- Selbstentzündung
Selbstentzündung, 1) die ohne Gegenwart von Feuer erfolgte Entzündung brennbarer Körper. Fast immer ist die S. eine Oxydation durch den Sauerstoff der Luft od. solcher Substanzen, welche den Sauerstoff nur lose gebunden enthalten; jede Oxydation, wie überhaupt jede chemische Vereinigung ist von Wärmeentwickelung begleitet, erfolgt die Oxydation rasch genug, so wird eine zur Entzündung des oxydirbaren Körpers hinreichende Wärme frei. Fein vertheiltes metallisches Eisen (aus Eisenoxyd durch Reduction mit Wasserstoff bei möglichst niederer Temperatur erhalten) oxydirt sich so schnell an der Luft, daß es, mit derselben in Berührung gebracht, sogleich glimmt; ebenso verhält sich unter Umständen sein gepulverte Kohle u. andere Substanzen, s. Pyrophor. Phosphor entzündet sich durch Reiben, Phosphorwasserstoff durch[806] bloße Verührung mit der Luft; mit chlorsaurem Kali gemengte leicht verbrennliche Substanzen entzünden sich beim Reiben od. Schlagen od. Befeuchten mit Schwefelsäure; Wasserstoffgas entzündet sich mit Platinschwamm in Berührung gebracht etc., Öle oxydiren sich an der Luft ziemlich langsam, wird aber Baumwolle, Papier, Werg etc. damit getränkt u. auf Haufen geschichtet, so erfolgt die Oxydation so schnell, daß eine Entzündung erfolgt; ebenso entwickelt feuchtes Heu, in Haufen fest geschichtet, bedeutende Wärme, welche sich unter Umständen bis zur Entzündung desselben steigern kann. Häufig haben solche S-en Veranlassung zu Feuersbrünsten gegeben. 2) S.u. Selbstverbrennung lebender menschlicher Körper (Combustio spontanea), die, angeblich ohne äußere Veranlassung erfolgte Entzündung u. Verbrennung lebender menschlicher Körper. Die Möglichkeit einer solchen Erscheinung ist von Liebig während der öffentlichen Verhandlungen im Görlitz'schen Proceß (s. Görlitz) in Darmstadt wissenschaftlich widerlegt werden. Die 48 erzählten Fälle von S. stimmen fast alle darin überein, daß sie sich im Winter ereigneten, an Branntweintrinkern (Betrunkenen), in Ländern, wo mit offenen Kaminen od. Kohlenpfannen geheizt wird, wie England, Frankreich, Italien, wogegen in Deutschland u. Rußland, wo man mit Öfen heizt, S-en außerordentlich selten vorgekommen sind, daß niemals Jemand Augenzeuge der S. gewesen ist, daß unbekannt geblieben, wieviel u. ob Brennmaterial vorhanden war u. wieviel Zeit verflossen war, von dem Anfang der S. bis man den Leichnam verbrannt gefunden. Bei allen Fällen war Feuer im Zimmer (z.B. Licht od. Kohlen); nur in zwei Fällen schweigt die Erzählung davon. Gleichwie in der Bauchhöhle todter Körper sich brennbares Gas entwickelt, nahm man bei der S. eine solche Gasentwickelung, im lebenden Körper durch Krankheit od. andere Umstände veranlaßt, an u. glaubte dieses Gas durch äußeres Feuer od. durch einen elektrischen Funken entzündet. Im lebenden Körper hat man solche Gasentwickelung nur in höchst geringer Menge (im Darme) gefunden; bei Leichnamen läßt es sich nach Öffnung der Bauchhöhle zwar entzünden, steckt aber den Körper nicht zugleich mit in Brand. Phosphorwasserstoff entzündet sich allerdings in der Luft von selbst; aber weder im lebenden noch im todten, weder im gefunden noch im kranken Körper hat man dieses Gas je beobachtet. Liebig leugnet sogar die Möglichkeit der Bildung von Phosphorwasserstoff im Körper. Anderen gilt ungewöhnliche Fettbildung im Körper u. Tränkung mit Spiritus als Veranlassung zur S.; beide sind leicht verbrennlich, verbrennen aber schwer verbrennliche Stoffe, wie die des thierischen Körpers, nicht mit. Elektricität entwickeln manche Menschen, selbst bis zu Funkengeben, nie aber habe noch ein solcher Funken selbst nur Kleidungsstücke entzündet. Über die Schnelligkeit der S. kann man aus Mangel an Beobachtungen nichts nachweisen, die Schnelligkeit u. Nichtlöschbarkeit der Flamme stützt sich auf eine vereinzelte Erzählung vom Jahre 1749. Sonst wurden die verbrannten Leichname erst nach 5, 6 od. 12 Stunden aufgefunden. Dampf u. Rauch von stinkendem brenzlichen Geruche, fettiger, schmieriger Überzug der Wände, Möbel u. Fenster in Zimmern, wo S. stattgefunden hatten, spricht für die Unvollständigkeit der Verbrennung, welche aber immer durch äußeres Feuer nicht nur eingeleitet, sondern auch unterhalten werden muß. Vgl. Liebig, Zur Beurtheilung der Selbstverbrennung des menschlichen Körpers, Heidelb. 1850; Graff, Über die Todesart der Gräfin Görlitz, nebst Gegenbeweis von Bischoff, Erl. 1850; Gorup-Besanez in Schmidt's Jahrbüchern der in- u. ausländischen Medicin, Bd. 68, Lpz. 1850.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.