- Zellgewebe
Zellgewebe (Tela cellulosa), 1) darunter wurden früher diejenigen Gewebe des Körpers verstanden, welche sich in größerer Menge zwischen den einzelnen Organen, dieselben einhüllend od. durchdringend, finden. Da aber alle Theile des Körpers eigentlich aus Zellen zusammengesetzt sind, so nannte J. Müller diese Art von Gewebe Bindegewebe, s.d. Jetzt pflegt man allgemein unter Z. nur noch das sogen formlose areoläre Bindegewebe zu verstehen, welches sich in größerer Menge angehäuft unter der äußeren Haut, den Schleimhäuten, serösen Häuten, im Verlaufe der Gefäße u.[569] zwischen den einzelnen Muskeln findet; man spricht deshalb von einem Textus cellularis subcutaneus, subserosus, submucosus; doch meint man fast ausschließlich unter Z. das Unterhautzellgewebe, welches den sogen. Panniculus adiposus bildet. Diese Art des Bindegewebes besteht, wie das feste, geformte, gleichfalls aus soliden, weißen, wasserhellen, wellenförmig gebogenen Fäden (Bindegewebefibrillen) von 0,0005 Linien im Durchmesser, welche zu platten Bündeln vereinigt sind, u. aus seltneren vollständigen Zellen mit vielen Ausläufern, welche mit einander communiciren. Die Bindegewebefasern nehmen den verschiedensten Verlauf, sind vielfach mit einander durchflochten, bilden unter einander zusammenhängende größere od. kleinere Räume, welche mit Fettzellen u. mit seröser Blutflüssigkeit angefüllt sind; durch dieselben wird die Elasticität der äußeren Bedeckungen, der sogen Turgor vitalis, vermittelt. Es findet sich, je nach dem Reichthum an Fettzellen, nach Alter, Geschlecht, Ort, Constitution in sehr verschiedener Dicke vor. In der ersten Kindheit pflegt es sehr stark entwickelt zu sein, aber mit dem Alter fast bis zum vollen Schwund abzunehmen; am weiblichen Körper ist es durchgängig stärker entwickelt u. bedingt dessen runde u. volle Formen; anhaltende Krankheiten bringen es ebenfalls zum Schwunde; an den einzelnen Theilen des Körpers zeigt es eine unterschiedliche Stärke, bis über einen Zoll stark kann es sein, bei einzelnen Krankheiten selbst dieses Maß überschreiten. In großer Entwickelung findet es sich am Schamberg, Unterleib, an den weiblichen Brüsten, Hinterbacken, an der Handfläche u. Fußsohle; an der Eichel u. dem Warzenhose fehlt es fast gänzlich Im jugendlichen Alter hat es meist eine weißliche Farbe, mit dem Alter u. bei verschiedenen Krankheiten pflegt es mehr gelblich zu werden. Wegen seines lockeren, maschigen Gefüges gestattet es Flüssigkeiten, wie bei Hautwassersucht od. bei Blutextravasaten, größere Verbreitung; bei penetrirenden Brustwunden kann Luft in dasselbe getrieben u. dadurch emphysematöse Austreibung der ganzen Körperoberfläche bewirkt werden. Sehr häufig entwickeln sich in ihm Fettgeschwülste (Lipome), bes. am Rücken, wie Bälge mit dem verschiedensten Inhalte. Weitere mehr selbständige Krankheiten desselben sind die Entzündung, Hypertrophie, Elephantiasis (s.d.) u. Verhärtung, s.d. 2) In den Pflanzen besteht das Z., da, wo es sich in seiner regelmäßigen Form zeigen kann, aus sechseckigen, dodekaëdrischen, meist mehr in die Länge gezogenen, den Bienenzellen ähnlichen, bisweilen mehr blasigen, od. kugeligen Zellen, deren Wände, obgleich sehr zart, doch völlig geschlossen sind, so daß der Übergang der Säfte von einer Zelle zur andern nur mittelst einer organischen Durchschwitzung Statt finden kann. Nur bei Zellen, welche an der Oberhaut gelegen sind, bes. an der untern Fläche der Blätter, kommen Spaltöffnungen, u. im Nadelholz Löcher vor, durch welche theils Stoffe ausgeschieden, theils die Communication der Zellen mit der äußeren Luft vermittelt wird. Das zwischen den Adern u. Häuten des Blattes gelegene, saftige Z. heißt auch Parenchyma. Die Function des Z-s ist die Säfte, auch bisweilen gasförmige Stoffe, zu enthalten u. zu bearbeiten, doch bilden sich auch bisweilen aus in die Länge gezogenen Zellen eigenthümliche Saftröhren.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.