- Straßenlocomotive
Straßenlocomotive (Straßendampfwagen), Dampfwagen zur Beförderung von Personen u. Lasten auf gewöhnlichen Landstraßen. Die erste Idee die Dampfkraft zur Fortbewegung eines Wagens zu benutzen hatte 1759 Professor Robison in Edinburg. 1770 schlug der lothringische Ingenieur Cugnot einen Dampfwagen mit drei Rädern vor. So lange man indessen nur Niederdruckdampfmaschinen anwenden konnte, fielen die S-n zu groß u. deshalb unvortheilhaft aus, als aber Oliver Evans die Hochdruckmaschinen (s. Dampfmaschine III.) in die Praxis eingeführt hatte, machte er auch einen gelungeneren Versuch mit einer S. Weitere Versuche machten 1802 Trevithick u. Vivian in Cornwall. Anfang 1820 machte Griffith Probefahrten mit einer Dampfkutsche zwischen Dublin u. Belfast; desgleichen 1820 Belingham in Dublin, 1824 James u. Gordon, 1825 Burstall u. Hill, desgleichen Gurney, 1828 Anderson, 1830 Napier in Glasgow. Größere Fahrten veranstaltete Goldsworthy Gurney in den Jahren 1829–31, zwischen Gloucester u. Cheltenham; derselbe gibt an, daß er 4000 Personen befördert habe; die S. von Walter Hancock u. Stratford beförderte 1832 16 Personen mit einer Geschwindigkeit von 8 englischen Meilen[907] in 1 Stunde, 1837 in den Straßen Londons mit einer Geschwindigkeit von 12 Meilen; auch Ogle u. Summers unternahmen größere Fahrten. 1833 baute Dietz in Brüssel eine S. mit zwei senkrecht stehenden Cylindern, deren Bewegung mittels Kettenräder auf die Räder übertragen wurden. Eigenthümlich ist die S. von Boydell mit endloser Eisenbahn (vergl. Dampfwagen S. 681), bei welcher eine gekröpfte Welle mit zwei schmiedeeisernen Getrieben die Triebkraft auf zwei gußeiserne Zahnkränze an den hölzernen Haupträdern überträgt. Die Versuche mit S-n hatten so lange einen ungünstigen Erfolg, als man darauf ausging mit ihnen eine große Geschwindigkeit zu erzielen; denn dabei stellten sich vielfache Nachtheile heraus, namentlich erlitten die Räder zu heftige Stöße, u. in Folge dessen machten sich kostspielige Reparaturen nothwendig, außerdem sanken die Räder zu tief in den Boden ein, u. es entstand so ein bedeutender Widerstand. In neuerer Zeit richtet man daher sein Augenmerk mehr darauf, daß die S-n große Lasten mit mäßiger Geschwindigkeit fortbewegen sollen; je kräftiger die S. ist, desto weniger fallen die Widerstände unvortheilhaft ins Gewicht. Die Boydellschen S-n aus der Fabrik von Charles Burrell in Thetford haben 20–50 Pferdekräfte u. ziehen 600–1500 Centner auf horizontaler Straße, 3/4 deutsche Meile in 1 Stunde. Man kann die S-n in vier Klassen eintheilen: a) Locomotiven für landwirthschaftliche Arbeiten; sie liefern hauptsächlich die Betriebskraft für landwirthschaftliche Arbeitsmaschinen u. besorgen zugleich den Transport derselben; diese Art der S-n findet in England die ausgebreitetste Anwendung; sie sind sehr häufig Eigenthum von Associationen zu gemeinschaftlichem Gebrauche. b) Frachtschlepper (Zugmaschinen, Traction engines), zum Transport schwerer Lasten; so beförderte eine S. in der Nacht vom 22./23. August 1862 eine S. von Brag in London einen Blechbalken von 74 Fuß Länge u. 400 Centner zu einer Brücke für die Chatham-Dover Bahn auf zwei Schleifwagen durch die Straßen Londons; in Glasgow schleppte eine S. von A. Chaplin u. Comp. einen eisernen Schraubendampfer durch die Straßen Solche Maschinen sind die oben erwähnten Burrellschen. Aveling u. Porter in Rochester bauen S-n von 20 Pferdekräften, mit einem Gewicht von 200 Ctnr., bei denen die Radfelgen 16 Zoll breit sind, um das Einschneiden der Räder zu verhüten; die erste S. auf dem Continente ist am 25. November 1862 aus derselben Fabrik am Orte ihrer Bestimmung eingetroffen, nämlich auf dem Braunkohlenwerke Maria der Bergbaugesellschaft Weichselthal zu Bromberg; ihre Vorderräder sind 10 Zoll, die Hinterräder 12 Zoll breit, ein fünftes Rad vorn dient als Lenkrad; eine endlose Treibkette überträgt die Bewegung von einer Welle auf die Hinterräder; zur Bedienung ist ein Maschinist u. ein Lenker nöthig; sie bewegt 6 Kohlenwagen zu 80 Centner, in 11/2 Stunde eine deutsche Meile. c) S-n für die Personenbeförderung (Steam carriages), nach Art der Omnibuswagen gebaut, für 12 u. mehr Personen, Geschwindigkeit etwa 3 deutsche Meilen in 1 Stunde. Die besten S-n dieser Art sind die von W. Cowan in Greenwich nach Yarrow's System gebauten, mit aufrechtstehendem Kessel, welche mit 10 Atmosphären arbeiten; Gewicht 25 Centner; sie sind sehr gut lenksam u. überwinden selbst Steigungen von 1_: 10. d) S-n für Güter- u. Personenbeförderung, sind für mittlere Lasten u. mittlere Geschwindigkeit berechnet; solche bauten bes. Tuxford u. Söhne in Boston.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.