- Weinsaure Salze
Weinsaure Salze, Verbindungen der Weinsäure mit Basen. Die Weinsäure ist eine zweibasische Säure, ihre neutralen Salze enthalten also auf 1 Äquivalent Säure 2 Äquiv. Base, die sauren 1 Äquiv. Base u. 1 Äquiv. basisches Wasser. Die Zusammensetzung der W-n S. ist daher: neutrales Salz: MO/MO} C8H4O10, saueres Salz: MO/HO} C8H4O10. Außerdem gibt es noch Salze mit zwei verschiedenen Metalloxyden; eine Art Doppelsalze: MO/NO} C8H4O10. Von den neutralen [53] Salzen sind die mit alkalischer Basis in Wasser leicht löslich, die übrigen schwer löslich od. unlöslich, lösen sich aber meist in einem Überschuß von Weinsäure od. stärkeren Säuren; unter den sauren Salzen ist bes. das Kalisalz wegen seiner Schwerlöslichkeit ausgezeichnet. Die wässerige Lösung fast aller löslichen W-n S. lenkt, wie die Lösung der Weinsäure selbst, den polarisirten Lichtstrahl nach rechts ab. Die Krystalle dieser Salze sind sämmtlich Hemiedrien. A) Weinsaures Ammoniak, das neutrale Salz, 2 H4NO, C8H4O10, durch Neutralisation von freier Weinsäure mit kohlensaurem Ammoniak erhalten, krystallisirt nach dem Eindampfen, während dessen öfter kohlensaures Ammoniak zugesetzt wird, in wasserhellen rhombischen Säulen, es ist löslich in Wasser, verliert an der Luft Ammoniak. Das saure Salz, H4NO, HO, C8H4O10, wird als krystallinischer Niederschlag erhalten, wenn man die Lösung des neutralen Salzes mit Weinsäure versetzt; es ist in Wasser schwer löslich. B) Weinsaures Amyloxyd. Man kennt nur das saure Salz, die sogenannte Amyloxydweinsäure, C10H11O, HO, C8H4O10, welche sich bei mehrtägiger Digestion von Amylalkohol mit Weinsäure bildet; aus der syrupdicken gelblich gefärbten Flüssigkeit krystallisiren warzenförmige schmierige Krystalle von sehr bitterem Geschmack, welche sich leicht in Alkohol, schwer in Äther, sehr wenig in Wasser lösen. Die Salze der Amyloxydweinsäure sind krystallinisch u. schwer löslich in Wasser; der amyloxydweinsaure Baryt (weinsaurer Amyloxyd-Baryt), C10H11O, BaO } C8H4O10, + HO, durch Neutralisation von Amyloxydweinsäure mit kohlensaurem Baryt erhalten, existirt in einer löslichen u. einer unlöslichen Modification, erstere krystallisirt in perlmutterglänzenden Blättchen, letztere wird aus der heißen alkoholischen Lösung durch Wasser als weiße amorphe Flocken gefällt. C) Weinsaures Antimonoxyd, a) Neutrales weinsaures Antimonoxyd, 2 SbO3, C8H4O10 + 2 HO, wird aus einer Lösung von Antimonoxyd in wässeriger Weinsäure durch Alkohol als weißer körniger Niederschlag gefällt, ist unlöslich in Wasser, leicht löslich in weinsaurem Kali, mit welchem es sich zu Brechweinstein verbindet. Bei 100° verliert es das Krystallwasser, bei 190° verliert es noch 2 Atome Wasser u. geht in das Salz 2 SbO3, C8H4O8 über; die Säure dieses Salzes, C8H4O8, ist noch nicht isolirt dargestellt worden, sie steht zur Weinsäure in. demselben Verhältniß, wie die Fumarsäure zur Äpfelsäure Ein übersaures Salz von der Zusammensetzung SbO3, HO } C8H4O10 + 2 HO, C8H4O10 + 6HO krystallisirt aus der zur Syrupconsistenz abgedampften Lösung des Antimonoxyds in Weinsäure in großen durchsichtigen Krystallen; es zerfließt an der Luft, ist leicht löslich in Wasser. Das weinsaure Antimonoxyd hat große Neigung sich mit anderen weinsauren Metalloxyden zu verbinden; diese Verbindungen sind keine eigentlichen Doppelsalze, sondern neutrale W. S. mit zwei verschiedenen basischen Metalloxyden, deren eins das einsäurige Antimonoxyd ist. Aus den Lösungen aller dieser Verbindungen wird das Antimonoxyd nicht durch Wasser, wohl aber aus saurer Lösung durch Schwefelwasserstoff als Schwefelantimon gefällt. Das wichtigste dieser Salze ist das b) Weinsaure Antimonoxyd Kali (Brechweinstein, Tartarus emeticus, Tartarus stibiatus), SbO3, HO } C8H2O10 + HO, schon 1631 von Adrian van Mynsicht entdeckt u. seitdem ein wichtiges Arzneimittel. Nach der preußischen Pharmakopöe kocht man 4 Unzen arsenikfreies Antimonoxyd mit 5 Unzen gereinigtem kalkfreiem Weinstein u. 4 Pfund destillirtem Weinstein eine Stunde lang, indem man das verdampfende Wasser ersetzt, dann bringt man durch Eindampfen die Masse auf etwa 3 Pfund, filtrirt heiß u. läßt krystallisiren; aus der Mutterlauge werden durch Eindampfen weitere Mengen gewonnen. Der Brechweinstein krystallisirt in farblosen durchsichtigen rhombischen Krystallen, welche an der Oberfläche verwittern u. ein porzellanartiges Aussehen erhalten; er löst sich in 15 Theilen kaltem u. 2,8 Theilen kochendem Wasser; die wässerige Lösung reagirt sauer, durch Alkohol wird das Salz vollständig ausgefällt. Bei 100° verliert er sein Krystallwasser, auf 200° erhitzt verliert er noch 2 Atome Wasser u. geht in SbO3, KO C2H2O8 über. Über 300° erhitzt brännt er sich u. riecht stark nach verbrauntem Zucker; in verschlossenen Gefäßen geglüht entsteht eine stark pyrophorische Masse. Innerlich genommen wirkt der Brechweinstein stark Brechen erregend. D) Weinsaures Äthyloxyd, a) Neutrales weinsaures Äthyloxyd, (Weinsäureäther), 2 C4H5O, C8H4O10, durch Einleiten von Salzsäuregas in eine alkoholische Lösung von Weinsäure erhalten. Der größte Theil der überschüssigen Salzsäure wird durch Erhitzen entfernt, dann die Flüssigkeit mit kohlensaurem Natron neutralisirt u. durch Schütteln mit Äther das weinsaure Äthyloxyd ausgezogen. Es ist eine farblose, mit Wasser mischbare Flüssigkeit, welche beim Destilliren sich zersetzt. bb) Saures weinsaures Äthyloxyd (Ätherweinsäure), C4H5O, HO } C8H4O10, entsteht beim Erwärmen von Weinsäure mit Alkohol auf 60–70°; man neutralisirt die Flüssigkeit mit kohlensaurem Baryt, zersetzt den ätherweinsauren Baryt u. verdampft die Lösung im luftleeren Raum. Die Äthylweinsäure krystallisirt in farblosen rhombischen Prismen von süßlichsaurem Geschmack, ist in Wasser u. Alkohol leicht löslich, in Äther unlöslich, zerfließt an der Luft, schmilzt bei 90° u. zersetzt sich bei 140°, bei 165° beginnt die Flüssigkeit zu kochen. Die Salze der Ätherweinsäure krystallisiren leicht u. werden direct durch Auflösen der Base od. ihres kohlensaures Salzes in der Säure od. durch Wechselzersetzung erhalten Ätherweinsaurer Baryt, C4H5O, BaO } C8H4O10 + 2HO, durch Neutralisiren der Ätherweinsäure mit kohlensaurem Baryt erhalten, krystallisirt in großen Prismen od. perlmutterglänzenden rhombischen Tafeln, löst sich leicht in Wasser; durch Fällen mit schwefelsaurem Kali entsteht Ätherweinsaures Kali, C4H5O, KO } C8H4O10 + HO, aus welchem man durch salpetersaures Silberoxyd Atherweinsaures Silberoxyd, C4H5O, AgO } C8H4O10, gewinnt; letzteres bildet kleine farblose Krystallnadeln, welche am Lichte rosenroth u. dann immer dunkler werden; bei 100° zersetzt es sich selbst unter Wasser. E) Weinsaurer Baryt, 2 BaO, C8H4O10, fällt als weißer, anfangs flockiger, dann krystallinisch werdender Niederschlag beim Vermischen von weinsaurem Kali mit Chlorbaryum; ist in Wasser wenig,[54] leicht in Mineralsäuren löslich. F) Weinsaures Bleioxyd, 2PbO, C8H4O10, als weißer, krystallinischer Niederschlag beim Fällen von essigsaurem Bleioxyd mit Weinsäure erhalten, ist in Wasser wenig löslich, leicht löslich in Weinsäure, auch in weinsaurem Ammoniak; durch Kochen mit Bleisuperoxyd wird es zu ameisensaurem Bleioxyd. G) Weinsaures Eisenoxyd, 2Fe2O3, 3 C8H4O10 (?), bleibt beim Verdampfen einer Lösung von frisch gefälltem Eisenoxyd in Weinsäure als schmutziggelbe amorphe Masse zurück; in der Lösung fällen Alkalien das Eisen nicht. Digerirt man Eisenoxydhydrat mit Weinstein u. Wasser bei 50–60° einen Tag lang u. verdampft das Filtrat bei gelinder Wärme, so bleibt Weinsaures Eisenoxyd-Kali als glänzende schwarzbraune, rubinroth durchscheinende Schuppen zurück; dasselbe bildet einen Theil der Globuli martiales u. des Tartarus chalybeatus der Officinen. H) Weinsaures Eisenoxydul scheidet sich als weißes Pulver beim Auflösen von metallischem Eisen in wässeriger Weinsäure aus; ist in Wasser wenig löslich, oxydirt sich leicht an der Luft. I) Weinsaures Kali: a) Neutrales weinsaures Kali, 2 KO, C8H4O10 + HO, wird durch Neutralisiren einer Lösung von Weinstein durch kohlensaures Kali erhalten; krystallisirt in farblosen durchsichtigen Krystallen, welche ihr Krystallwasser bei 180° verlieren. Es löst sich leicht in Wasser, fast gar nicht in Alkohol, schmeckt schwach bitter. Weinsäure, sowie andere, selbst sehr schwache Säuren verwandeln das schwerlösliche neutrale Salz in b) saures weinsaures Kali, KO, HO } C8H4O10; dasselbe findet sich häufig in der Natur, bes. im Safte der Weintrauben, sowie in anderen Pflanzensäften u. ist auch in den säuerlichen Weinen aufgelöst enthalten. Da dieses Salz in Alkohol unlöslich ist, so scheidet es sich aus den Weinen in dem Maße ab, als sich der Alkoholgehalt vermehrt u. setzt sich in Form harter Krusten an die Fässer an als sogen. Weinstein (s.d.). Künstlich bereitet man das Salz durch Fällen einer Auflösung von Kali mittelst Weinsäure. Es ist in Wasser schwer, in Alkohol gar nicht löslich, 1 Theil bedarf zur Lösung 200 Theile kalten u. 15 Theile siedenden Wassers. Beim Glühen in verschlossenen Gefäßen liefert es verschiedene gasförmige Producte u. hinterläßt eine Masse von Kohle u. kohlensaurem Kali (Schwarzer Fluß). Das basische Wasseratom des sauren weinsauren Kalis kann sowohl durch basische Oxyde als auch durch Körper von sauren Eigenschaften vertreten werden, so durch arsenige Säure, Borsäure u.a. Borsäure liefert so den Borsäureweinstein, KO, BO3 } C8H4O10, welcher beim Vermischen einer Lösung von 1 Theil Borsäure in 18 Theilen Wasser mit 3,5 Theilen Weinstein entsteht; man läßt die Lösung einige Tage in der Kälte stehen, filtrirt u. dampft das Filtrat im Wasserbade ein. Der Borsäureweinstein ist ein weißes amorphes, an der Luft nicht feucht werdendes Pulver; schmeckt sauer u. löst sich leicht in Wasser, wenig in Alkohol; ist officinell (Tartarus boraxatus Franco-Gallicus). Mit Weinstein bildet der Borsäureweinstein ein wirkliches Doppelsalz von der Zusammensetzung 2 (KO, BO3 } C8H4O10) + KO, HO } C8H4O10. Löst man 1 Theil Borax in 10 Theilen siedenden Wassers auf u. setzt 3 Theile kalkfreien Weinstein dazu, so erhält man den Boraxweinstein (Cremor tartari solubilis, Tartarus boraxatus), welcher die Zusammensetzung KO, NaO } C8H4O10 + 2 (KO, BO3C8H4O10) + 3HO hat; man dampft die filtrirte Flüssigkeit ein bis eine Probe davon sich nach dem Erkalten zerreiben läßt, läßt auf Papier erkalten u. pulvert die erstarrte Masse. Der Boraxweinstein ist amorph, in Wasser leicht löslich, in Alkohol unlöslich, wird an der Luft feucht, schmeckt sauer, ist officinell. c) Weinsaures Kali-Natron, KO, NaO } C8H4O10 + 8HO (Seignettesalz, Rochellersalz, Tartarus natronatus). krystallisirt in großen farblosen durchscheinenden rhombischen Säulen, welche bei 70–80° schmelzen, s. Seignettesalz. d) Weinsaures Kali- Ammoniak, KO, H4NO } C8H4O10 (Weinsteinsalmiak, auflöslicher Weinstein, Tartarus ammoniatus, Tart. solubilis ammoniacalis), wird durch Sättigen von Weinstein mit Ammoniak erhalten, krystallisirt in farblosen Säulen, welche in Wasser leicht löslich sind. K) Weinsaurer Kalk. Das neutrale Salz krystallisirt mit 8 Äquiv. Wasser u. bildet sich beim Vermischen von Chlorcalcium mit neutralem weinsaurem Kali; es ist geschmacklos, in Wasser sehr wenig löslich, leicht in Salmiak, in Kali, sowie in weinsaurem Kalt. Der weinsaure Kalk findet sich in vielen Pflanzensäften u. bes. in den Weintrauben, daher der rohe Weinstein stets mit diesem Salz untermengt ist. Das sauere Salz findet sich ebenfalls in manchen Pflanzen, ist schwer löslich. L) Weinsaures Kupferoxyd, 2 CuO, C8H4O10 + 6HO, ein hellgrünes od. hellblaues krystallinisches Pulver, welches beim Fällen von essigsaurem Kupferoxyd mit Weinsäure entsteht; löst sich sehr wenig in Wasser, leicht in Weinsäure u. in Mineralsäuren. M) Weinsaure Magnesia, 2 Mg O, C8H4O10 + 8 HO, wird durch Kochen von Weinsäurelösung mit überschüssiger Magnesia, Filtriren der Flüssigkeit u. Eindampfen des Filtrats erhalten, löst sich in 120 Theilen Wasser, ist fast geschmacklos. N) Weinsaures Methyloxyd; a) das neutrale Salz, 2C2H3O, C8H4O10, ist in seinen Eigenschaften der Äthyloxydverbindung sehr ähnlich u. wird in ganz analoger Weise gewonnen; b) das saure Salz, die Methyloxydweinsäure, C2H3O, HO } C8H4O10, erhält man durch Kochen von Weinsäurelösung mit dem gleichen Gewicht Holzgeist; krystallisirt in farblosen geraden Säulen von saurem Geschmack, welche sich ohne Zersetzung in Wasser, Alkohol u. Äther lösen. Mit Basen bildet die Methyloxydweinsäure meist krystallisirbare Salze; das Barytsalz hat die Zusammensetzung C2H3O, BaO } C8H4O10 + HO. O) Weinsaures Natron: a) Neutrales weinsaures Natron, 2 NaO, C8H4O10 + 4 HO, wird durch Neutralisation von Weinsäure mit keylensaurem Natron erhalten, es krystallisirt in wasserhellen rhombischen Säulen, löst sich sehr leicht in Wasser; daher kann man mittelst Weinsäure die Kalisalze leicht von Natronsalzen unterscheiden; in Alkohol ist es unlöslich. b) Saures weinsaures Natron krystallisirt mit 2 Äquiv. Wasser, ist in Wasser leicht löslich u. bildet mit Borax u. Borsäure den Kaliverbindungen ganz analoge Salze. P) Weinsaures Quecksilberoxyd, ein weißes[55] krystallinisches Pulver, welches man durch Fällen von essigsaurem Quecksilberoxyd mit weinsaurem Natron erhält; es ist in Wasser u. Alkohol unlöslich, leichtlöslich in Säuren. Q) Weinsaures Quecksilberoxydul fällt beim Vermischen der Lösungen von salpetersaurem Quecksilberoxydul u. Weinsäure als weißer, glänzender, in Wasser unlöslicher krystallinischer Niederschlag. R) Weinsaures Silberoxyd, 2AgO, C8H4O10, wird als käsiger, nicht krystallinischer Niederschlag, beim Fällen von salpetersaurem Silberoxyd mit Seignettesalz bei Gegenwart von freier Salpetersäure erhalten; vermischt man die heiße Silberlösung mit der ebenfalls heißen, mäßig concentrirten Lösung des Seignettesalzes, bis der entstehende Niederschlag nicht mehr verschwindet, so scheidet sich das Salz beim Erkalten in Form silberglänzender weißer Blättchen ab. S) Weinsaure Thonerde, findet sich in Lycopodium clavatum, ist eine gummiartige, süßlich herbe schmeckende, leicht lösliche Masse. T) Weinsaures Uranoxydul. Weinsäure erzeugt in einer Lösung von Uranchlorür einen graugrünen Niederschlag von basischem weinsaurem Uranoxydul, welcher, bei 100° getrocknet, aus 2 UO, C8H4O10 + UO, HO besteht. U) Weinsaures Zinkoxyd, ein schwerlösliches krystallinisches Salz, welches beim Vermischen einer verdünnten Lösung von essigsaurem Zinkoxyd mit Weinsäure entsteht; metallisches Zink löst sich in Weinsäure unter Entwickelung von Wasserstoff auf; aus der Lösung scheidet sich. das Salz als schwarzes Pulver aus. V) Weinsaures Zinnoxydul, 2SnO, C8H4O10, krystallisirt in quadratischen Prismen, wenn man eine concentrirte Lösung von Zinnoxydulhydrat in Essigsäure mit einer kochenden Lösung von Weinsäure vermischt. Es löst sich ohne Zersetzung in heißem Wasser, noch leichter in Weinsäure.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.