Siam [2]

Siam [2]

Siam (Gesch.). Die Geschichte von S. soll nach den mythischen Annalen des Reiches bis 1440 v. Chr. hinaufsteigen, gewiß ist, daß 638 n.Chr. der Buddhaismus eingeführt wurde, der damalige König wird Krek (Sammonacadan) genannt u. von ihm ab sollen bis 182460 Könige in S. regiert haben. Der Dynastien- u. Regentenwechsel war nirgends so häufig als hier, darum die Unsicherheit in der Führung der Annalen. Der Sitz der Regierung war in Lakontai, unweit der Grenze von Laos. Nach Andern war das Reich erst 750 (756) von Prapoat, einem indischen Häuptling gestiftet, der mit seinen Schaaren vor den Arabern, welche damals Indien verheerten, nach der Halbinsel jenseit des Ganges flüchtete. 1350 wurde die Residenz nach dem neu gegründeten Yuthia verlegt. In der Mitte des 15. Jahrh. entbrannte ein verheerender Krieg mit Pegu wegen eines aus Yuthia entwendeten Götzenbildes, in welchem S. mit Birma verbunden war. 1547 brachen mehre Nachbarvölker ein, doch wurden sie mit Hülfe von 180 Portugiesen, welche einige Zeit vorher, nach der Eroberung von Malacca, nach S. gekommen waren, vertrieben, wofür ihnen der König bewilligte Handel zu treiben u. das Christenthum in S. zu predigen. Nachdem der Friede von Außen hergestellt war, wurde das Reich durch innere Unruhen zerrüttet. Die Königin vergiftete ihren Gemahl, um der Strafe des Ehebruchs zu entgehen, dann ihren Sohn u. erhob ihren Buhlen auf den Thron. Das Volk ermordete aber denselben u. rief den Bruder des ermordeten Königs auf den Thron. Auch dieser hatte mit Empörungen zu kämpfen, was der König von Pegu, Para-Mandara, 1548 benutzen u. S. erobern wollte. 1567 überfielen die Birmanen aus Ava das Land u. blieben bis 1596 Herren desselben, wo ein vornehmer Siamese, Pramerit (Api-Radscha), sein Vaterland wieder frei machte u. noch Cambodscha, Lanjang u. andere Provinzen eroberte, die aber schon 1615 wieder verloren gingen. Pramerits Stamm wurde 1627 durch den Usurpator Chau Pasatong gestürzt. Unter dessen Regierung hatten sich die Holländer in S. eingefunden, auf deren Betrieb die portugiesischen Schiffe mit Beschlag belegt, u. als deshalb die Spanier dem Könige Krieg ankündigten, den Portugiesen der Zutritt zur Residenz des Königs untersagt wurde. Seitdem sanken die Portugiesen zur verachteten Klasse herab u. dienten nur noch als Dolmetscher, Unterhändler, Spione etc. Die Holländer dagegen gründeten 6 Comptoire in S.u. wußten sich so unentbehrlich zu machen, daß, als sie 1660 bei einem entstandenen Streit mit den Siamesen das Land zu verlassen drohten, der König nachgab u. sie zu bleiben bat. Der König Chau Noraga, Sohn des Vor., erlaubte 1663, auf Verwendung seines ersten Ministers (Prahklang), des Griechen Constantin Falcon, den französischen Missionarien, an deren Spitze Lamotte Lambert stand, in S. das Christenthum zu predigen, u. zu deren Unterstützung schickten König Ludwig XIV. u. Papst Clemens IX. 1673 eine eigene Gesandtschaft nach S. Diese wurde 1684 auf Veranlassung Falcons erwidert, welcher sich selbst auf den Thron von S. schwingen u. sich dazu des französischen Schutzes versichern wollte. Durch eine neue französische Gesandtschaft wurde 1687 ein Vertrag geschlossen u. den Franzosen die wichtigen Plätze Bangkok u. Mergui eingeräumt, welche sie sogleich befestigten. Die Besatzungen halfen zwar dem Könige einen Aufruhr der im Lande befindlichen Makassercolonie unterdrücken, machten sich aber durch ihre Anmaßungen verhaßt, wozu auch wohl die Aufwiegelungen der auf sie eifersüchtigen Holländer beitrugen. 1689 erregte der Mandarin Pitra Sena od. Ohra Petscharatscha einen Aufstand, ermordete den Thronfolger u. Falcon, schwang sich selbst auf den Thron, da der König aus Verdruß über jenes Ereigniß gestorben war, u. trieb die Franzosen aus S. Die Holländer waren nun Günstlinge der neuen Regierung u. seit 1690 gelangte ihr Handel zur höchsten Blüthe. Auch den Engländern gelang es in S. Factoreien anzulegen. Pitra Sena regierte bis 1700, doch konnte er das Reich zu keinem sonderlichen Wohlstand erheben,[946] weil die Einwohner durch langen Druck entartet waren. Sein Sohn u. Nachfolger war ein schwacher Regent, unter welchem der Wohlstand des Landes noch tiefer sank. Dessen Sohn ließ sich durch die in Cambodscha 1717 ausgebrochenen Unruhen zu einem Angriff auf dieses Reich verleiten, wurde aber geschlagen. Nach dem Tode dieses Königs 1733 gerieth das Reich durch die Thronfolgestreitigkeiten seiner Söhne in eine völlige Zerrüttung, welche den Untergang des Regentenhauses zur Folge hatte.

Alompra, König von Ava, griff das geschwächte S. an u. eroberte es. Da er aber noch in demselben Jahre starb, so wurde S. wieder frei. Schembuan, der dritte Kaiser des neuen Birmanenstaates, ließ S. aufs Neue durch seinen Feldherrn angreifen. Ein Engländer vertheidigte die Hauptstadt Yuthia lange mit gutem Erfolg; da jedoch die Siamesen so feig waren, daß sie nichts zu ihrer Rettung thaten, überließ er sie ihrem Schicksal, worauf Yuthia 1766 erobert u. geplündert u. die königliche Familie fortgeführt wurde. Bald darauf vertrieb aber ein Chinese die Birmanen u. wurde 1769 als Phaga-Thae (Pitak) auf den Thron erhoben. Er machte Bangkok zur Hauptstadt, vertrieb einen siamesischen Prinzen, welcher als Prätendent auftrat, u. 1771 die von Neuem einfallenden Birmanen. Plötzlich aber wurde er, der bisherige tapfere u. weise Fürst, ein Tyrann; da empörte sich wider ihn einer seiner Feldherrn, Chakri (Schakri), welcher in Cambodscha commandirte, ließ ihn 1782 hinrichten u. setzte sich selbst auf den Thron, starb aber bald darauf. Sein Sohn, Pierusing, nahm 1786 Cambodscha in seinen Schutz u. gerieth seit 1786 mit dem Birmanenkaiser in Krieg, führte aber denselben unglücklich u. mußte im Frieden 1793 alle Länder jenseit des Siamflusses an die Birmanen abtreten. Er regierte bis 1809; sein Nachfolger ließ sogleich 117 seiner Häuptlinge, welche durch Tapferkeit im Birmanischen Kriege sein Mißtrauen erregt hatten, hinrichten, dann aber regierte er mild; seine ganze Regierungszeit über währten die Kriege mit Birma fort u. 1822 wurde ein großer Theil von Cambodscha an Cochinchina abgetreten. Er st. 1824; sein Nachfolger Chrom-Chiat (Kroma Mon Tschit), Chakri's Urenkel, eroberte 1829 Laos u. ließ den dortigen König mit seiner Familie hinrichten. 1831 eroberte S. den Staat Queda auf der Halbinsel Malacca u. kam dadurch den englischen Besitzungen nahe. 1832 führte er mit Cochinchina Krieg wegen der Einsetzung eines Fürsten in Laos. Gegen seine Unterthanen war Chrom-Chiat ein Despot u. gegen die Fremden feindselig gesinnt. Der unmittelbare Verkehr mit den Europäern hatte bis dahin in S. selbst kein Leben gewinnen können, weil die Pächter des Monopols die siamesischen Handelsartikel in Singapur auf den Markt brachten, so daß die Nordamerikaner u. Europäer ihre Geschäfte mit S. fast nur über Singapur machen konnten, u. weil die Ausfuhr von Reis u. andern Erzeugnissen verboten war. Unter diesen Umständen konnte auch ein Handelsvertrag, welcher 1833 von dem nordamerikanischen Gesandten Robert mit S. zu Gunsten der Nordamerikaner u. Europäer abgeschlossen worden war, keinen sonderlichen Erfolg haben. In den Jahren 1849 u. 1850 schickten Nordamerikaner u. Engländer zur Verbesserung dieser Verhältnisse Gesandte nach S., aber vergeblich. Als der König Chrom-Chiat Anfangs 1851 bedenklich erkrankte, rieth ihm sein Premierminister keinen seiner 12 Söhne, welche sämmtlich illegitim waren, zu seinem Nachfolger zu bestimmen, sondern diese zu apanagiren u. die Krone auf einen Sprößling der verdrängten Dynastie zurückkommen zu lassen, doch der König starb am 3. April 1851 vor der Ausführung dieses Planes, u. nun rief der Premier, welcher inzwischen ein starkes Heer zur Unterstützung seiner Maßregeln gesammelt hatte, die Prinzen zusammen, nöthigte sie zur Entsagung u. ließ Khao-Fa als Somdet Phra Maha Mongkut zum König ausrufen. Die Großen des Reiches waren bei dieser Revolution ruhig. Der neue König zeigte sich den Europäern günstig, setzte im Hafen von Bangkok den Schiffszoll um ein Drittel herunter u. gab die Absicht zu erkennen das Zuckermonopol aufzugeben, den Ackerbau der chinesischen Einwanderer durch Ermäßigung der Abgaben zu befördern u. die Ausfuhr des Reises u. der werthvollen Hölzer freizugeben. Zu Anfang 1852 starb der König Mongkut wieder u. ihm folgte sein Bruder, welcher bisher ihm zur Seite gestanden hatte u. das gute Verhältniß mit den Engländern fortsetzte. Während des Krieges der Engländer mit den Birmanen (1852 u. 1853) schloß der König den Birmanen die siamesischen Häfen u. schickte Gesandte an die Engländer mit dem Anerbieten den Feldzug von S. aus zu unterstützen u. mit den Engländern einen Handelsvertrag abzuschließen. Die englische Regierung war bereit diesem letztern Wunsche zu entsprechen, um an die Stelle des Tauschhandels vermittels Singapur's einen unmittelbaren Handelsverkehr zu setzen. Außer dem Handel ließ der König auch den Missionären aller Glaubensbekenntnisse seinen Schutz angedeihen. Der Bischof von Mallos u. apostolischer Vicar von Siam, Pallegoix, überbrachte dem Papste am 10. Nov. einen Brief vom König von S., worin derselbe unter Anderem sagte, daß er zwar ein treuer Anhänger des Buddhismus sei, daß aber eine Christenverfolgung unter seiner Regierung nicht stattfinden würde. Am 3. April 1855 langte eine englische Gesandtschaft, John Bowring an der Spitze, im Bangkok an, u. bereits am 18. war ein für England vortheilhafter Handels- u. Schifffahrtsvertrag abgeschlossen. Nach demselben dürfen die Engländer durch das ganze Reich reisen u. Handel treiben, aber nur in einem Umkreise von 54 engl. Meilen um Bangkok sich niederlassen u. Land kaufen; englischen Schiffen sind Flüsse u. Häfen unter denselben Bedingungen, wie den einheimischen u. chinesischen, zugänglich; die freie Ausübung der christlichen Religionsbekenntnisse, der Gebrauch von Kirchen u. Gottesäckern ist gestattet; die früheren hohen Zölle sind abgeschafft u. dafür einer von 3 Procent auf eingeführte u. von 6 od. 7 Procent auf ausgeführte Güter festgesetzt; das Monopol der Regierung ist abgeschafft, die Engländer dürfen unmittelbar mit den Einwohnern handeln u. ein englischer Consul in Bangkok wohnen. Dieser Vertrag war seit dem April 1856 in Wirksamkeit getreten u. wurde von den Siamesen redlich ausgeführt. Der englische Handel mit S. hatte früher schon einen Werth von einer halben Million Pfund Sterling u. war bereits bedeutend gestiegen. Auch gewannen die englischen Handelsfahrzeuge durch die Eröffnung der siamesischen Gewässer. Im Laufe des Jahres 1856 fertigte auch die Nordamerikanische Union eine Gesandtschaft nach Bangkok ab, um gleich günstige Vertragsbestimmungen zu erlangen, u. die französische Regierung beauftragte ihren Handelsconsul zu Schanghaï mit einer gleichen Sendung, u. in den Jahren 1856[947] u. 1857 schlossen die Regierungen Frankreichs, Rußlands u. der Nordamerikanischen Union ebenfalls Freundschafts- u. Handelsverträge mit S. Bei der Ankunft des englischen Gesandten in Bangkok im Jahre 1855 fand derselbe, daß der König seinen jüngeren Bruder zum Mitregenten angenommen hatte. Beide zeichneten sich durch hervorragende Bildung aus; der ältere hatte unter der Leitung von französischen u. nordamerikanischen Missionären englisch u. französisch gelernt u. sich die europäische wissenschaftliche Bildung angeeignet. Dies war der Grund, weshalb er von Anfang seiner Regierung an strebte mit europäischen Regierungen in Verbindung zu treten. Aber auch im Innern war dieser Umstand nicht ohne Einfluß geblieben, wovon mehre Verbesserungen der öffentlichen Zustände u. Einrichtungen, im europäischen Geiste zur Ausführung gebracht, Zeugniß gaben. Die Könige schickten auch gegenseitig Gesandte nach Europa, um die Entwickelung des Handels in Bangkok zu befördern. In Folge dieser freundschaftlichen Beziehungen der Regierung von S. zu den Europäern hat sich der Verkehr außerordentlich gehoben; Bangkok ist bereits einer der bedeutendsten Handelsplätze Asiens geworden.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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