- Scholion
Scholion (gr.), 1) eigentlich eine kleine Vorlesung, kurzer Commentar; 2) kurze Sach- u. Worterklärung, od. auch kritische Bemerkung über einen Schriftsteller in derselben Sprache geschrieben, in welcher die zu erklärende Schrift abgefaßt ist. Bes. gibt es solche S. über griechische Schriftsteller, u. hauptsächlich über Dichter; ihre Verfasser (Scholiasten, Scholiographen) deren Namen größtentheils unbekannt sind, waren Grammatiker, welche Bemerkungen an den Rand ihrer Handschrift schrieben, was bes. geschah, seitdem in Alexandria sich Schulen gebildet hatten, in denen die Erklärung der Klassiker die Hauptsache des Unterrichts war. Das Scholienschreiben kam bes. durch Didymos im Augusteischen Zeitalter auf u. nahm in den folgenden Jahrhunderten immer zu, je mehr man, statt die ausführlichen Werke der Alexandriner zu studiren, sich mit den daraus geschöpften kurzen Erklärungen begnügte; am fruchtbarsten war die Byzantinische Zeit. Die S. aus den verschiedenen Büchern wurden erst seit dem 15. Jahrh. gesammelt, nachdem nach Constantinopels Eroberung die griechischen Gelehrten sich nach Italien geflüchtet hatten. Um diese Scholiensammlungen machten sich bes. Zach. Kaliergi u. Marcus Masurius verdient; auch bildete sich eine eigene Art Schule zu diesem Zweck, welcher Laskaris eine Zeit lang vorstand. Am wichtigsten sind die S. zu Homer, Hesiodos, Aristophanes, Nikandros, Apollonios Rhodios, Lykophron, Sophokles, Aratos, Pindaros u. Theokritos; von geringerem Werthe die zu Äschylos, Euripides, Kallimachos u. zur Anthologie. Vgl. J. M. Chladenius, De praestantia et usu scholiorum Graecorum in poetas, Wittenb. 1732. Zu prosaischen Schriftstellern gibt es weniger Scholien; schätzbar sind die über mehre Schriften Platons, welche aus vorzüglichen Handschriften gesammelt in I. Ad. Göz's. Anecdota graeca, Nürnb. 1798 (S. 1–74), stehen u. vollständiger von David Ruhnkenius (Scholia in Platonem, Leyd. 1800) zusammengetragen sind; unbedeutender sind die Scholien zu[369] Thukydes Aristoteles, Lukianos, Aristides, Dionysios Thrax, Demosthenes, Epiktetes, das N. T. etc. Zu den Scholiasten über römische Dichter kann man die alten Erklärer des Virgilius u. Horatius (s. b.), namentlich Produs, Servius u. Porphyrio, rechnen, neuere Scholien über Horatius machte Cruquius bekannt; alte Scholien gibt es von Äl. Donatus über Terentius, von Placidius Lutatius über den Statius; ferner zu Plautus, Persius u. Invenatis. Auch zu den Rechtsbüchern des Justinianus wurden Scholien geschrieben, welche nachher für die Basilika aufs Neue zusammengestellt wurden; 2) überhaupt kurze Anmerkung zur Erklärung eines Schriftstellers, z.B. Rosenmüllers Schotia in V. T. etc.; 4) (Math.), so v.w. Anmerkung, enthalt Erläuterungen zum besseren Verständniß mathematischer Sätze, Angaben über deren Anwendung, literarische Nachweisungen u. dgl.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.