- Magensaft
Magensaft, die von der Schleimhaut des Magens abgesonderte Verdauungsflüssigkeit; sie besteht aus einer farblosen Flüssigkeit, dem Labsaft, welcher Zellen mit körnigem Inhalt, Labzellen, beigemengt sind. Diese Zellen bedecken während der Verdauung die Magenschleimhaut als eine mehr od. weniger dicke graulich gefärbte, lockere Schicht u. überziehen ebenso auch die Magencontenta. Der Labsaft ist eine farblose klare Flüssigkeit von säuerlich salzigem Geschmack u. eigenthümlichem Geruch; er reagirt stark sauer, wird durch Kochen nicht getrübt u. zeichnet sich vor andern thierischen Flüssigkeiten bes. dadurch aus, daß er lange Zeit der Zersetzung widerstehen kann u. sein Verdauungsvermögen beibehält. Um reinen M. zu gewinnen, verfährt man so, daß man Hunden künstliche Magenfisteln anlegt u. leicht zu zerkauende Knochen zu fressen gibt, nach einigen Minuten den Verschluß der Fistel öffnet u. den ausgeflossenen Saft durch Filtriren von Speiserestern u. Schleimflocken trennt. Da dem nach dieser Methode gewonnenen M. immer eine beträchtliche Menge Speichel beigemengt ist, so versuchte Bardcleben eine Atresie des Ösophagus zu bilden; Bidder u. Schmidt unterbanden dagegen die Speichelgänge, so daß nur Mund- u. Nasenschleim in den Magen gelangen konnten, welche leicht mechanisch vom M. zu trennen sind. Ältere Forscher sammelten M., indem sie den Magen im nüchternen Zustand zum Erbrechen reizten od. unlösliche Substanzen einführten u. das Thier darauf tödteten; andere ließen die Thiere Schwämme einschlucken, welche an Fäden befestigt waren u. nach einiger Zeitaus dem Magen gezogen wurden. Beaumont stellte seine Beobachtungen an einem Manne an, bei welchem sich in Folge einer Schußwunde eine Magenfistel gebildet hatte. Der filtrirte M. besteht aus Wasser, in welchem 1 bis 21/2 Procent fester Bestandtheile aufgelöst sind. Berzelius fand im M. eines Menschen 1,27, Blondlot in dem eines Hundes 1, Lehmann 1,05 bis 1,48, Frerichs in dem eines Pferdes 1,72 Procent fester Stoffe. Über die Natur der Säure des M-es ist man lange Zeit in Zweifel gewesen. Prout u. Braconnot glaubten, daß der M. keine Milchsäure, sondern nur freie Salzsäure enthalte, dagegen wies Lehmann die Gegenwart von Milchsäure nach u. leitete das Auftreten von freier Salzsäure von der Zersetzung der Chlormetalle durch freie Milchsäure her. Blondlot, welcher im menschlichen M. keine Milchsäure nachzuweisen vermochte, schloß aus seinen Versuchen, daß die sauere Reaction des M-es von sauremphosphorsaurem Kalkherrühre. In neuerer Zeit hat man mit Bestimmtheit Milchsäure im M. nachgewiesen, u. Lehmann hat gezeigt, daß der M. neben freier Milchsäure auch freie Salzsäure, milchsaure Salze u. Chlormetalle enthalte. Im Magen von Hunden ist übrigens unter Umständen keine Milchsäure, sondern nur Salzsäure nachzuweisen. In einzelnen Fällen findet sich auch Essigsäure im M., Buttersäure ist dagegen noch nicht bestimmt nachgewiesen worden. Nach Schmidt soll im M. eine der Holzschwefelsäure analoge Säure, die Chlorpepsinwasserstoffsäure, enthalten sein. Fluorwasserstoffsäure, welche Treviranus im M. der Vögel vermuthete, ist von andern Forschern nicht gefunden worden. Das eigentliche verdauende Princip des M-es, das Magenserment, ist das sogenannte Pepsin (s.d.), welches zuerst von Eberle im M. nachgewiesen wurde. Behandelt man nämlich Stücken der Magenschleimhaut mit sehr verdünnter Salzsäure, so erhält man eine Flüssigkeit, welche künstlicher M. genannt wird u. die verdauenden Wirkungen des M-es in hohem Grade besitzt. Aus dieser Flüssigkeit kann das Pepsin gewonnen werden, indem man durch Blutlaugensalz das Eiweiß entfernt, filtrirt, mit kohlensaurem Kali neutralisirt u. mit Quecksilberchlorid fällt, den Niederschlag mit verdünnter Salzsäure vermischt u. durch Schwefelwasserstoff vom Quecksilber befreit; die filtrirte Flüssigkeit stellt dann eine Auflösung dieses Magenferments dar, welches ein so großes Verdauungsvermögen besitzt, daß noch eine höchst verdünnte Auflösung desselben geronnenes Eiweiß in wenigen Stunden verdaut. Wenn man Labzellen im feuchten od. getrockneten Zustand mit Wasser behandelt, so erhält man ebenfalls einen künstlichen M., u. zwar kann man die Extraction 10 bis 20 Mal wiederholen, ohne daß die Flüssigkeiten ihre verdauenden Eigenschaften verlieren. Die Secretion des M-es ist sehr verschieden. Im nüchternem Magen finden sich kaum Spuren von M., künstlich angebrachte Reize vermehren die Absonderung, besonders Kochsalz, Pfeffer, Alkohol, kohlensaure Alkalien, am stärksten wird aber die Secretion durch Einführen von Nahrungsmitteln angeregt. Über die Wirkung des M-es als Verdauungsflüssigkeit s.u. Verdauung.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.