Schreibfeder

Schreibfeder

Schreibfeder, 1) eine Feder, welche so zugerichtet ist, daß mit derselben, in Tinte getaucht, Schriftzüge gemacht werden können, indem am Ende der Spule ein spitziger, mit einem Spalte versehener u. etwas abgestutzter Schnabel geschnitten ist. Zum Schneiden der S. bedient man sich gewöhnlich des Federmessers, bisweilen auch einer Schreibfederschneidemaschine, welche einer Zange gleicht u. auf der inneren Seite der Backen kleine Klingen eingeschraubt hat. so daß, wenn die Federspule dazwischen gelegt wird, man mittelst eines einzigen Druckes den Schnabel schneiden kann. Über das 7. Jahrh. ist der Gebrauch der S. wohl nicht zu sehen, Paulus (s.d. 12) Ägineta erwähnt sie Zuerst (als Καλαμῖδες ἀπὸ πτερῶν χηνείων d.i. Schreibröhrchen von Gänsefedern) u. der Sachse Ab Helm besang sie. Wahrscheinlich sind sie eine deutsche Erfindung. Bis dahin bediente man sich eines feinen Rohres (s.u. Schreibmaterialien). Ha S-n nimmt man die Schwungfedern bes. der Gänse, doch auch die der Schwäne, Trappen, Truthühner, Pfauen u. Raben, letztere vorzüglich zum Zeichnen. Um besten sind die Federn, welche den Gänsen im Mai u. Juni ausfallen; doch sind nur die ersten fünf Federn aus jedem Flügel brauchbar. Die erste Feder (Ort- od. Eckfeder, Eckpose), hat eine kleine runde, aber sehr harte Spule, welche nur zum Klarschreiben tauglich ist u. geringen Werth hat; die zweite u. dritte Feder (Schlachtfedern) haben den größten Werth; die vierte u. fünfte Feder (Breitfedern) haben wieder geringeren Werth.[424] Um die S. zum Gebrauche gehörig vorzubereiten, muß ihnen das Fettige entzogen u. mehr Härte gegeben werden. Deshalb et wärmt man die Spulen über Kohlen, in warmer Asche od. warmem Sande, u. wenn sie ganz weich sind, legt man sie auf ein Stück Tuch u. streicht mit einem starken Messer drückend über die Spule hin, wodurch dieselbe oben u. unten einen glasartigen Streifen bekommt. Nachdem man die Spule nochmals durch Wärme erweicht hat, gibt man ihr noch einen Strich auf der Seite u. reibt dann die Spulen mit einem wollenen Lappen glatt u. rund; dies sind die gezogenen S-n Bei einem anderen Verfahren taucht man die in Asche erwärmten Spulen in kalte Lauge u. wiederholt dies ein- od. zweimal. Die auf englische Art verfertigten ganz durchsichtigen Spulen (Glasspulen) werden in Lauge gekocht od. auch in einem bes. dazu eingerichteten Gefäße aufgehängt u. dem beißen Dampfe ausgesetzt. Nach einem noch anderen Verfahren taucht man die S-n in eine sie gelb färbende wachsähuliche Mischung, welche dieselben durchdringt u. bewirkt, daß die Spulen bis zu Ende hinaus springen, ohne Zähne zu bekommen. Die besten S-n kommen aus Pommern u. Niedersachsen; bes. berühmt sind die Hamburger. Zum Verkauf werden 25 Stück auf ein Packet (Bund) genommen u. mit farbigem Bindfaden umwunden. Die vorzüglichsten Sorten sind: Extragroß Gut (roth umwickelt), großes Gut, Mittelorte, Meßextra, Kleingelbband, Kleinblauband, Kleinrothband etc. Mit der Zurichtung der S-n beschäftigen sich die Federposenfabriken; den Kleinhandel mit S-n betreiben eigene Schreibfederhändler so wie auch die Papier-, Kunst u. häufig auch die Materialhandlungen. Seit einigen Jahrzehnten haben Stahlfedern die Gänsekiele in ihrer Anwendung zum Schreiben größtentheils verdrängt. Die ersten, von dem Engländer James Perry erfundenen, ahmten die Form der Gänsefedern soweit nach, daß der hintere Theil derselben eine ganz geschlossene Röhre zum Anstecken an ein Stäbchen bildete; jetzt findet sich diese Form nur noch an ganz kleinen zum Zeichnen dienenden; die gewöhnlichen bilden eine flache, höchstens halbcylindrische Rinne, welche in einen eigenen Federhalter gesteckt wird. Zu ihrer Verfertigung werden aus sehr dünnem Stahlblech mittelst des Durchstoßes Blättchen von der nöthigen Form ausgeschlagen, mit einem anderen Durchstoß die kleinen Löcher u. mittelst kleinen meißelförmigen Instrumenten die Seitenspalte (nicht immer vorhanden) durchgedrückt, dann werden die Blechstückchen mit einem gewölbten Stempel in einer vertieften Stanze gebogen u. mit den verschiedenen Erhabenheiten (Fabrikzeichen, Verzierungen) versehen. Endlich bringt eine Presse mit zwei nach Art einer Schere wirkenden Schneiden den Hauptspalt an. Die etwas verbogenen Spitzen klopft man eben u. schleift sie, worauf die Federn, wie alle Stahlwaaren, gehärtet u. roth od. violet angelassen werden. Schließlich werden sie mit seinem Sande in einer sich drehenden Trommel blank gescheuert u. in einigen Fällen gefärbt, auch wohl verkupfert. Man hat auch S-n, welche etwas Tinte auf längere Zeit bei sich führen u. daher Tintenfaßfedern (Quellschreibfedern) heißen. Die einfachsten bestehen aus einer dünneren Federspule, welche mit Tinte gefüllt, oben mit Siegellack verklebt, unten mit einem leinenen Läppchen verstopft ist u. in die zum Schreiben bestimmte stärkere Federspule gesteckt wird. Auch hat man solche Federn von Silberblech, in denen ein Ventil angebracht ist, welches sich etwas öffnet, wenn der Schnabel beim Schreiben gedrückt wird u. so einen Tropfen Tinte in die gleich unten angebrachte S. läßt. Ferner hat man auch solche Federn, welche von einer dünnen Glasröhre gemacht sind. Federn, welche jeder Tinte u. auf unbegrenzte Zeit der Reibung auf dem Papier widerstehen, fertigt man aus Gold mit Spitzen von Iridium (wohl nur ganz einzeln von Demant); nicht rostende S-n erhält man aus einer Legirnug von 4 Theilen Platin, 3 Theilen Silber u. 1 Theil Kupfer. 2) (Federkiel, Calamus scriptorius, Anat.), s. Gehirn I. A) d).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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