- Wendung
Wendung, 1) die Handlung des Wendens; 2) (Versio), das geburtshülfliche Verfahren, durch welches statt des bei der Geburt vorliegenden Theiles des Kindes ein anderer in den Beckeneingang geführt u. dadurch bewirkt wird, daß die Längenachse der Frucht in die Achse der Gebärmutter u. des Beckeneinganges fällt. Der Zweck der W. ist bald nur Lageverbesserung, bald zugleich Geburtsbeschleunigung. Im ersteren Falle besteht der Zweck darin, die regelwidrige Kindeslage so zu verbessern, daß die Austreibung des Kindes durch die Geburtsthätigkeit möglich wird, daher ist mit der Verbesserung der Lage des Kindes die Operation beendigt; im anderen Falle dient die W. dazu, das Kind in eine Lage zu bringen, in welcher es bequem ausgezogen werden kann; in manchen Fällen finden beide Verhältnisse statt. Die W. kann bewirkt werden durch begünstigende Lage der Gebärenden u. äußere Handgriffe; durch Einführung des Kopfes in den Muttermund mittelst innerer Handgriffe (W. auf den Kopf); durch Einleitung des Steißes mittelst innerer Handgriffe (W. auf den Steiß); durch die Einführung eines od. beider Füße in den Muttermund mittelst innerer Handgriffe mit od. ohne Ausziehung des Kindes an den Füßen (W. auf die Füße); durch die Kräfte der Geburtsthätigkeit als Selbstwendung. Die W. zur Verbesserung der Lage des Kindes ist geboten bei allen regelwidrigen Kindeslagen, so bei solchen regelwidrigen Stellungen des Kindeskörpers, wenn durch dieselben das Eintreten des regelmäßig vorliegenden Kindestheiles verhindert wird, z.B. ein Arm neben dem Kopfe. Zur Bescheunigung der Geburt ist die W. geboten, wenn die Mutter an allgemeiner Schwäche u. allgemeinen Krankheiten, Ohnmachten, Convulsionen, Gefahr der Erstickung, heftigem u. anhaltendem Erbrechen, Blutflüssen aus den Geschlechtstheilen od. aus anderen Organen, Brüchen, welche eingeklemmt sind od. Einklemmung drohen, an Mangel od. Schwäche der Wehen, an Entzündung, Zerreißung der Gebärmutter od. der Mutterscheide leidet. In allen diesen Fällen kann das Kind in der besten Lage u. Stellung auf dem Becken stehen, allein um die Mutter od. das Kind, od. beide zu retten, ist es nöthig oft die W. auf die Füße einzuleiten u. das Kind an denselben herauszuziehen. Steht jedoch der vorliegende Kopf so fest, daß derselbe mit der Zange gefaßt werden kann, so ist die Zange der W. zur Beendigung der Geburt vorzuziehen. Von Seiten der Frucht gebieten die W-en zur Beschleunigung der Geburt: Vorfall od. Abreißen der Nabelschnur, frühzeitige Lösung des Mutterkuchens, bes. bei einem zweiten Zwillingskinde u. Sitz des Mutterkuchens auf dem Muttermund. Die Prognose bei der W. ist nach der Art der Anwendung derselben verschieden. Bei der W. durch Lage der Gebärenden u. äußere Handgriffe ist dieselbe am günstigsten: in vielen Fällen wird sie jedoch fruchtlos angewendet. Bei der W. auf den Kopf u. Steiß ist die Prognose im Allgemeinen günstig. Das Ende der zweiten G. Geburtsperiode ist die beste Zeit zur W. Die Umstände erheischen aber oft die Operation bald früher, bald später, als zu diesem eben angegebenen Zeitpunkte, wenn entweder gefahrdrohende Zufälle, z.B. Blutsturz beim Sitze des Mutterkuchens auf dem Muttermunde, die W. gebieten. Die W. auf die Füße besteht wesentlich in der Einführung der Hand in die Geburtstheile, dem Wassersprengen, wenn dies nicht von selbst erfolgt ist, dem Eingehen mit der Hand in die Gebärmutter u. Aufsuchung eines od. beider Füße u. Herabführen eines od. beider durch den Muttermund, wobei zugleich die Drehung des Kindes mit seiner Längenachse in die des Beckens bewirkt u. die Hüften des Kindes bis auf den Beckeneingang herabgeführt werden. Die Selbstwendung ist der seltene Vorgang, wo die Natur die regelwidrige Kindeslage durch eigene Thätigkeit verbessert. Sie tritt entweder vor Abfluß des Fruchtwassers ein, u. dann wird das Leben des Kindes meist erhalten; od. das Fruchtwasser ist schon abgeflossen, der regelwidrig vorliegende Theil zieht sich zurück u. ein anderer, Kopf od. Steiß etc., tritt in den Beckeneingang; das Kind ist meist todt, doch kann es in einigen Fällen erhalten werden, od. das todte Kind wird auch im Rumpfe zusammengebogen. 3) Die erste Übung der Soldaten nach der [96] Aufstellung; sie werden entweder auf der Stelle od. im Marsche gemacht. Es sind a) Viertelwendungen auf das Commando Rechts- u. Linksum, wo der Mann einen Viertelkreis nach der Richtung beschreibt, wohin das Commando leitet; b) Achtelwendungen, auf das Commando Halb Rechts od. Halb Links (Achtelwendungen, rechte od. linke), wo er den rechten Theil des Kreises beschreibt; beide W-en geschehen stets auf dem linken Absatz; c) ganze W-en, so v.w. Kehrt. Das Kehrt geschieht stets auf der Stelle. Es wird bei manchen Armeen mehr od. weniger hörbar beigetreten, d.h. der Fuß hörbar beigesetzt. 4) Die W-en der Schiffe werden ausgeführt durch das Steuerruder u. durch die Ruder od. die Segel od. die Räder der Dampfer. Die Schiffe gehen bei den W-en aus einem Compaßstrich nach einem anderen Compaßstrich über. Wird diese W. ohne das Steuerruder blos durch die Stellung der Segel u. die Einwirkung des Windes ausgeführt, so heißt die W. entweder. eine W. vor dem Winde, indem man es abfallen läßt, es halset (s.d.), od. eine W. mit dem Winde, indem man es anluven läßt, es stagt, d.h. indem man sein Vordertheil gegen den Wind wendet; 5) der Ort, wo man umwendet, daher so v.w. Angewende, s.u. Anwand 1); 6) (Fortif.), so v.w. Boyau; 7) (Rhet.), die Art, wie Gedanken u. Begriffe an einander gereiht werden, bes. sofern man dabei von dem Gewöhnlichen abweicht; 8) (Maler.), der Theil eines erhabenen od. rundlichen Körpers, welcher dem Umrisse am nächsten ist u. durch den Windeschatten angedeutet wird, welcher nach dem vorderen Theile zu in das Lichte, nach dem Umrisse zu in Halbschatten verläuft.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.