- Kriegsgefangene
Kriegsgefangene, die im Kriege von einer Armee der anderen abgenommenen Gefangenen. In ältester Zeit waren die K-n Eigenthum u. Sklaven dessen, welcher sie gefangen, so bei den Hebräern, Griechen u. Römern. Bei Letzteren wurden die Vornehmeren u. Könige gewöhnlich im Triumph aufgeführt u. dann nicht selten umgebracht. Wenn aber römische Gefangene zu Zeiten der Republik zurückkehrten, so wurde vermöge des Jus postliminium angenommen, als ob sie nie gefangen gewesen wären. Erst die Cornelia lex (gegeben 81 v. Chr.) verordnete, daß römische K. in der Zeit ihrer Gefangenschaft als bürgerlich todt betrachtet werden sollten. In der späteren römischen u. byzantinischen Geschichte finden sich Beispiele von großer Grausamkeit gegen die K-n. So sendete einmal ein byzantinischer Kaiser mehre Tausend gefangener Bulgaren mit ausgestochenen Augen nach Hause, nur dem je fünfzigsten war ein Auge gelassen, damit er den übrigen als Wegweiser dienen konnte. Auch die nordischen Völker betrachteten die K-n als Leibeigene. Erst das Christenthum verdrängte im Allgemeinen nach u. nach diese Sitte; doch erhielt sich zum Theil bis in den Dreißigjährigen Krieg die Gewohnheit, daß jeder Soldat od. auch Einwohner einer erstürmten Feste gewissermaßen das Eigenthum dessen war, in dessen Hände er gefallen war u. welcher ihm, indem er ihn nicht tödtete, das Leben geschenkt hatte. Diesem mußte er demnach eine Geldsumme (Ranzion) zahlen. Schon im Dreißigjährigen Kriege hörte diese Sitte auf. Die K-n sind jetzt das Eigenthum des Staates, u. der Soldat, welcher den anderen gefangen nimmt, hat weiter kein Anrecht auf ihn, als daß ihm erlaubt ist, Börse, Uhr u. dgl. von dem K-n zu fordern. Auch das Pferd des gefangenen Cavalleristen kommt dem Soldaten zu; doch pflegt der Staat eine gewisse Summe für solche Pferde zu zahlen (s. Beute). Dagegen ist es unter der Würde des Soldaten, seinem Gefangenen, es sei denn in der dringendsten Noth, Kleidungsstücke abzunehmen od. ihn zu mißhandeln. An der Stelle des einzelnen Mannes forderte nun Anfangs der Staat die Ranzion für die Gefangenen (noch im Spanischen Erbfolgekriege wurden die Gefangenen erst nach einer solchen wieder freigegeben); später wurden aber die Gefangenen nach geschlossenem Frieden entlassen. Nur im Orient u. bei den wilden Völkerschaften anderer Erdtheile ist der K., wenn er überhaupt Pardon findet, noch Sklave dessen, welcher ihn gefangen hat. Indessen hat auch hierbei europäische Civilisation günstig gewirkt; die Türken u. Perser machen zwar selten Gefangene, indem sie ihre Feind meist tödten, behandelten aber diese in den letzten Kriegen besser als sonst. In Erbitterungskriegen, od. auch von einzelnen Truppentheilen, wird oft kein Pardon gegeben u. genommen, auch wird zuweilen als Repressalie, ebenso wenn der Feind gegen den Kriegsgebrauch gehandelt hat, z.B. mit gehacktem Blei schießt, od. wenn man die K-n nicht fortbringen zu können fürchtet, kein Pardon gegeben. Nach bewilligtem Pardon den Feind noch zu tödten, ist barbarisch u. treulos. Selbst wenn eine Capitulation auf Gnade u. Ungnade geschlossen wird, ist es unmenschlich, den Feind zu tödten. Über das Transportiren der K-n s. Escorte. In dem Ort ihrer Bestimmung angelangt, werden die K-n entweder in eine Festung gebracht, od., wenn der Kriegsschauplatz sehr entfernt ist, auf das Land vertheilt. Sie zu zwingen, in dem Heere des Überwinders Dienste zu nehmen, ist weder rechtlich, noch rathsam, indem sie bald Gelegenheit suchen u. finden werden, zu dem Feind u. so zu den Ihrigen zu entkommen. Gefährlich ist es, sehr viele K. in einer Festung zu verwahren, indem durch Empörung derselben leicht die Feste verloren gehen kann, wie dies Friedrich dem Großen zu Ende des Siebenjährigen Krieges fast mit Magdeburg u. Küstrin begegnet wäre. Die Gefangenen erhalten im Feindesland nur spärlichen Unterhalt, u. oft muß der Staat, dem die K-n angehören, die Unterhaltungskosten derselben noch bezahlen, wenn er sie wieder erhalten will. Zuweilen findet noch während eines Krieges eine Auswechselung der K-n Statt, meist während eines Waffenstillstandes. Es geht hierbei Grad für Grad, so daß ein General gegen einen General, ein Capitän gegen einen solchen, ein Gemeiner gegen einen Gemeinen etc. ausgewechselt wird. Zuweilen ist die Auswechselung auch nur theilweise, so daß gewisse, namentlich bezeichnete Offiziere gegen andere ausgewechselt werden. Sonst fand auch zuweilen eine Auslösung der K-n durch Abfindung mit Geld Statt. Oft auch, namentlich wenn nicht die Nothwendigkeit vorhanden war, die[818] K-n behalten zu müssen, um sie zum Tausch gegen die selbst durch Gefangenschaft Verlorenen zu benutzen, od. wenn der Transport der K-n als unthunlich erschien, hat man die K-n unter der Bedingung, eine Zeit lang nicht wieder dienen zu wollen, wofür die Offiziere ihr Ehrenwort geben mußten, in ihre Heimath entlassen. Doch in neuerer Zeit ist es in mehren Staaten verboten worden, die Entlassung auf Ehrenwort anzunehmen, u. kommt schon auch deshalb wohl selten in Anwendung, weil bei dem gegenwärtig üblichen Systeme der Armeeergänzung der Kriegsdienst nicht freiwillig ist, u. mithin der Entlassene trotz seines Ehrenwortes doch genöthigt sein würde, wieder Dienste zu nehmen.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.