- Veto
Veto (lat., d.i. ich verbiete, 1) im Allgemeinen die Befugniß durch seinen Widerspruch das Zustandekommen eines rechtsgültigen Geschäfts zu verhindern; bes. 2) im Staatsrecht die Befugniß des Regenten od. gewisser Staatsbeamten durch Verweigerung ihrer Zustimmung dem Beschlüsse einer politischen Körperschaft seine Wirksamkeit zu benehmen; so spricht man von einem V. der oberen Verwaltungsbehörde gegenüber Beschlüssen der Gemeindevertretungen. Im engsten Sinne 3) das Recht des Landesfürsten, in Republiken des Präsidenten, der Tribunen etc., einem Beschlüsse der Landesvertretung ihre Zustimmung zu versagen u. dadurch denselben unwirksam zu machen. Wird dabei durch das eingelegte V. die Wirksamkeit des Beschlusses auf immer beseitigt, so heißt das V. ein unbedingtes, absolutes; in einigen Staaten, deren Verfassung vorwiegend auf das Princip einer Theilung der Gewalten gebaut ist, hat man dem Staatsoberhaupt aber auch nur ein beschränktes, sogenanntes suspensives V. beigelegt, indem der Grundsatz gilt, daß ein von dem Repräsentantenkörper ausgegangener Gesetzesvorschlag, wenn er von dieser Körperschaft in gewissen Formen u. Zeiten (z.B. auf drei Reichsversammlungen) unverändert wiederholt worden ist, nicht weiter abgelehnt werden darf u. daher ungeachtet des eingelegten V. des Staatsoberhauptes von selbst zum Gesetz wird. Ein solches suspensives V. galt z.B. in Spanien nach der Verfassung vom 19. März 1812, u. gilt noch jetzt in Norwegen nach der Verfassung vom 4. Nov. 1814, sowie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika nach der Verfassung von 1787, hier in der Weise, daß, wenn der Präsident einmal einer Bill die Sanction versagt hat, die Bill noch einmal an das Haus, von welchem sie ausgegangen ist, zurückgehen muß, u. wenn sich dann wiederum in beiden Häusern eine Majorität von zwei Drittheilen dafür ausspricht, die Bill dann ohne Weiteres zum Gesetz wird. Ebenso gilt die Bill alsdann als Gesetz, wenn der Präsident sie nicht in zehn Tagen unterzeichnet zurücksendet. Der Ausdruck V. stammt aus der alten Römischen Verfassung, wo jedem Volkstribunen das Recht zustand durch sein V. einen Beschluß der Volkscomitien zu hindern (s. Tribunen 7). Noch weiter war das Recht des V. in der Reichsverfassung der ehemaligen Republik Polen ausgebildet,[545] nach welcher sogar jedem Edelmanne erlaubt war durch sein Nie pozwalam (ich erlaube es nicht) einen Beschluß des Reichstages zu verhindern. Für die monarchischen Staaten Deutschlands galt es früher als unbestritten, daß dem Landesfürsten ein absolutes V. zustehe; u. ebenso befand sich zur Zeit des Deutschen Reiches auch der deutsche Kaiser gegenüber der Reichsversammlung im Besitze eines solchen absoluten 35. Andere Ansichten machten sich aber bei der Berathung der (Frankfurter) Reichsverfassung v. I. 1849 geltend, indem die Mehrheit der Nationalversammlung sich für ein blos suspensives V. des Reichsoberhauptes erklärte, so daß, wenn vom Reichstage derselbe Beschluß in drei sich unmittelbar folgenden Sitzungsperioden unverändert gefaßt worden, der Beschluß auch ohne Zustimmung der Reichsregierung mit dem Schlüsse des dritten Reichstages zum Gesetz werden sollte. Indeß in dem Berliner Entwürfe der revidirten Reichsverfassung, welcher dann dem Erfurter Parlamente vorgelegt wurde, war das absolute V. wiederhergestellt. Ebenso ist dasselbe in den Einzelverfassungen, in denen das suspensive V. zum Theil in dieser Zeit auch Anerkennung fand, überall wieder zur Geltung gebracht worden. Bemerkenswerth ist, daß in England, dem constitutionellen Musterstaate, wo das absolute V. der Krone gleichfalls dem Rechte nach feststeht, doch Seitens der letzteren schon seit langer Zeit (seit 1692) vermieden worden ist von diesem Rechte Gebrauch zu machen, u. daß man statt dessen, wo nicht ein Nachgeben erfolgen konnte, den andern Ausweg einer Vermehrung der Pairs im Oberhause gewählt hat, um durch die Abstimmung dieses Hauses im Sinne der Negierung die mißfälligen Anträge des Hauses der Gemeinen beseitigen zu lassen. Umgekehrt hat in den Vereinigten Staaten von Nordamerika der Präsident das ihm zustehende, aber blos suspensive V. vielfach gebraucht, ohne daß auch nur ein einziges Mal eines der Häuser des Congresses den Versuch gemacht hätte durch Wiederholung eines Antrages die Umwandlung desselben in ein Gesetz wider den Willen des Präsidenten zu erzwingen. In Frankreich wurde das suspensive V. zuerst durch die Constitution von 1791 eingeführt, was dem König u. der Königin den Spottnamen Monsieur et Madame Veto zuzog; im ersten Kaiserreich ging es ebenso wieder unter, wie die neuere Einführung desselben v. I. 1848 wieder mit dem zweiten Kaiserreich verschwand. Vgl. Murhard, Das königliche V., Kassel 1832.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.