- Castilien
Castilien, 1) (Castilla), ehemals besonderes Reich der Pyrenäischen Halbinsel, das an Asturien, Biscaya, Navarra, Aragonien, Murcia, Leon u. Portugal grenzte; dann 2 Provinzen in Spanien, die zwar in administrativer Hinsicht auch nicht mehr bestehen, aber um des geschichtlichen Interesses willen zu berücksichtigen sind; A) Alt-C. (Castilla la Vieja), die nördliche Provinz, begrenzt von Biscaya, Alava, Navarra, Aragonien, Neu-Castilien. [750] Estremadura, Leon u. Asturien; eine Hochebene zwischen dem Castilischen Scheidegebirge u. dem Cantabrischen Gebirge von 2500 bis über 4000 F. Höhe; von dem Duero u. seinen Nebenflüssen mit seichtem Bett, die deshalb leicht austreten u. das Land versumpfen, u. vom Ebro nur spärlich bewässert; meistens dürr, ohne Wald u. große Strecken ohne Baum, fast ohne Wiesen u. eine lebendige Quelle; nur kurzhalmiger Rasen u. strauchartige Pflanzen bedecken das Land, während die unteren Berge mit grünem Eichengebüsch besetzt sind; der Anbau ist nur spärlich, Meilen weit sieht man kein Dorf, noch Haus, da doch Wein, Weizen u. Hülfenfrüchte, sogar Ölbäume gedeihen; die Industrie ist ohne Bedeutung. Die Bewohner, wegen der Lage ihres Landes rein geblieben von fremder Vermischung, haben ein längliches, hageres Gesicht mit spitzem Kinn, gerade Nase, hohe Stirn u. große unter hoch gewölbten Brauen ruhende Augen, zeichnen sich durch edlen, unbeugsamen Charakter, uneigennützige Gastfreundschaft, strenge Sittlichkeit u. Achtung gegen fremdes Eigenthum aus, u. ihre Hauptbeschäftigung ist Ackerbau u. Schafzucht; 1070 QM., 1,427,500 Ew.; jetzt eingetheilt in 7 Provinzen; B) Neu-C. (Castilla la Nueva), die südliche Provinz, begrenzt von Alt-C., Aragonien, Valencia, Murcia, Andalusien u. Estremadura; die centrale Hochebene Spaniens, von 2000 bis 3000 Fuß hoch, gleich jener von hohen Gebirgen umwallt, im Süden von der Sierra Morena u. im Norden von der Sierra Guadarrama; in derselben fließen die Hauptflüsse Spaniens, Tajo, Guadiana, Guadalquivir, Segura u. Jura, aber der im Ganzen fruchtbare Boden ist doch wenig bewässert; das Land gleicht einer staubigen Steppe, die nur hier u. da durch kleine Olivenwälder, Getreide-, Bohnen- u. Safranfelder u. durch dürftige, aus Lehm erbaute Ortschaften unterbrochen wird; die Bodencultur ist vernachlässigt, nur zahlreiche Merinoschafheerden, die eine alte Berühmtheit haben, ziehen über die Ebenen. Die Industrie beschränkt sich auf Erzeugung von Wollstoffen; Bergbau auf Steinsalz, Quecksilber u. Eisen; der Handel wird durch Züge bepackter Maulesel betrieben; doch ist durch die Eisenbahn von Madrid nach Ciudad-Real u. durch eine Zweigbahn über Chineholla nach Almansa ein Schritt zur Hebung des Verkehrs gethan. Das Klima ist sehr heiß u. trocken, aber die Winter kalt. Die Bewohner sind in Charakter u. Wesen den Aragonesen ähnlich, haben viel Mutterwitz, sind aber nicht so offenherzig, theilnehmend, freundlich u. gefällig wie die Alt-Castliier; 14523/5 QM., 1,490,800 Ew.; jetzt eingetheilt in 5 Provinzen; der südlichste Theil wird auch la Mancha genannt. Zur Krone C. gehören außerdem die Provinzen Leon, Palencia, Toro, Valladolid, Zamora, Salamanca (das Königreich Leon), Asturia, Galicia, Estremadura, Sevilla, Cordova, Jaen (Alt-Andalusien), Granada u. Murcia, so daß die Krone C. 6481 (6822) QM. mit 7 (Mill. Ew. enthält. Vgl. Spanien. 2) (Gesch.). Die Geschichte dieses Theiles von Spanien, wo schon in der Mitte des 8. Jahrh. unabhängige Grafen vorkommen, beginnt eigentlich mit 933, wo Fernandez Gonzalez ganz C. unter seine Herrschaft brachte; unter Ferdinand I. (1037–1065) wurde es zum Königreich erhoben; Alfons VI. (1072–1109) verband Toledo (Neu-Castilien) damit, u. durch die Verheirathung der Erbin C-s, Isabella, mit Ferdinand von Aragonien, wurde 1479 C. mit Aragonien vereinigt u. beide bildeten das jetzlige Königreich Spanien. Das Ausführliche s.u. Spanien (Gesch.).
Pierer's Lexicon. 1857–1865.