- Unterbindung
Unterbindung (Ligatura), 1) Umschnürung eines Theiles mittelst eines fest zusammengeknüpften Fadens, einer Schnur, eines Bandes, einer Darmsaite, auch Draht u. selbst durch einfache Umschlingung od. mit Hülfe von Nadeln, Pincetten (Unterbindungspincetten), od. zusammengesetzte Werkzeuge (Ligaturwertzeuge), entweder um Blutung zu stillen, od. um derselben zuvorzukommen, namentlich bei der U. von Arterien u. Venen, od. um die Circulation des Blutes an einer Stelle zu hemmen, z.B. bei Aneurysmen, od. (Abbinden) um dadurch ein Absterben des Theiles u. sein Abfallen zu bewirken, wie bei Polypen, Warzen etc., od. auch bei Fisteln, um dadurch eine dauernde, adhäsive Entzündung u. Heilung zu bewirken. Man schlingt hier den Knoten von Zeit zu Zeit fester, bis der Zweck erreicht ist. Mehr od. vorübergehend wird die U. auch auf einzelne Gliedmaßeu angewendet, um durch die dadurch bewirkte Störung des Blutlaufes eine ableitende Wirkung bei Blutflüssen, Krämpfeu etc. zu erzielen. Die U. von Gefäßen ist nöthig bei jeder Blutung aus zugänglichen Gefäßen, deren Hemmung durch die Natur nicht zu erwarten ist, daher bei allen größeren u. mittleren Arterien u. den großen Venenstämmen, od. welche wegen besonderer Umstände, z.B. weil sie die Fortsetzung einer Operation stört, od. weil der Kranke wegen sehr großer Schwäche auch nicht einen geringen Blutverlust erleiden soll, sogleich gehoben werden muß u. daher auch bei kleineren Arterien. Bei den Alten wurde die U. gegen Blutungen wenig angewendet, sie bedienten sich gewöhnlich der Compression, der styptischen Mittel u. des Glühzisens; allein es war ihnen schon die U, bekannt, später kam sie ganz in Vergessenheit u. Paré empfahl sie zuerst wieder. Man hat zwei U-en, die isolirte (unmittelbare), wobei das Gefäß allein nebst dem ihm angehörigen Zellstoff von dem Faden umschlungen wird; u. die mittelbare U. (Umstechung), bei welcher man mit dem Gefäß auch die dasselbe umgebenden nächsten Weichgebilde in die Ligatur faßt. Man wendet die letztere nur dann an, wo isolirte U, nicht möglich ist. Zur isolirten U. gebraucht man Arterienpincetten, welche mittelst eines Hakens geschlossen erhalten werden, od. auch Arterienhaken, mittelst welcher man das blutende Gefäß aus der Tiefe der Wunde hervorholt; ferner gewachste Ligaturfäden, aus Zwirn, Seide, Leder, Darmsaiten, letztere bes. deswegen, um die Ligatur einheilen zu können. Man sucht bei der U. das Ende des Gefäßes mittelst der Pincette od. des Arterienhakens, über welche der Faden schon geschlungen gelegt ist, zu fassen u. schnürt es dann mittelst eines einfachen Knotens zu. Der Unterbindungsfaden bleibt so lange liegen, bis er sich (gewöhnlich in 10–14 Tagen) von selbst löst. Zuweilen muß um beide Enden des durchschnittenen Gefäßes eine Ligatur gelegt werden. Neuerdings hat man statt der U. die Torsion (s.d.) in Anwendung gebracht. Die Umstechung gebraucht man da, wo man das Gefäß nicht hervorziehen kann. Man macht sie mittelst einer chirurgischen Heftnadel u. einem Faden, welchen man um die blutende Stelle herumführt u. dann denselben so stark zuzieht, bis die Blutung steht. 2) In engerem Sinne die Operation der Schlagadergeschwülste od. Aneurysmen (s.d.). Das Wesentliche besteht darin, daß man eine Arterie an irgend einer Stelle blos legt, von den angrenzenden Theilen absondert u. mittelst eines umgelegten Fadens verschließt, um Verwachsung ihrer Wandungen zu bewirken. Durch die U. wird zunächst der Blutlauf mechanisch gehemmt, das Blut stockt, gerinnt bis zum nächsten Gefäßaste u. bildet in dieser Ausdehnung einen Pfropf; gleichzeitig werden durch den Faden die innere od. mittlere Arterienhaut durchschnitten, od. wenigstens so gereizt, daß Entzündung in dem Gefäß eintritt, in Folge deren plastische Lymphe in- u. außerhalb des Kanals u. zwischen die Häute des Gefäßes ergossen wird; sie verschmilzt mit den Häuten, verdickt sie, überzieht den Blutpfropf u. verbindet das Gefäß mit diesem u. seiner Umgebung; dadurch wird dasselbe organisch verschlossen. Der Blutpfropf wird später aufgesogen u. das Gefäß bleibt bis zum nächsten Aste in ein plattes Band von zelliger Structur verwandelt. Der durch die Ligatur umfaßte Theil stirbt ab u. wird nebst dem Faden durch Eiterung ausgestoßen. Es tritt nun fast gleichzeitig mit der Verschließung der Collateralkreislauf in Wirksamkeit, indem sich die zunächst über die Unterbindungsstelle liegenden Arterien u. die mit ihnen anastomosirenden erweitern u. so einen neuen Kreislauf herstellen. 3) Das Unterbinden wird bei Obstbäumen u. Zierpflanzen zu demselben Zweck angewendet wie das Ringeln. Es geschieht nur bei kleinen Ästen in der Art, daß man einen Draht so fest über den Ast legt, daß er die Rinde ringsherum bis auf das Holz durchschneidet Sobald sich die Wunde vernarben will, wird der Draht wieder abgenommen.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.