- Verweisungsbeschluß
Verweisungsbeschluß (Verweisungserkenntniß), im neueren Anklageverfahren (s. Criminalproceß) der Beschluß der Raths- od. Anklagekammer darüber, ob nach Beendigung der durch den Untersuchungsrichter geführten Voruntersuchung die Sache nunmehr zur Hauptverhandlung reif zu erachten u. an welches Gericht (Schwurgericht, Collegialgericht erster Instanz od. Einzelrichter) demnach die Untersuchung zur Aburtheilung überzugehen habe. Wenn der V. die Sache als Vergehen od. bloße Übertretung ansieht u. demnach die Untersuchung an das Collegialgericht erster Instanz od. den Einzelrichter verweist, so bildet der V. eine definitive Maßregel, u. die bestimmte Behörde hat sich der Sache ohne Weiteres, anzunehmen. Im Falle der Verweisung an das Schwurgericht verfolgen die neueren Strafproceßordnungen zwei verschiedene Systeme, indem nach dem einen, z.B. in Baiern, Preußen, Hannover angenommenen System der V. nur als eine provisorische Maßregel gilt u. die Acten mehrmals an die von der Rathskammer hier verschiedene Anklagekammer gelangen, welche dann erst definitiv sich darüber auszusprechen hat, ob der Angeklagte in Anklagestand zu versetzen sei; während nach dem andern, z.B. in Österreich, Baden, Württemberg, Weimar adoptirten System Raths- u. Anklagekammer verschmolzen sind u. daher die Rathskammer auch solchenfalls gleich definitiv über die Versetzung in den Anklagestand entscheidet. Außer dem Vor- u. Zunamen, so wie dem Stand des Angeklagten muß der V. auch die Charakterisirung der That, wegen deren der Angeschuldigte zur Hauptverhandlung vor das Gericht gestellt wird, nach ihren thatsächlichen Momenten u. mit Verweisung auf die einschlägigen Gesetze enthalten. Manche Gesetze fordern auch in demselben eine Entscheidung darüber, welche Zeugen u. Sachverständige persönlich zur Hauptverhandlung herbeizuziehen sind. Gegen den V. sind regelmäßig die Rechtsmittel der Berufung u. Nichtigkeitsbeschwerde zulässig.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.