- Tempe
Tempe (gr.), 1) eigentlich jeder enge Flußpaß; bes. 2) felsiges Thal in Thessalien, durch welches der Peneos floß, zwischen den Bergen Olympos u. Ossa. Nach der Sage entstand es durch den von Herkules bewirkten Durchbruch der beiden Berge, welche früher einen einzigen bildeten, dagegen nach geschichtlichen Angaben der Naturforscher in Folge eines Erdbebens, welches den einen Berg spaltete u. auf diese Weise dem Peneos den freien Durchfluß nach dem Meere gestattete. Seine größte Breite betrug nach Plinius 360 römische Fuß; wo es am engsten war, traten die Felsen, etwa eine Wegeslänge von zwei Stunden, so nahe an einander, daß der Raum kaum 104 röm. Fuß betrug. Auch die Kunst hatte durch Errichtung von Befestigungen die Schlucht noch mehr verengt. Die Eigenthümlichkeit des Engpasses bestand in der Verschmelzung des Anmuthigen mit dem Großartigen, des Lieblichen mit dem Wilden, u. namentlich gab ihm der üppigste Pflanzenwuchs u. ein großer Quellenreichthum neben der Erhabenheit der das Thal umgebenden Gebirgsnatur den charakteristischen Ausdruck, welcher das Thal auszeichnete. Die schauerliche Wildheit desselben, auf der Nordseite, der des Olympos, verlor sich gegen Westen, je breiter das Thal wurde. Die Schilderungen neuerer Reisender lassen die von den Alten gerühmten natürlichen Reize des Tempethals in dessen jetzigem Zustande nicht durchgängig wiedererkennen. Strategisch wichtig war T. für Nordgriechenland als Paß aus Macedonien nach Thessalien; schon beim Zug des Xerxes gegen Griechenland war ein Corps Griechen u. Thessalier unter Euänetos dort aufgestellt, doch verließen sie den Posten bald wieder u. die Perser nahmen einen andern Weg nach Thessalien. Nachdem kam T. unter den König Philipp an Macedonien u. wurde durch Castelle (z.B. Charax, Kondylos etc.) verstärkt, welche bald wieder verfielen, aber von den Römern in dem Macedonischen Kriege wiederhergestellt wurden. Jetzt heißt T. auf türkisch Bogoz (d.i. Paß) od. Lykostomo u. gehört zum türkischen Ejalet Tirhala. Am Eingange in das Thal liegt das Dorf Hassan Bebe. Vgl. Kriegk, Das thessalische T., Lpz. 1835. Wie die alten Thessalier hier ein Fest feierten zur Erinnerung an das Erdbeben, wodurch das Thal entstanden sein soll, u. wobei die Herren ihre Sklaven bedienten, so feiern die Türken auch jährlich hier ein Fest, wo jeder, ohne Unterschied des Glaubens, bewirthet wird. Von jenem thessalischen T. benannte man auch andere reizende Thalgegenden, so: 3) das Sabinische T. od. Reatina Tempe, s.u. Reate; 4) das Helorische T. bei Helorum in Sicilien; 5) in der Dichtersprache jede reizende Gegend.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.