- Paraffin
Paraffin, Leuchtmaterial, welches aus den Destillationsproducten fossiler Kohlen dargestellt u. namentlich zur Bereitung von Kerzen (Paraffinkerzen, s. Kerzen E) verwendet wird. Es ist fest u. stellt im reinen Zustand eine glänzend weiße, blätterige, krystallinische, durchscheinende Masse dar, welche sich schlüpfrig anfühlt, ohne fettig abzuschmutzen; es ist bei ungefähr 43° C. schmelzbar, in Alkohol wenig löslich u. kann ohne Zersetzung destillirt werden; wird weder durch Säuren u. Alkalien, noch durch Chlor u. Alkalimetalle, selbst nicht in der Wärme zersetzt, außer durch Salpetersäure, welche es in Benzoësäure verwandelt. Es hat dieselbe procentische Zusammensetzung wie das Leuchtgas, ist diesem wahrscheinlich polymer u. besteht demnach nur aus Kohlen- u. Wasserstoff. Die Leuchtkraft des P. verhält sich zu der des Wachses wie 1,381 (Karmarsch fand die Leuchtkraft des Wachses – 1000 gesetzt, die des P. – 1381, der Stearinsäure – 1049 u. die einer frich geputzten Talgkerze – 1285), es steht daher in dieser Beziehung unter allen bis jetzt zur Kerzenfabrikation angewendeten Stoffen oben an; dabei verbrennt es mit reiner weißer Flamme, ohne zu rußen, außer in bewegter Luft, wo dann die Flamme raucht u. einen unangenehmen Geruch verbreitet. Als Rohmaterial für die Darstellung des P. im Großen können Steinkohlen, Braunkohlen u. Torf, selbst die bituminösen Schiefer dienen, welche oft zur Heizung keine Verwendung mehr finden. In manchen Kohlen, wie in der Bogheadkohle, findet sich das P. schon fertig gebildet u. kann durch Äther extrahirt werden. Man hat zwar auch aus Pflanzenölen, Thierstoffen, Wachs u.a. organischen Stoffen P. dargestellt, doch bedient man sich dieser Materialien für fabrikmäßige Erzeugung nicht, ebensowenig od. nur selten des Holztheeres, in dem das P. auch vorkommt. Schon 1830 entdeckte es von Reichenbach in den Producten der trockenen Destillation von Steinkohlen u. lehrte es darstellen, doch mit so geringem Ertrag, daß an eine Darstellung im Großen nicht zu denken war u. außer einigen Analysen von Ettling u. Léwy wenig damit geschah. Erst 1850 entstand in England eine große Fabrik von P. unter der Leitung Young's, welchem es gelungen war, das P. aus Steinkohlen in einer verhältnißmäßig bedeutenden Quantität darzustellen. Als werthvolles Nebenproduct gewann er ein paraffinhaltiges Öl (Lubricating oil), welches eine gute Maschinenschmiere gibt; außerdem ein leichtes flüchtiges Öl, welches in Lampen gebrannt wird, das Photogen od. gereinigte Mineralöl. Zu gleichem Zwecke verarbeitete Selligue in Frankreich die Schieferkohlen von Autun u. gewann bei der trockenen Destillation derselben nicht nur die erwähnten Producte, sondern auch Ammoniak, einen Farbstoff, Theer u. einen trockenen Rückstand, welcher zum Entfärben der Syrupe verwendet werden kann.[662] Erst 1849 gelang es Reeß, auch aus Torf P. herzustellen. Nun entstanden auch in Deutschland Etablissements zur fabrikmäßigen Gewinnung des P-s, zuerst in Beuel bei Bonn, wo die Papier- od. Blätterkohle der dortigen Gegend verarbeitet wird. Youngs für England patentirtes Verfahren besteht im Wesentlichen aus Folgendem: Die in eigroße Stücke zerschlagenen Steinkohlen werden in eine Retorte gebracht, an deren Hals ein Schlangenrohr ansitzt, welches durch einen Strom kaltes Wasser auf 12–13° C. abgekühlt wird. Die Erhitzung der Retorte muß mit großer Vorsicht geschehen, namentlich ist eine zu hohe Temperatur zu vermeiden, weil sich dadurch die Destillationsproducte zersetzen u. als gasförmige Kohlenwasserstoffe übergehen. Daher steigerte man die Temperatur allmälig bis zur Dunkelrothglühhitze, wobei man Gas, eine wässerige Flüssigkeit u. paraffinhaltigen Theer erhält; das rohe Paraffinöl condensirt sich in dem Schlangenrohr u. läuft in die Vorlage ab. Ist die Destillation beendigt, so gießt man das rohe Öl in einen Behälter, welcher durch Dampf auf 55°_– 56° C. erwärmt werden kann. Dadurch setzen sich die Unreinigkeiten zu Boden u. das klare Öl kann abgenommen werden. Dieses wird nun aus einer eisernen Retorte mit Schlangenrohr destillirt u. das Destillat mit englischer Schwefelsäure versetzt, die Mischung eine Stunde lang gut durch einander gerührt u. dann ruhig stehen gelassen; nach 12 Stunden hat sich das Öl geklärt, indem die Schwefelsäure sammt den Unreinigkeiten zu Boden sinkt, es wird abgenommen u. in einem eisernen Gefäß mit Natronlauge unter Umrühren versetzt. Das so gereinigte Paraffinöl wird mit Wasser vermischt u. destillirt, wobei zuerst das Photogen übergeht; der Rückstand in der Retorte wird vom Wasser befreit u. wieder mit Schwefelsäure, dann mit Kreide versetzt. Nach 8 Tagen, während welcher Zeit man das Gemisch ununterbrochen auf 38° C. erwärmt hat, hat sich das Öl geklärt u. wird nun in Keller gebracht, wo das P. auskrystallisirt. Je kälter diese Räume sind, um so mehr P. erhält man. Das rohe P. wird auf wollenen Tüchern gesammelt u. erst in einer kalten u. darauf in einer warmen hydraulischen Presse gepreßt. Die durch diese Operation erhaltenen Tafeln kommen direct in den Handel. Nach einem neuen Verfahren von Wagenmann wird das auskrystallisirte P. durch Centrifugalmaschinen von dem Öl getrennt, in Tafeln gegossen u. kalt gepreßt, dann geschmolzen, durch Schwefelsäure gereinigt u. zwischen Haartüchern in eine warme hydraulische Presse gebracht. Man setzt alsdann Stearinsäure zu, reinigt nochmals mit Schwefelsäure u. wäscht die Masse mit Wasser aus, schmilzt es wieder mit Stearinsäure zusammen u. entfernt die letzten fremdartigen Beimengungen durch Natronlauge. Die Darstellung des P. aus Torf u. Braunkohlen ist in der praktischen Ausführung wenig verschieden von der aus Steinkohlen. Die Ausbeute betreffend, so gewinnt man in der Fabrik von Young aus einer Tonne Cannelkohle 13 Pfd. P. u. 30 Gallons paraffinhaltiges Öl zur Darstellung von Maschinenschmiere. In einem Etablissement in der irländischen Grafschaft Kildarn werden täglich 100 Tonnen Torf verarbeitet; 1 Tonne Torf liefert 25–27 Liter Theer, woraus man 1,36 Kilogramm P., 9 Liter Photogen u. 4,51 Liter fixes Öl zur Maschinenschmiere erzeugt. Die außer dem Theer in der Vorlage befindliche wässerige Flüssigkeit beträgt 30 Procent vom Gewicht des Torfes; 1 Tonne Torf gibt darin 2,5 Kilogr. Ammoniak od. in schwefelsaures Ammoniak verwandelt 12 Kilogr. des letztern, 2,25 Kilogr. Holzsäure u. 3,65 Kilogr. Holzgeist. In der Retorte bleiben 25 Procent Coaks zurück, welche als gutes Brennmaterial, bes. für metallurgische Operationen, sehr gesucht sind; man zieht sie sogar der Holzkohle vor. Braunkohle gibt 0,8–0,8 Procent Photogen, 1,5–4 Procent schweres Öl u. 1, 5–4 Procent P.; Blätterkohle von Bonn: 8 Procent Photogen, 1,5 Procent schweres Öl u. 12,8 Procent P.; die schottischen bituminösen Bogheadschiefer: 8–9 Procent fixes Öl, 2 Procent P. u. 6–8 Procent Solaröl; letzteres dient zum Brennen in Carcel- u. Moderateurlampen. Es ist etwas schwerer als Photogen, sein specifisches Gewicht ist nämlich 0,885–0,895. Wachskohle von Merseburg liefert 13 Procent P. Aus Indien bezieht man einen Theer, welcher auch sehr reich an P. ist, er enthält nämlich 25 Procent davon. Was endlich das Photogen anlangt, so wird dasselbe durch wiederholte Destillation gereinigt, oft wohl auch mit Moschus parfümirt, wegen seines unangenehmen Geruchs, welcher aber durch zweckmäßig construirte Lampen gänzlich beseitigt werden kann. Es ist eine weingelbe od. wasserhelle Flüssigkeit, welche ein specifisches Gewicht von 0,815–0,835 haben soll; ist es nämlich schwerer, so kann es von dem Dochte nicht aufgesaugt werden; ist es leichter, so ist damit eine größere Feuergefährlichkeit verbunden. In Hinsicht der Gefährlichkeit des Photogens ist vorzüglich bei Füllung dieselbe Vorsicht anzuwenden, wie beim Spiritus. Gefährlich ist es dann, wenn es noch zu viele flüchtige Substanzen enthält, welche dann aus den sich während des Brennens erwärmenden Behältern der Lampe zu rasch verfliegen u. eine Explosion verursachen. Aus den angestellten Versuchen geht hervor, daß das Photogen ein leichtflüssiges Öl ist, welches entzündet werden kann u. dann seine Verbrennung bis zu Ende fortsetzt. Die Entzündung ist aber bei Temperaturen von 0° bis 12° R. sehr schwierig, bei Temperaturen zwischen 12–25° leichter vorzunehmen, darüber hinaus aber erwärmt fängt das Photogen leicht Feuer, jedoch gehört immer eine directe Berührung der Photogendämpfe mit der entzündenden Flamme dazu. Für Localitäten, wo eine höhere Wärme ist, z.B. für Trockenstuben, paßt die Photogenlampe nicht, u. an Orten, wo die Luft mit leicht zündlichen Stoffen erfüllt ist, z.B. in Wollenspinnereien, ist dieselbe mit einem besonderen Schutze zu versehen. Vgl. Über das Photogenöl, Magdeburg 1856; Uhlenhuth, Handbuch der Photogen- u. Paraffinfabrikation, Quedlinburg 1858.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.