Pusey

Pusey

Pusey (spr. Pjusi), geb. 1800, aus einer altadeligen englischen Familie stammend, Canonicus an der Christ Church u. Professor der Hebräischen Sprache in Oxford, bekannt als Vertreter einer zum Romanismus sich hinneigenden Richtung in der Englischen Kirche (Puseyismus). Den dieser Richtung Angehörigen (Puseyiten) mißfiel bes. die Stellung der Staatskirchenmitglieder zur Kirchenverfassung u. der puritanische Geist, in welchem man den Cultus auffaßte, hauptsächlich aber neigten sie sich vielen katholischen Lehren u. Traditionen zu u. bildeten dadurch das katholische Element in der Staatskirche. Bereits 1833 vereinigten sich mehre Mitglieder der Oxforder Universität, darunter bes. Newman, zur Besprechung über kirchliche Angelegenheiten, wobei bes die apostolische Nachfolge u. das Festhalten an der Liturgie betont wurde. Sie traten öffentlich hervor durch die Herausgabe der Zeittractaten (Tracts for the times), woher die Puseyiten auch Tractarianer (Tractarians) u. der Puseyismus Tractarianische Con- [705] trovers (The tractarian controversy, Tractarianism) heißt. Diese bis 1841 90 an Zahl herausgekommenen Tracts waren Abhandlungen von P., Palmer, Bowden, Newman, Ward, Oakley, Perceval, Thorndike, Keble n.A., theils Abdrücke von allgemein anerkannten Urkunden der Kirche, theils Auszüge u. Bearbeitungen von ältern Schriften, welche sich über das ganze Gebiet der historischen, dogmatischen u. praktischen Theologie verbreiteten, u. wurden 1841 in 5 Bdn. gesammelt. Ihr Zweck war, die wahren Kirchenprincipien neu zu beleben, nämlich die, daß nicht die Predigt der Haupttheil des Gottesdienstes sei, sondern die Sacramente, als die Quelle göttlicher Gnade, u. daß das apostolische Amt in sich eine Kraft hat, welche sich über die ganze Kirche erstreckt, wenn sie durch gläubiges Gebet erstrebt wird. Sie lehren: Rechtfertigung ist etwas Progressives; obgleich Alle im Stande der Gnade sind, haben Einige doch mehr von dem über sie ausstrahlenden Gnadenlicht Gottes, d.h. sind in höherem Grade rechtschaffen, angenehm u. wohlgefällig. Denn die Rechtfertigung ist ein in den Menschen durch den Geist, nicht ein für die Menschen durch den Erlöser zu Stande gebrachtes Werk. Dieses hierdurch ausgedrückte Verhältniß zum Pelagianismus bildet eigentlich den Kern der ganzen Bewegung. Sie behaupten, daß beim Abendmahl zwar die Substanz von Brod u. Wein bleibt, daß aber der wahre Leib u. das wahre Blut allezeit in dem Sacrament ist u. daß Beides dem Vater als Versöhnungsopfer dargebracht wird. Nur dem Common brayer book (s. Anglicanische Kirche), als einem Werk von echt katholischem Ursprung, schreiben sie Auctorität zu; dagegen das Buch der Homilien (s. ebd.) nehmen sie nicht als authentische Interpretation der 39 Artikel an, diese selbst, als zu kurz u. minder genau abgefaßt, wollen sie im katholischen Sinne ergänzt wissen; z.B. wenn es heißt: der Papst hat keinerlei Jurisdiction in England, so soll damit blos die factische, nicht die Rechtsfrage entschieden sein. Die Puseyiten erhielten sehr bald unter den Studenten in Oxford viele Anhänger, welche gegen Andersdenkende mit großer Unduldsamkeit auftraten, u. fanden ihren Hauptstützpunkt unter der jüngeren Geistlichkeit, welche in den letzten 20 Jahren dort studirt hatten. Dagegen war ihnen das Volk durchaus abgeneigt u. selbst die hochkirchliche Partei, welche sie Anfangs begünstigte, trat ihnen später entschieden entgegen, bes. die Bischöfe in ihren Hirtenbriefen, worin sie namentlich die Verfälschung der Lehre bekämpften. Noch schärfer traten sie hervor, als P. in einer Predigt die Transsubstantiation beim Abendmahl gelehrt hatte. Seine Lehre wurde 1843 von einer von der Universitätsbehörde in Oxford niedergesetzten Prüfungscommission verdammt u. ihm selbst das Predigen im Bereich der Universität Oxford auf zwei Jahre untersagt. Schon jetzt, aber mehr noch nachdem Wards Buch von dem Ideal der Kirche (worin derselbe die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben eine verdammliche Ketzerei gescholten hatte) von der Universität verdammt worden war, traten viele Puseyiten zur Katholischen Kirche über, unter ihnen Ward, Oakley, Wingfield, Newman, Manning, Wilberforce; P. selbst that diesen Schritt nicht, ohne sich jedoch von dem Vorwurf des Kryptokatholicismus reinigen zu können. Nachdem sich so die Extreme ausgeschieden haben, ist der Stand des Puseyismus ein anderer geworden; für seine Ansichten, namentlich die von der Befreiung der Kirche von der weltlichen Macht, haben sich nicht nur hochgestellte Laien, sondern auch mehre Bischöfe erklärt, während das Volk fortwährend eine große Abneigung dagegen hat, u. es kam 1859 u. 1860 in London in der Georgskirche, wo der Gottesdienst fast ganz nach katholischem Ritus begangen wurde, zu Excessen. Der wachsende Puseyismus scheint eine Krisis in der Englischen Kirche vorzubereiten u. in seiner verhältnißmäßig mildern Form das ihm in Princip verwandte starre Hochkirchenthum mit der Zeit ganz in sich aufzunehmen. Vgl. Petri, Beiträge zur Würdigung des Puseyismus, 1843; R. Weawer, Der P., 1844.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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