- Substitution
Substitution (v. lat. Substitutio), 1) die Verfügung, wodurch Jemand einen Stellvertreter für sich ernennt; daher Substitutionsclausel (Clausula substituendi) in Vollmachten die dem Bevollmächtigten ertheilte Befugniß sich an seiner Statt auch einen Stellvertreter zu erwählen, dessen Handlungen dann eben dieselbe Verbindlichkeit für den Principal erzeugen, als die des ersternannten Bevollmächtigten; 2) im römischen Testamentsrecht: a) die Verfügung, wodurch für den Fall, daß ein ernannter Erbe nicht Erbe werden könnte od. wollte, eine andere Person zum Erben ernannt wird. Da dies der gewöhnliche Fall war in welchem in Testamenten solche S-en vorkamen, so wurde eine solche S. Substitutio vulgaris genannt. Wurden mehre eingesetzte Erben sich gegenseitig substituirt, so heißt die S. S. reciprŏca; geschah diese gegenseitige S. in einem Satze, S. Brevilŏqua. Einem Substituten konnte wieder ein Substitut unter gleicher Bedingung gegeben sein, so daß man Substituten primi, secundi etc. gradus unterschied. Für solche Substituten dritten u. weiteren Grades gilt dann der Grundsatz, daß sie erst dann zur Delation der Erbschaft gelangen können, wenn alle vorher Berufenen weggefallen sind. Würde der instituirte Erbe einmal Heres, so kann der Substitut nicht mehr zur Erbschaft gelangen, selbst wenn der Instituirte etwa später wider die Erbeinsetzung restituirt werden sollte. Eine Modifikation der Vulgarsubstitution bildet b) die Pupillarsubstitution (S. pupillaris), wonach es dem Hausvater erlaubt ist, wenn er über sein eigenes Vermögen testirt, zugleich dem in seiner väterlichen Gewalt befindlichen unmündigen Kinde (Suus impubes) für den Fall, daß letzteres in der Unmündigkeit versterben würde, in demselben od. einem nachfolgenden Testament (Secundae tabulae) einen Erben zu ernennen. Diese Pupillarsubstitution verdankt ihre Entstehung dem Satz des älteren Römischen Rechtes, daß das Hausund Nichts eigenes haben kann, vielmehr Alles dem Vater erworben wurde, u. daß ein Unmündiger kein Testament errichten kann; vermöge der ausgedehnteste väterlichen Gewalt wurde die Befugniß zur Testamentserrichtung noch als dem Hausvater zustehend gedacht. Der Pupillarsubstitut ist daher ein vom Vater ernannter Erbe des Kindes. Ist das Kind zugleich vom Vater zum Erben eingesetzt worden, so soll die Pupillarsubstitution zugleich stillschweigend als Vulgarsubstitution u. umgekehrt gelten, d.h. der Pupillarsubstitut erhält die Erbschaft des Impubes, auch wenn dieser den Antritt der Erbschaft gar nicht erlebt haben sollte, u. umgekehrt erhält der, welcher dem Impubes zunächst nur für den Fall, daß dieser überhaupt nicht Erbe[35] werden würde, substituirt ist, das Vermögen des Impubes auch dann, wenn Letzter nur noch vor erlangter Volljährigkeit verstirbt. Mit dem Augenblick, wo der Impuls zur Volljährigkeit erlangt, verliert die Pupillarsubstitution ihre Kraft. Nach Analogie der Pupillarsubstitution wurde durch Justinian auch c) eine Quasipupillarsubstitution geschaffen, indem bestimmt wurde, daß Ascendenten ihren wahnsinnigen Descendenten, wenn sie ihnen den Pflichttheil hinterlassen, aus den Kindern des Wahnsinnigen od., wenn solche nicht existiren, aus den Geschwistern desselben einen Erben ernennen können. Diese Erbeseinsetzung gilt so lange als eine rechtmäßige, als der Wahnsinnige nicht wieder zu Verstand kommt u. damit die Fähigkeit selbst zu testiren erlangt. Im Übrigen soll sie ganz nach Analogie der Quasipupillarsubstitution (ad exemplum quasi-pupillaris substitutionis, daher auch S. exemplaris genannt) behandelt werden, weshalb auch der so eingesetzte Erbe die gesammte Erbschaft des Wahnsinnigen, u. nicht blos dasjenige, was ihm der Ascendent etwa selbst hinterlassen hat, erhält, d) Die S. fideicommissarĭa ist keine eigentliche S-, vielmehr versteht man darunter nur die Auferlegung eines Vermächtnisses an einen instituirten Erben, nach welchem derselbe das ihm Hinterlassene entweder ganz od. zum Theil wieder an einen Dritten herauszugeben hat. Dieselbe unterliegt darnach nur den gewöhnlichen Grundsätzen über Legate u. Vermächtnisse (s.d.). 3) (Math.), Vertauschung eines Werthes od. Ausdrucks mit einem demselben gleichen, anderweitig gegebenen od. einstweilen angenommenen; 4) (Ehem.), der Eintritt eines Elements od. einer Atomgruppe in eine chemische Verbindung an Stelle eines dabei ausscheidenden Elements derselben; erfolgt der Austausch nach einer gleichen Anzahl von Äquivalenten, so heißt die S. Metalepsie. Wird z.B. in der Schwefelsäure S O4 H der Wasserstoff durch Metall ersetzt, so entsteht ein schwefelsaures Salz S O4 M; ersetzt man im Wasser H O den Wasserstoff durch Methyl, C2 H3, so erhält man Methyloxyd C2 H3 O, durch Äthyl C4 H5, Äthyloxyd; wird im Ammoniak N H3 1 Äquiv. Wasserstoff durch Methyl ersetzt, so entsteht Methylamin C2 H5 N = N {C2 H3, H, H; wird aller Wasserstoff ersetzt, C6 H9 N = N {3 C2 H3, d.h. Trimethylamin. Tritt an die Stelle des Wasserstoffs im Ammoniak Metall, so entstehen die Stickstoffmetalle u. die unorganischen Amide, je nachdem der Wasserstoff ganz od. nur zum Theil ersetzt wird; Stickstoffquecksilber, N Hg3, läßt sich also denken als Ammoniak, in welchem aller H durch Hg ersetzt ist. In der Ameisensäure läßt sich der Wasserstoff ersetzen durch Metall, wie oben bei der Schwefelsäure, od. durch Alkoholradicale; im ersten Falle entstehen die ameisensauren Salze (C2 H2 O4 – H + M = C2 H M O4), im zweiten eine Reihe mit der Ameisensäure homologer Säuren; wird z. B, H ersetzt durch Methyl, so erhält man die Essigsäure, C2 (C2 H3) H O4, durch Äthyl, die Metacetonsäure C2 (C4 H5) HO4 etc. Die Homologie läßt sich überhaupt nur dadurch erklären, daß man annimmt, der Wasserstoff einer Verbindung werde zum Theil durch die Alkoholradicale ersetzt. Bestätigt sich diese Annahme durch den Versuch, so hat man ein Mittel organische Verbindungen zu höchst complicirten heranzubilden; Theobromin C14 H8 N4 O4 würde durch S. von 1 Aquiv. H durch 1 Äquiv. C2 H3 übergehen in Caffeïn C16 H10 N4 O4, Glykokoll C4 H5 N O4 in Alanin C6 H7 N O4 etc. Sehr gewöhnlich findet S. des Wasserstoffs statt durch Chlor, Brom, Jod, Untersalpetersäure, so daß z.B. aus dem Äthyloxyd, indem H durch Cl ersetzt wird, folgende Körper entstehen: C4 H4 Cl O, C4 H3 Cl2 O, C4 H2 Cl O, C4 H Cl4 O u. C4 Cl5 O; der Wasserstoff der phenyligen Säure C12 H6 O2 kann bis zu 3 Äquiv. durch Untersalpetersäure ersetzt werden, so daß folgende drei Körper entstehen: C12 H5 (N O4) O2, C12 H4 (2 N O4) O2 u. C12 H3 (3 N O4) O2; letztere Verbindung ist die trinitrophenylige Säure od. Pikrinsäure. Bei dieser Art von S. sind die Substitutionsproducte sehr häufig isomorph mit der ursprünglichen Substanz u. bieten Beispiele polymerer Isomorphie; so ist das Isatin isomorph mit dem Chlorisatin, das Oxamethan isomorph mit Chloroxamethan etc. Nach Laurent sind in allen Substitutionsproducten isomorph: Chlor mit Wasserstoff, Untersalpetersäure u. Brom, Kalium mit Wasserstoff, Kali mit Wasser, Ammoniak mit Wasser u. Kali; Kalium scheint isomorph mit Äthyl zu sein, denn Chlorkalium u. Chloräthyl haben gleiche Krystallform. Vgl. Organische Chemie B).
Pierer's Lexicon. 1857–1865.