Überlandpost

Überlandpost

Überlandpost (engl. Overland Mail, Indische Ü.), die Post, welche die Verbindung zwischen Großbritannien u. dessen Besitzungen in Ostindien, sowie weiter mit China u. Australien vermittelt. Diese Post ging früher um das Cap der Guten Hoffnung, aber der weite Meerweg u. die Gefahren dieser Straße waren die Veranlassung, daß die Post 1834 den Weg über die Landenge von Suez einschlug, indem directe Dampfschifffahrtsverbindungen einerseits zwischen Calcutta u. Suez, andererseits durch die Straße von Gibraltar zwischen Alexandria u. Falmouth eingerichtet wurden. Den Dienst auf beiden Linien übernahm die Peninsular and Oriental Steam Navigation Company. Nach den beiden von der britischen Regierung am 26. Dec. 1834 u. am 26. Aug. 1840 abgeschlossenen Verträgen, waren dieser Gesellschaft folgende Fahrzeiten, einschließlich des Aufenthalts auf den Stationen, bewilligt: von Calcutta nach Suez 27 Tage 15 Stunden, zwischen Alexandria u. Falmouth 16 Tage 7 Stunden; der Transport über die Landenge nahm 2–3 Tage weg, so daß im Ganzen die Post zur Zurücklegung des Weges 46–47 Tage brauchte. Später richtete die genannte Gesellschaft auch eine Linie von Alexandria nach Marseille ein u. beförderte einen Theil der Post, bes. Briefe u. Zeitungen, durch das Festland von Europa über Marseille u. Boulogne. Allein die Ankunft der Post, welche in jedem Monate einmal von Ostindien kam u. dahin abging, war bis 1845 so unregelmäßig, daß die indischen Briefe nie früh genug ankamen, um sie mit dem nächsten Dampfschiffe beantworten zu können. Die Klagen darüber veranlaßten den britischen Lieutenant Waghorn (s.d.) zu dem Versuche, die Indische Post den Landweg durch Deutschland über Triest, welches auf der geraden Linie zwischen London u. Alexandria liegt, nehme zu lassen, wobei der Österreichische Lloyd die Fahrten zwischen Triest u. Alexandria übernahm. Unter Waghorns Leitung wurden nun im Herbste 1846 u. im Winter 1846–1847 die Versuchsfahrten durch Deutschland von Triest über Brixen, Innsbruck, Ulm nach Karlsruhe mit der Post, von da bis Mainz mit Eisenbahn, bis Köln auf Rheindampfbooten u. endlich von da bis Ostende wieder mit Eisenbahn gemacht. Bon Alexandria nach London stellte sich bei den sechs Fahrten als mittlere Fahrzeit heraus, über Triest u. Ostende 253 Stunden (darunter 107 zu Lande), über Marseille u. Boulogne 267 (darunter 86 zu Lande). Die Hoffnung, daß der Brief- u. Personenverkehr sich dadurch zum größten Theile nach Deutschland wenden werbe, ging trotzdem nicht in Erfüllung. Die Ursache lag hauptsächlich in der Eifersucht der Peninsular and Oriental Company u. zum Theil auch in der Mangelhaftigkeit des damaligen Transportsystems zwischen Triest u. Ostende. Besser gestaltete sich die Lage des Lloyd, als sich eine zweite Dampfschifffahrtsgesellschaft, die Eastern Steam Navigation Company, 1851 bildete. Der Lloyd setzte sich mit ihr in Verbindung, so daß er den Dienst auf dem Mittelmeere, sie den im Indischen Oceane übernahm, aber die britische Regierung schloß 1852 einen neuen Vertrag mit der Peninsular and Oriental Company. Demnach geht seit März 1853 eine indisch-chinesische Post alle 14 Tage nach Alexandria ab u. kommt von da; die australische Post wechselt monatlich. Der Abfahrtshafen ist Southampton. Das Felleisen wird zum Theil über Marseille, zum Theil über Triest besorgt, die Passagiere gehen zum großen Theil durch die Straße von Gibraltar. Die Eastern Company beschloß infolge ihres Ausschlusses auf eigene Rechnung eine Postverbindung zu errichten. Was das zweite Hinderniß anbelangte, so waren damals die hier hauptsächlich in Betracht kommenden Eisenbahnlinien noch nicht ausgeführt, auch griff der Betrieb der verschiedenen Linien noch nicht gehörig in einander. Die Ü. schlug, nachdem die österreichische südliche Staatsbahn zum Theil vollendet war, den Weg über Wien ein u. war gezwungen den Umweg durch Schlesien über Berlin nach Köln u. Ostende zu nehmen. Seit Vollendung der Sächsisch-Böhmischen Eisenbahn, 1851, ging sie von Wien über Prag, Dresden, Leipzig, Magdeburg u. Köln. Allein auch dieser Umweg war noch zu groß, u. daher konnte Triest mit Marseille nicht mehr concurriren, seitdem die Eisenbahn vom Mittelmeere zum Kanäle durch Frankreich vollendet indem Verkehr übergeben worden war. Der kürzeste Eisenbahnweg führt dagegen von Triest aus nach Laibach, Salzburg, München, Augsburg, Ulm, Stuttgart, Bruchsal, Nauheim, Mainz u. Köln u. von da nach Ostende. Seitdem nun 1860 mit der Eröffnung der Salzburger Eisenbahn das letzte Glied in dieser Bahnlinie hergestellt ist, geht die 5. regelmäßig jeden Monat zwei Mal u. zwar ein Mal durch Deutschland, das andere Mal durch Frankreich. Die Reise von London nach Alexandria über Ostende u. Triest dauert 170 Stunden (davon 119 zwischen Triest u. Alexandria), über Boulogne u. Marseille 176 Stunden (davon 142 Stunden zwischen Marseille u. Alexandria), so daß sich für Deutschland ein Vorsprung von sechs Stunden ergibt.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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