Prisma

Prisma

Prisma, 1) dasjenige Polyeder, in welchem ein Paar Grenzflächen selbst parallel (Endflächen), von allen übrigen (Seitenflächen) aber sich in parallelen Kanten schneiden, so daß die Endflächen einander congruent sind, jede Seitenfläche aber ein Parallelogramm ist. Nach der Zahl der Seitenflächen nennt man die P. 3-, 4-_... nseitige, so daß also das nseitige P. von (n + 2) Flächen begrenzt wird. Senkrecht, rechtwinkelig od. gerade wird es genannt, wenn die Seitenflächen alle Rechtecke, schiefwinkelig dagegen od. schief, wenn einige der Seitenflächen Rhomben sind. Insbesondere heißt ein gerades P., dessen Endflächen Parallelogramme sind, ein Parallelepipedum. Die Anzahl aller Kanten im P. ist der dreifachen u. die Zahl der Ecken der doppelten Seitenzahl gleich. Jedes vielseitige P. läßt sich in so viel dreiseitige zerlegen, in so viel Dreiecke sich jede Endfläche durch Diagonalen theilen läßt, also ein nseitiges in n – 2 dreiseitige. Zwei Prismen sind ähnlich, wenn ihre Endflächen ähnlich u. die gleichgelegenen Seitenkanten proportional den gleichgelegenen Seiten der Endflächen sind. Der Inhalt eines P. ist gleich dem Producte aus seiner Grundfläche in die Höhe. 2) Ein durchsichtiges Medium, welches durch zwei in einem Winkel gegen einander geneigte Flächen begrenzt ist, so daß ein Lichtstrahl, welcher in der einen Fläche in das Medium eintritt u. in der anderen es verläßt, nach den Gesetzen der Brechung des Lichtes eine zweimalige Ablenkung von seiner Richtung in demselben Sinne erfährt. Die Scheidungslinie der beiden geneigten Flächen, mag sie vorhanden sein od. durch Erweiterung der Flächen nur gedacht werden, heißt die Kante des P.; der Flächenwinkel an der Kante der brechende Winkel des P.; eine der Kante gegenüberliegende, beide Flächen unter gleichem Winkel schneidende Fläche die Basis des P.; ein auf der Kante senkrecht geführter Schnitt der Hauptschnitt des P. Als geschlossener Körper wird daher ein P. am einfachsten durch ein dreiseitiges P. von Glas od. sonst einer Substanz dargestellt, dessen beide Endflächen gleichschenkelige gegen die Kanten rechtwinkelig liegende Dreiecke, dessen Seitenflächen also Rechtecke sind. Ist das Medium des P. stärker brechend (optisch dichter) als das umgebende, so ist der gebrochene Strahl der Basis genähert u. von der Kante entfernt; umgekehrt, wenn das Medium des P. optisch dünner ist. Da die verschiedenfarbigen Strahlen des Sonnenlichts sich durch verschiedene Brechbarkeit unterscheiden, so ist die Brechung durch ein einfaches P. immer mit einer Bildung prismatischer Farben, d. i. mit einer Zerstreuung der verschiedenfarbigen Strahlen (Dispersion) verbunden. Man benutzt das P. hauptsächlich um die brechende Kraft verschiedener Substanzen zu messen, welche berechnet werden kann, wenn man den Winkel mißt, unter welchem der Strahl einfällt, ferner unter welchem er ausfährt u. den brechenden Winkel des P.; gewöhnlich beobachtet man dabei den Fall, wo der Strahl innerhalb des P. parallel der Basis geht, wo also die ersteren beiden Winkel einander gleich sind; dabei erfährt der Strahl das Minimum der Ablenkung durch das P., u. der Brechungsexponent der betreffenden Substanz ist = sin (D + g)/2 : sin g/2, wenn g der brechende Winkel des P. u. D das Minimum der Ablenkung durch das P. ist. Um für flüssige u. luftförmige Stoffe diese Untersuchung zu machen, wendet man Hohlprismen an, d.h. aus ebenen Glasplatten zusammengesetzte hohle Prismen, welche sich füllen lassen. Sind dabei die Glasplatten völlig parallelflächig, so bringen sie für sich gar keine Ablenkung des Strahles hervor, sondern nur der ausfüllende flüssige Körper. Will man den Brechungsexponenten der umgebenden Luft finden, so macht man das Hohlprisma luftleer, so daß es optisch dünner ist als die Luft; will man dieselbe Bestimmung für andere Luftarten treffen, so füllt man das vorher luftleer gemachte P. mit diesen Gasen. Da die zerstreuende Kraft einer Substanz nicht proportional ihrer brechenden Kraft ist, so kann man aus zwei verschiedenen Stoffen, z.B. aus Flintglas u. Crownglas, zwei Prismen herstellen, welche verschiedene Brechung aber gleiche Zerstreuung des Lichts hervorbringen, u. setzt man diese so an einander, daß die Kanten einander entgegengesetzt liegen, so wird die Dispersion aufgehoben, während eine Brechung, nämlich die Differenz beider Brechungen, noch übrig bleibt; ein solches P. heißt ein achromatisches P. (mit farbloser Brechung). Auf den Gesetzen der prismatischen Brechung beruht die Construction u. Anwendung der Linsengläser, weil eine sphärische Linse als eine Reihe von unendlich vielen über einander liegenden Prismen von verschiedenem brechenden Winkel angesehen werden kann. Ist das P. aus einem Krystall gefertigt, der nicht im regelmäßigen System krystallisirt, so wird ein einfallender Lichtstrahl in zwei polarisirte Strahlen nach verschiedenen Richtungen gebrochen (doppeltbrechendes P.). Verbindet man zwei doppeltbrechende Prismen, Kalkspathprismen, unter einem gewissen Winkel, so wird der eine polarisirte Strahl nicht durchgelassen u. der ausfahrende Strahl ist eben polarisirtes Licht; dieß ist das Nicolsche P. Eine andere Zusammenstellung zweier doppeltbrechender Prismen dient dazu, um je nach der Verschiebung derselben in einem Fernrohr bis zu dem Moment, wo sich die beiden Bilder gerade berühren, die Entfernung des Gegenstandes od. seinen Durchmesser zu finden; dieß ist Rochons Mikrometer.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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