Bulgaren [1]

Bulgaren [1]

Bulgaren, ein Volk von finnischem Stamm, saßen ursprünglich an der Wolga (daher auch ihr Name); im 6. Jahrhundert n. Chr. hatten sie sich an die nördlichen Küstenländer des Schwarzen Meeres bis an die Donaumündung gesetzt, von wo sie in den Jahren 539, 540 u. 559 unter ihrem Khan Zabergau Einfälle in das oströmische Gebiet machten. Den Avaren nahe wohnend wurden die V. von denselben unterworfen, bis 634 einer ihrer Häuptlinge, Cuvrat, sich von ihrer Oberherrschaft befreite u. ein Bündniß mit Kaiser Heraclius schloß, welcher ihm Geschenke machte u. die Patricierwürde ertheilte. Das gute Vernehmen mit dem byzantinischen Hofe hörte nach Cuvrats Tode wieder auf. Während ein Theil in den alten Sitzen blieb (s. unten), ein anderer nach Italien ging u. sich im Beneventinischen niederließ, führte der dritte von Cuvrats 5 Söhnen, Asparuch, seine B. über die Donau (678), zwang den Kaiser Constantin IV. zur Zahlung eines jährlichen Tributes u. setzte sich an der Südseite der Donau bis zum Hämus u. dem Schwarzen Meere in Nieder-Mösien, welches von[443] ihnen den Namen Bulgarien (s.d.) erhielt, fest, wo sie selbst nach einem Jahrhundert mit den dort seßhaften Slawen gänzlich verschmolzen u. deren Sitte u. Sprache annahmen. Nach Asparuch regierte Mokrus bis gegen Ende des 7. Jahrhunderts; dessen Nachfolger Terbilis (Tarbagl) setzte (705) den von Absimar vertriebenen byzantinischen Kaiser Justinian II. mit bewaffneter Hand wieder auf den Thron u. erhielt von demselben zur Belohnung den südlichen Landstrich am Hämus (Zagoria). 750 machten die B. einen neuen Einfall unter König Kormes, des Terbilis Nachfolger, ins byzantinische Gebiet. Nach der Ermordung des Königs Kormes traten an die Stelle erblicher Könige nun gewählte. Diese waren: Teleses, (Teleutzes), wurde 763 in einer Schlacht vom Kaiser Constantin geschlagen u. von den Seinen ermordet; Sabin mußte, weil er Frieden mit den Römern gemacht hatte, bald vor seinen unzufriedenen Unterthanen fliehen; Pagan wurde ebenfalls von Constantin (765) besiegt u. st. 771. Telerich (Tserik) floh vor seinen Unterthanen 776 nach Constantinopel, u. Cardamus (Cordanus) regierte bis 797 od. 806. Unter seinem Nachfolger Crumus waren die B. sehr glücklich gegen die Griechen, welche neue Einfälle in ihr Land machten; sie besiegten die Kaiser Nikophoros u. Michael bei Adrianopel u. eroberten diese Stadt; auch Kaiser Leo wurde von ihnen besiegt. Crumus st. 815; nach kurzer Regierung des Ducumus folgte bis 821 der durch Grausamkeit berüchtigte Ditzeng (Tsok), dann bis 826 Mortagon (Mutragon, Omortag), ein groß– Christenfeind; bis 840 Baldimer, Enkel des Crumus, nach diesem Bogoris. Die Schwester dieses Königs hatte in Constantinopel gelebt u. war dort Christin geworden; nach ihrer Rückkehr bewegte sie ihren Bruder ebenfalls zur Annahme des Christenthums, worauf derselbe den Namen Michael annahm. Von nun an ward Lychnidus (Ochrida) die Residenz der bulgarischen Könige. Bogoris ging zuletzt in das Kloster u. übergab die Regierung seinem Sohne Landomir; da dieser aber das Christenthum verfolgte, erschien Bogoris wieder, ließ jenem die Augen ausstechen u. übergab die Regierung einem anderen seiner Söhne, wahrscheinlich Presiam; Bogoris selbst st. 890. Presiam focht unglücklich gegen die Serbier u. ließ das Reich seinem Sohne Michael Soritzes. Diesem folgte 888 Baldimers Enkel, Simeon, welcher in Constantinopel erzogen worden war. Nach langen Kämpfen mit den byzantinischen Kaisern, wobei sich diese der Hülfe der Ungarn u. Sarazenen bedienten, kam endlich mit Kaiser Romanus (923) ein Friede zu Stande. Simeon hielt ihn bis an seinen Tod (927 od. 932), den er in einer unglücklichen Schlacht gegen die Chrobater fand. Unter dessen Sohne, Peter, welcher unmündig zur Regierung kam, ging aber nicht blos Serbien wieder verloren, sondern auch Bulgarien, dessen sich der russische Großfürst Swätoslaw bemächtigte, (967) s. Russisches Reich. Peter floh nach Dristra u. starb daselbst. An seiner Stelle ward 971 sein Sohn, Borises (Burich) erwählt, der unter russischer Oberherrschaft stand. Bald darauf forderte der byzantinische Kaiser, Johann Zimiskes, von den Russen die Bulgarei, fiel, da er kein Gehör fand 971 in die Bulgarei ein, nahm Presthlaba, wo damals der Hof war, ein, ließ aber den König im Besitz des Reichs. Dann schlug er mit bulgarischer Hülfe die Russen bei Silistria, u. nachdem er sie aus dem Lande getrieben hatte, stellte er die Festungen her, besetzte sie mit griechischen Truppen u. erklärte, nachdem er den König Borises entthront hatte, die Bulgarei für eine byzantinische Provinz. Die bulgarische Krone wurde in der Sophienkirche zu Constantinopel aufgehängt. Die B. wählten sich 974 einen neuen König, Samuel, zogen durch Macedonien u. Albanien, bemächtigten sich Dyrrhachiums u. drangen bis nach Attika vor, wurden aber von den Byzantinern am Sperchios geschlagen; Samuel starb 1014. Sein Sohn Gabriel wurde nach kurzer Regierung (1015) von Bladisthlaw (Johann Ladislaw) auf der Jagd ermordet. Dieser versprach, nachdem er sich des Thrones bemächtigt hatte, dem Kaiser Basilios II., sich ihm als Vasall zu unterwerfen, allein der Kaiser traute ihm nicht; nach einem 3jährigen Kriege wurde 1018 die Hauptstadt Ochrida genommen u. die Bulgarei dem Byzantinischen Reiche unterworfen. Bladisthlaw war bei der Belagerung Dyrrhachiums geblieben. Die B. verhielten sich ruhig bis 1036, in diesem Jahre aber kam Dolian (Delean), ein aus Constantinopel entflohener Sklav, nach Bulgarien, der sich für König Gabriels Sohn ausgab. Diesen wählten die B. zu ihrem Könige u. standen wider den Kaiser Michael IV. auf. Nachdem Dolian den Teichomer, einen in Dyrrhachium gewählten Nebenkönig, hatte umbringen lassen, ging er dem Kaiser entgegen u. schlug ihn. Um diese Zeit kam ein anderer bulgarischer Prinz, Alusian, Bruder Bladisthlaws, der ebenfalls aus Constantinopel entflohen war, zu Dolian, welcher ihn scheinbar gut aufnahm u. die Regierung mit ihm theilte. Aber nach Kurzem ließ Alusian den Dolian blenden, u. weil er sich auf die Gunst der B. nicht verlassen zu können glaubte, so unterwarf er sich 1040 dem Kaiser Michael, ging nun nach Bulgarien u. ließ sich huldigen. Die B. blieben seitdem unter byzantinischer Herrschaft, bis sie 1186 mit den Wlachen unter Peter u. Asan sich losrissen u. das Bulgarisch-Walachische Reich gründeten. s.u. Walachei (Gesch). – Bei der Trennung der B. nach Cuvrats Tode (s. oben), waren, während ein großer Theil nach der Donau zog, viele B. in den alten Sitzen an der Kama (daher Kamische B.) u. Wolga (Weiße B. genannt) zurückgeblieben; sie waren rüstige Handelsleute u. standen mit den an dem Kaspischen Meere, an der obern Wolga in Ost- u. NRußland wohnenden Völkern in Verbindung, der Handelsplatz war ihre Hauptstadt Bulgar (s. Bolgary). Ihre Fürsten sind unbekannt; ihre Religion vertauschten sie auf Verlangen ihres Fürsten Almis, Sohnes des Shalki Balgtawar, mit dem Islam u. nun hießen diese B. bei den arabischen Schriftstellern (zum Unterschiede von den christlichen B. an der Donau), muhammedanische B. Ihr Land ward von Wladimir dem Gr. 984 erobert; sie behielten aber ihre Fürsten, so auch nach dem Einbruche der Tataren in Rußland 1236, u. ihr Gebiet behielt seine alte Ausdehnung (in S. bis an das jetzige Saratow). Der Name B. erhielt sich hier bis zur Eroberung von Kasan durch die Russen, worauf er verschwand.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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