quecksilberchloridlösung mit alkoholischer Phenylaminlösung bildet, ist ein zartes weißes krystallinisches Pulver. C) Abkömmlinge des P-s. Hierher gehören a) die Verbindungen, welche entstehen, wenn in dem P. der Wasserstoff theilweise durch Chlor, Brom, Jod od. Untersalpetersäure vertreten ist. Diese Substitute sind Basen, sie liefern mit Säuren eigenthümliche krystallisirbare Salze; je mehr Wasserstoffatome aber substituirt sind, desto mehr verliert die Verbindung an basischer Kraft. Aus den Chlor-, Brom- u. Jodverbindungen läßt sich durch Kaliumamalgam reines P. regeneriren: aa) Chlor-P., C12 H6 Cl N, entsteht bei der Destillation von Chlorisatin mit Kali; krystallisirt in. farblosen regulären Octaëdern, löst. sich leicht in Äther, Holzgeist, fetten u. ätherischen Ölen, wenig in Wasser; riecht angenehm, weinähnlich, schmeckt aromatisch brennend; schmilzt bei 57° C., siedet bei 200°; fällt Zinkoxyd- u. Thonerdesalze nicht; seine Salze krystallisiren meist in großen Blättern. bb) Bichlor-P., C12 H5 Cl2 N, u. Trichior-P., C12 H4 Cl3 N, entstehen durch die Einwirkung von Kalihydrat auf Bichlorisatin u. Chlorindaimit; cc) Brom-P., C12 H6 Br N, krystallisirt in großen, farblosen, regulären Octaëdern, welche bei 50° schmelzen u. mit dem Chlor-P. die größte Ähnlichkeit haben; dd) Bibrom-P., C12 H5 Br2 N, krystallisirt in platten, vierseitigen rhombischen Säulen, welche sich leicht in Alkohol, wenig in Wasser lösen u. bei 50 bis 60° zu einem dunkeln Öle schmelzen; ee) Tribrom-P., C12 H4 Br3 N, farblose, bei 117° schmelzende Nadeln, ist nicht mehr basisch, in Wasser, verdünnten Säuren u. Alkalien unlöslich; ff) Iod-P., C12H6IN, wird durch die Einwirkung von Jod auf P. erhalten; es gleicht in den meisten Beziehungen dem P., noch mehr aber dem Chlor- u. Brom-P.; gg) Cyan-P., C12H7N + C2N, ebenfalls eine Base, enthält aber das Cyan nicht als substituirenden Körper an der Stelle des Wasserstoffs, sondern ist eine Verbindung von P. mit Cyan; es scheidet sich in Krystallen ab, wenn man Cyangas in eine alkoholische Lösung von P. leitet; reagirt neutral u. ist nicht ohne Zersetzung flüchtig. Das salzsaure Cyan-P. krystallisirt in farblosen, silberglänzenden Blättchen, schmilzt bei 215°, ist in Wasser leicht löslich. Vitriolöl löst das Cyan-P. mit violetter Farbe, beim Erwärmen entwickeln sich Kohlensäure u. Kohlenoxydgas, beim Erkalten erhält man Sulfanilsäure, C12H7NS2O6, in Krystallen neben schwefelsaurem Ammoniak. Wenn man trockenes Chlorcyangas in wasserfreies P. leitet, so erhält man hh) Melanilin, s.d. Bei Gegenwart von Wasser entsteht Carbamid = Carbanilid, s. unten. ii) Nitro-P. (Nitranilin, s.d.) b) Anilidbasen, Verbindungen, welche durch Substitution von Wasserstoffatomen im P. durch Alkoholradicale (Basyle) entstehen: aa) Methyl-P.,

Phenylamin

ist isomer mit dem Toluidin, Lutidin u. Äthylpyridin, entsteht durch die Einwirkung von Brom- od. Jodmethyl auf P.; durchsichtige, ölartige Flüssigkeit, deren Geruch u. Geschmack sich nur wenig von denen des P-s unterscheiden, bei 192° siedet u. sich leicht zu P. zurückbildet; bb) Äthylo-P., C4 H5, C12 H5, H} N, ist isomer mit dem Xylidin, entsteht durch die Einwirkung von Bromähyl auf P.; farblose durchsichtige, stark lichtbrechende Flüssigkeit, welche sich an der Luft schnell bräunt, bei 204° siedet, ein spec. Gewicht von 0,954 hat; Diäthylo-P., C4 H5, C4 H5, C12 H5} N, entsteht durch Behandeln der vorhergehenden Base mit Bromäthyl; klare farblose Flüssigkeit, an der Luft unveränderlich, siedet bei 213,5°; specifisches Gewicht = 0,939; cc) Methyläthylo-P., C2 H3, C4 H5, C12 H5} N, durch die Einwirkung von Jodmethyl auf Athylo-P. entstanden; ölige Flüssigkeit, welche nur mit Bromwasserstoffsäure ein krystallisirbares Salz gibt; alle anderen Verbindungen sind ölig; dd) Amyl-P., C10 H11, C12 H5, H} N, entsteht durch Mischen von P. mit überschüssigem Bromamyl; farblose Flüssigkeit von angenehmem Rosengeruche, beim Erhitzen suselölähnlich riechend, siedet bei 258°, gibt mit Salzsäure u. Bromwasserstoffsäure schwer lösliche Salze von eigenthümlichem Fettglanz; Diamyl-P., C10 H11, C10 H11, C12 H5} N, farblose Flüssigkeit, siedet bei 277°; die Salze sind schwer löslich, fettglänzend; ee) Amyläthylo-P., C10 H11, C4 H5, C12 H5} N, entsteht durch die Einwirkung von Bromäthyl auf Amyl-P. od. Bromamyl auf Äthylo-P.; farbloses Öl, welches bei 262° siedet, u. mit Bromwasserstoffsäure, Salpetersäure u. Platinchlorid gut krystallisirbare Salze gibt. c) Anilide. In gleicher Weise wie aus dem Ammoniak durch die Substitution von Wasserstoffatomen durch organische Säureradicale (Acidoyle) Amide entstehen, bilden sich aus dem P. Anilide. Die Monanilide entsprechen den Monamiden u. unterscheiden sich von den Phenylaminsalzen einbasischer Säuren durch ein Minus von 2 Äquivalenten Wasser, z.B.: C4 H3 O3, C12 H5 N H2, HO (essigsaures P.) – 2 HO =

Phenylamin

= Acetanilid, entsprechend:

Phenylamin

(Acetamid). Die Dianilide entsprechen den Diamiden u. unterscheiden sich von den[44] neutralen Phenylaminsalzen zweibasischer Säuren durch ein Minus von 4 Äquivalenten Wasser, z.B.: C4 O6, 2 (C12 H5 N H2, 2 HO) (oxalsaures P.) –

Phenylamin

= Oxanilid, entsprechend:

Phenylamin

(Oxamid). Malanilid, s. u. Malanil, Formanilid, s.d., Benzanilid (Phenylbenzamid, s.d.), Carbanilid, s. Phenylharnstoff. d) Die Anilidsäuren (Anilinsäuren) stehen zu dem P. in demselben Verhältniß, wie die Amidsäuren zum Ammoniak, sie unterscheiden sich von den sauren Phenylaminsalzen zweibasischer Säuren um 2 Äquivalente Wasser, z.B.: C4 O6, C12 H7 N, 2 HO (oxalsaures P.) – 2 HO =

Phenylamin

= Oxanilidsäure, entsprechend:

Phenylamin

= Oxamidsäure. Carbanilidsäure, s. Phenylcarbamidsäure, Oxanilidsäure, s.d. Succinalidsäure, Suberanilsäure, Sulfanilsäure, s.d. a. e) Anile (Anilimide), entsprechen den Imiden u. unterscheiden sich von den sauren Phenylaminsalzen durch ein Minus von 4 Äquivalenten Wasser, z.B.: C4 O6, C12 H7 N, 2 HO – 4 HO = C4 O4, C12H5} N, Oxanil (Pheniloximid); Phthalanil, Succinault, s.d. II. (Technol.). Durch Behandlung von Anilin mit verschiedenen Metallsalzen u.a. Substanzen gewinnt man in der neuesten Zeit rothe, violette u. blaue Farbstoffe (Anilinfarben), welche in der Färberei mit vielem Erfolge angewendet werden. a) Das Anilinroth (Fuchsin, Fuchsiacin, wegen der Ähnlichkeit der Farbe mit dem Roth der Fuchsiablüthe) erhält man beim Erhitzen von Anilin mit gewissen wasserfreien Metallchlorioen; es entsteht sogleich eine schöne rothe Masse, welche beim Kochen mit Wasser sich bis auf den metallischen Rückstand vollständig auflöst; in der rothen Auflösung befindet sich Harz, welches sich beim Erkalten ausscheidet, salzsaures Anilin u. Fuchsin, letzteres scheidet sich erst nach einiger Zeit ab, wenn die Lösung nicht sehr concentrirt ist; zuweilen erscheint es krystallinisch. Nach Renard u. Frank erhält man das Fuchsin durch 20 Minuten langes Erhitzen von Anilin mit wasserfreiem Zinnchlorid bei 182°; die Masse gerinnt beim Erkalten zu einer schönrothen Gallerte, welche mit Wasser ausgekocht wird; aus der heiß filtrirten Flüssigkeit scheidet sich beim Erkalten erst das Harz, dann der Farbstoff aus; um letzteren vollständiger abzuscheiden, setzt man der Flüssigkeit Lösungen gewisser Salze zu, in denen das Fuchsin unlöslich ist, als weinsaure, essigsaure, phosphorsaure Salze, Chloralkalien, Chlorcalcium. Auch bei der Einwirkung von Quecksilberchlorid, Eisenchlorid od. Kupferchlorür auf Anilin entsteht dieser rothe Farbstoff. Einen dem Fuchsin ähnlichen Farbstoff, welcher aber mit diesem wahrscheinlich nicht identisch ist, erhält man aus dem Anilin, wenn man statt wasserfreier Chlormetalle gewisse salpetersaure Salze, namentlich salpetersaures Quecksilberoxyd, Silberoxyd od. Eisenoxyd anwendet. Nach Schlumberger werden 100 Theile wasserfreies Anilin u. 60 Theile neutrales salpetersaures Quecksilberoxydul in einem Glaskolben zum Sieden gebracht, u. aus der erkalteten Masse der rothe Farbstoff mit Wasser ausgezogen. Nach einem Verfahren von Gerber wird ein violettrother Farbstoff, das Azaleïn, durch Behandeln von Anilin mit salpetersaurem Quecksilberoxyd im Wasserbade erhalten. Girard u. Delaire ließen sich 1860 in Frankreich u. Medlock in England ein Versahten patentiren, das Anilin durch Arsensäure in Fuchsin überzuführen. In einem Destillirapparate werden 12 Theile trockne Arsensäure u. 12 Theile Wasser mit 10 Theilen Anilin vermischt, die teigförmig gewordene Masse allmälig erwärmt u. 4 bis 5 Stunden eine Temperatur von höchstens 160° erhalten; nach dieser Zeit läßt man die Masse erkalten; sie ist dann fest, spröde, in Wasser löslich u. theilt demselben eine intensive rothe Farbe mit, ohne Beimischung von violett. Der Arsenik kann durch Behandeln mit Natronlauge, welche den Farbstoff fällt, od. durch Fällen mit Kalk u. Auflösen des Farbstoffs in Essigsäure od. Weinsäure entfernt werden. Nach diesem Verfahren gibt das Anilin sein gleiches Gewicht rothen Farbstoff. Nach Dale u. Caro in England sättigt man Anilin mit trockenem Salzsäuregas, erhitzt auf 193° u. fügt nach u. nach unter beständigem Umrühren gepulvertes salpetersaures Bleioxyd zu; man zieht die Masse mit Wasser aus u. fällt den Farbstoff mit Kochsalz. Hofmann erhielt durch Erhitzen von Anilin mit Zweifach-Chlorkohlenstoff in einer geschlossenen Röhre ein Anilinroth, welches dieselben färbenden Eigenschaften besitzt, wie das im Handel vorkommende Fuchsin. Man erhitzt nach dieser Methode 1 Theil Zweifach-Chlorkohlenstoff mit 4 Theilen Anilin in einem metallenen Kolben mit Sicherheitsventil mehre Stunden auf 116 bis 118°, läßt die syrupdicke Masse an der Luft erkalten u. zieht sie mehrmals mit heißem Wasser aus. Die schön rothe wässerige Lösung gibt mit Kali einen ölartigen, viel Anilin enthaltenden Niederschlag, welcher, durch Kochen mit Kali von Anilin befreit, nach u. nach krystallinisch wird; er ist eine Base von der Zusammensetzung C38 H17 N3. Wenn man die carmoisinrothe wässerige Lösung stark eindampft u. in der Kälte eine kleine Menge neutrales weinsaures Kali zusetzt, so wird der Farbstoff gefällt, der Niederschlag wird mit sehr wenig kaltem Wasser gewaschen, in gelinder Wärme getrocknet u. durch Digestion mit Benzin von der ihm beigemengten Base befreit. Depouilly u. Lauth erhitzen nach einem 1860 in Frankreich patentirten Verfahren zur Gewinnung des violettrothen Farbstoffs salpetersaures Anilin auf 200°; nach einiger Zeit wird die Masse schön violettroth u. kann direct in den Handel gebracht werden; will man röthere Nüancen erhalten, so setzt man dem salpetersauren Anilin größere od. geringere Quantitäten reines Anilin, essigsaures od. oxalsaures Anilin zu. b) Das Anilinviolett (Anileïn, Indisin) erhält man durch die Einwirkung verschiedener Oxydationsmittel auf Anilin; am häufigsten werden Chlorkalk u. zweifach chromsaures Kali angewendet. Nach Perkins läßt man zweifach-chromsaures Kali auf schwefelsaures Anilin wirken; dabei entsteht zugleich eine braune Substanz, welche durch leichtes Steinkohlentheeröl, sogenannte Kohlennaphtha, worin sie sich löst, entfernt wird. Der violette Farbstoff, mit Harz vermischt, bleibt dabei zurück, man kocht ihn mit Wasser od. ganz schwachem Weingeist, wobei sich der violette Farbstoff auflöst, während das Harz ungelöst zurückbleibt; beim Erkalten scheidet sich das Anileïn als amorphes Pulver ab; man begünstigt diese[45] Ausscheidung, indem man der wässerigen Flüssigkeit kohlensaures Natron zusetzt, in welchem das Anileïn unlöslich ist. Die Ausbeute an Anileïn ist sehr gering u. beträgt gewöhnlich nur 4 bis 5 Procent vom Gewicht des angewendeten Anilin, woraus sich der hohe Preis dieses Farbstoffes erklärt. Nach einem in England patentirten Verfahren von Beale u. Kirkham gewinnt man aus einer sauren Lösung des Anilins od. eines Anilinsalzes mit einer Lösung von Chlor od. Chlorkalk dauerhafte Farben, nicht nur in Lilla, sondern auch in Grün, Blau u. Roth. Zur Bereitung der Farben nimmt man eine Lösung von salpetersaurem, salzsaurem od. essigsaurem Anilin od. eine gesättigte Lösung von Anilin in Wasser u. fügt dazu ein gleiches Volumen Essigsäure; diese saure Flüssigkeit vermischt man mit einer Lösung von Chlor od. Chlorkalk. Die so erhaltene Flüssigkeit gibt, wenn sie sogleich verwendet wird, eine blaue Farbe; läßt man sie aber einige Stunden lang stehen, so färbt sie lilla od. purpur. Bei der Einwirkung von übermangansaurem Kali auf ein Anilinsalz wird ein blauer, violetter od. purpurrother Farbstoff niedergeschlagen u. in der Flüssigkeit bleibt ein zweiter Farbstoff aufgelöst, welcher, namentlich auf Seide, carmoisin u. scharlachrothe Farben gibt. Ein in England 1860 patentirtes Verfahren von Dale u. Caro zur Darstellung von Anilinfarben besteht in der Anwendung von Kupferchlorid für den violetten Farbstoff. Man erhitzt 1 Äquivalent eines neutralen Anilinsalzes mit 6 Äquivalenten Kupferchlorid in Wasser aufgelöst; der Niederschlag wird abfiltrirt, mit einer schwachen Lösung von ätzendem od. kohlensaurem Alkali ausgewaschen u. in Wasser aufgelöst. Auch eine Lösung von Fuchsin in Holzgeist liefert Anilinviolett. Die hauptsächlichsten Lösungsmittel für das Anilinviolett sind Alkohol u. Essigsäure, auch Glycerin löst es leicht auf. Willm fand seine Zusammensetzung zu: C36 H17 N3 O2, wonach sich seine Bildung aus Anilin aus folgender Gleichung erklärt: 3 (C12H7N) + 6O = C36H17N3O2 + 4HO. c) Grüne u. blaue Farbstoffe werden nach einem in England 1860 patentirten Verfahren von Calvert, Love u. Clift mittelst Anilinsalzen auf Gespinnsten u. Geweben erzeugt. Die grüne Farbe (Emeraldin) wird gewonnen, indem man das mit einer Auflösung von chlorsaurem Kali in Wasser imprägnirte Gespinnst od. Gewebe mit der Auflösung eines sauren Anilinsalzes grundirt od. bedruckt u. die Waare in feuchter erwärmter Luft 12 Stunden lang aufhängt. Um den grünen Farbstoff in den blauen (Azurin) zu verwandeln, wird die Waare in einer schwachen Lösung von Ätznatron od. Seife gekocht od. in eine Auflösung von 2 Loth zweifach-chromsauren Kali in 10 Pfund Wasser gebracht. Man wendet die Anilinfarben in der Seiden-, Wollen- u. Baumwollenfärberei an; sie verbinden sich ohne Vermittelung einer Beize mit dem Faserstoff; Baumwolle nimmt sie aber nur dauerhaft an, wenn man sie vorher mit einem organischen Beizmittel behandelt hat. Bei der Anwendung der Anilinfarben für den Kattundruck verdickt man sie mit Eiweiß od. Kleber.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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