- Pomolŏgie
Pomolŏgie (v. lat. u. gr.), die Lehre u. Wissenschaft vom Obste, dessen Behandlung u. Zucht; ein Theil der angewandten Botanik. A) Die beschreibende P. handelt von den Obstarten u. Obstbäumen nach deren Verschiedenheit, wobei sie sich zum Theil der Merkmale u. Kunstausdrücke der Botanik, zum Theil aber, u. zwar für solche Merkmale u. Gegenstände, welche in der reinen Botanik nicht beachtet werden (z.B. Gestalt, Geschmack, Geruch der Früchte od. einzelner Theile derselben), eigener Kunstausdrücke bedient. Sie lehrt Obstbäume u. Obst ziehen u. so behandeln, daß sie in möglichster Vollkommenheit erscheinen. Sie theilt ferner das Obst in die verschiedenen Familien (Kern-, Stein-, Beeren-, Kapsel- od. Schalenobst), in Gattungen (das Kernobst in Äpfel u. Birnen, das Steinobst in Pfirsichen, Aprikosen, Pflaumen, das Beerenobst in Johannis-, Stachelbeeren etc. u. das Kapselobst in Nüsse), in Sorten (bei den Äpfeln in Reinetten, Calvillen, Ramburs etc., die Birnen in Bergamotten-, Christbirnen etc.) u. in Abarten. Zum Behuf der Unterscheidung der verschiedenen Obstsorten hat man Gestalt (namentlich bei Birnen u. Äpfeln), Farbe, Schale, Beschaffenheit des Fleisches u. des Kernhauses, Größe, Erhöhungen od. Vertiefungen, Stand der Blume (Überreste des Blumenkelches) u. des Stieles, Kerne, Reifezeit, Dauer u. dgl. mehr zu Hülfe genommen u. behufs des Unterrichts die verschiedenen Obstarten u. Obstsorten künstlich dargestellt, zuerst aus Papiermasse, später aus einer porzellanartigen Masse (von Arnold in Gotha). Die systematische Beschreibung der Obstsorten hat aber durch so vielfache, mehr od. weniger häufig eintretende Zufälligkeiten, durch fortgesetzte Vermehrung[341] derselben, neue Zucht aus Kernen u. künstliche Veredelung so vielfache Schwierigkeiten gefunden, daß ein streng wissenschaftlich durchgeführtes System der P. kaum denkbar ist, am wenigsten, da der Boden u. das Klima des Landes, wo das Obst wächst, auf jene Verschiedenheiten einen großen Einfluß hat u. manche Obstsorten in ihrer vollkommenen Schönheit öfters nur in einem kleinen Landstrich gefunden werden. In der neuesten Zeit hat man dadurch mehr Einheit in die Benennung der Obstsorten zu bringen gesucht, daß man Probe- od. Sortenbäume (s.d.) anpflanzt u. große Obstausstellungen veranstaltet u. die Pomologen der verschiedenen Ländern damit beauftragt hat, die Obstsorten nach Familien, Gattungen, Sorten, Namen zu bestimmen. Um die Charakteristik der Obstsorten haben sich verdient gemacht Quintiny, Duhamel, Christ, Diel, Sickler, Fritsch, Dietrich, Jahn, Lucas, Oberdieck. B) Die angewandte P. beschäftigt sich mit der Kenntniß der zweckmäßigsten Benutzung des gewonnenen od. zu gewinnenden Obstes. In dieser Beziehung theilt man das Obst ein: a) in Tafelobst, welches zur Zierde od. als Leckerbissen auf die Tafel kommt, man wählt theils schön aussehende Sorten, theils aber u. vorzüglich solche, welche sich durch Zartheit, Gewürz, Geschmack u. Fülle des Saftes auszeichnen; b) Wirthschaftsobst, welches zum Kochen, Backen, Dämpfen, zur Bereitung des Mostes, Cyders, Branntweins, Essigs, Syrups, Saftes etc. dient; c) Handelsobst, welches theils frisch, theils getrocknet ein Gegenstand des Handels wird. Zu den vorzüglichsten Beschäftigungen des Pomologen gehört die Obstbaumzucht od. die Kenntniß, die verschiedenen Arten der Obstbäume nach ihren Eigenthümlichkeiten durch Saat, Verpflanzung, Veredelung, durch Pfropfen, Oculiren, Copuliren, Absenken etc. zu erziehen u. zu pflegen u. die Behandlung des Obstes (die Abnahme zu rechter Zeit u. auf rechte Weise, die Aufbewahrung desselben etc.), s. Obst u. Obstbäume. Vgl. Dietrich, Systematisches Handbuch der Obstkunde, Jena 1834; Bertuch, Deutsches Obstcabinet, ebd. 1840; Diel, Systematische Beschreibung der deutschen Kernobstsorten, Prag 1834; Dachnohl, Neues pomologisches System, Jena 1847; Jahn, Lucas u. Oberdieck, Illustrirtes Handbuch der Obstkunde, Stuttg. 1860.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.