Sorbonne

Sorbonne

Sorbonne, ursprünglich das im 13. Jahrh. von Robert (s.d. 40) von Sorbon in der Champagne zu Paris gestiftete Collége, um Studenten der Theologie unentgeltlich Wohnung, Kost u. Beaufsichtigung bei ihren Studien zu gewähren. Das Haus in der Straße Coupe-gorge, welches Robert von dem König Ludwig IX. erhielt, war zunächst für 16 Studenten berechnet, nämlich vier aus jeder der vier Nationen bei der Universität (von Frankreich, Picardie, Normandie u. England od. Deutschland); aber in Kurzem wurden noch fünf Plätze für vlämische Zöglinge gestiftet, u. außer diesen schlossen sich nach u. nach viele an, welche auf Zahlstellen saßen. Den Unterricht erhielten sie außer dem Hause in den öffentlichen zur Universität gehörenden Schulen, doch stellte Robert auch nachher Lehrer der Theologie an seinem Collége an, in welcher Schule die Theologie mit der Philosophie versöhnt, die Theologie aber in ihrer orthodoxen Reinheit nach den Kirchenvätern u. den Concilien erhalten werden sollte. Durch die Berühmtheit ihrer Lehrer erhielt die Schule bei der S. bald eine große Anzahl Schüler. Neben diesem theologischen Collége, der Grande S., errichtete Robert noch das Collége de Calvi od. die Petite S für 500 Knaben mit Unterricht in den anderen Wissenschaften. Dadurch trat die S. in engere Verbindung mit der Faculté des arts u. dem, stets aus derselben gewählten Rector der ganzen Universität, so wie durch ihre Zöglinge aus den verschiedenen Nationen mit allen diesen Nationen. Die Einfachheit u. doch die Behaglichkeit des Lebens, so wieder freiere Geist, welcher in der S. waltete, machte, daß in derselben bald auch viele andere Doctoren u. Baccalaureen ihre Wohnung nahmen. Daher schieden sich die im Hause Wohnenden in die Genossenschaft (ceux de la société) u. die Gäste (ceux de l'hospitalité); die Letzteren mußten Philosophie studirt haben, Baccalaurei artium geworden sein u. die Philosophie in einem anderen Collége lehren, zudem mußten sie die Thèse Robertine vertheidigen, ehe sie die Lehrlicenz erhielten, während welcher Zeit sie Bacheliers en licence hießen. Die Vorsteher des Hauses waren: der erste der Proviseur, welcher unmittelbar unter der Universität stand u. den Verkehr nach Außen besorgte; der zweite der Senieur des docteurs, welcher dem Innern vorstand; u. der Prieur, welchem die Bachelieurs en licence untergeordnet waren. Die Vorträge, welche außer über Theologie in der S. gehalten wurden, waren Lateinische Grammatik, Logik, Dialektik, später auch Rhetorik. Nach wenigstens vierjährigem Studium der Philosophischen Wissenschaften u. wenigstens fünfjährigem der Theologie wurde von dem Candidaten zur Erlangung des Doctorates eine der Thesen von früh 6 bis Abends 6 Uhr (mit kurzer Unterbrechung zur Mittagszeit) vertheidigt; diese hieß Sorbonnique, nach dem Orte, wo es geschah, od. Certsmen maironicum, nach Mairon, dem Erfinder dieser Manier. Da nun in der S. auch viele theologische Doctoren wohnten, in derselben die theologische Facultät gewöhnlich ihre Versammlungen hielt, die theologischen Vorlesungen aus der bischöflichen Domus in die S. verlegt wurden, die Doctoren der Theologie sich Docteurs en S. nannten, weil sie die Vertheidigung ihrer These hier bestanden u. hier ihre Titel bekamen, die anderen Schulen in Paris ihre Lehrer gewöhnlich aus Mitgliedern der S. (Sorbonnisten) wählten; so kam es, daß nach u. nach die theologische Facultät in der öffentlichen Meinung mit der S. identificirt wurde. Aber freilich übte die S. durch ihren großen Einfluß auf die anderen Facultäten u. somit auf die Universität zugleich auch wesentlich Einfluß auf Kirche u. Staat. Obgleich sie aber nach ihrem ganzen Plane eine Dienerin der Kirche u. des Papstes war, so wußte sie sich doch auch ihre Selbständigkeit zu erhalten, sie vertheidigte die Rechte der Gallicanischen Kirche u. trat, wie gegen die Reformation[307] u. Cartesianische Philosophie, so auch gegen die Übergriffe der Jesuiten fest auf u. nahm die Bulle Unigenitus von 1713 gegen die Jansenisten nicht an. In einen übeln Ruf. brachte sie sich aber dadurch, daß sie sich in den Hugenottenkämpfen zum blinden Werkzeuge der Partei der Guisen hergab, indem in ihren Mauern die Ligue gestiftet u. genährt, von ihr die Unterthanen des Eides gegen Heinrich III. entbunden u. Heinrich IV. als Häretiker der ihm rechtlich gebührenden Krone für verlustig erklärt wurde. Ihr Ansehen in der öffentlichen Meinung verlor sie endlich durch ihr schwankendes Benehmen gegen die neuere Philosophie u. bes. durch die desfallsige Verspottung in Boileau's Arrêt donné en la Grande Chambre du Parnasse u. Voltaire's Tombeau de la S. In der Revolution wurde sie durch die Decrete von 1780 u. 1790 aufgelöst u. ihre, von Richelieu seit 1629 prachtvoll neuerrichteten Gebäude, ihre Bibliothek u. ihre Einkünste als Nationaleigenthum erklärt. Die zahlreiche Manuscriptensammlung wurde der Bibliothèque nationale (jetzt kaiserliche Bibliothek) einverleibt, die Bücher an verschiedene Sammlungen in Paris vertheilt; die Gebäude wurden Künstlern als Wohnungen u. Museen überlassen, seit 1807 aber der Universität als Hörsäle u. Wohnungen für Rector, Decan u. mehre Professoren angewiesen; diesem Zwecke dient sie jetzt noch u. daher kommt es, daß man wohl auch die Universität in Paris die S. nennt. Vgl. Duvernet, Histoire de la S., Par. 1792, 2 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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