Anleihen

Anleihen

Anleihen, im eigentlichen commerciellen Sinne die öffentlichen od. Staats-A., auch Staatsschuld, öffentliche Schuld genannt; sie sind die Schulden, welche eine Regierung macht, wenn zur Deckung außerordentlicher Ausgaben die Staatseinnahmen nicht ausreichen. Im weitern Sinne zählt man auch zu den A. die Schulden, welche die Städte, die anonymen u. privilegirten Gesellschaften machen, z.B. in Frankreich die Banque de France, die Canalbaugesellschaften u. a. Jedoch werden von diesen u. ähnlichen Körperschaften die nöthigen Capitalien gewöhnlich durch Actienemissionen herbeigeschafft (s. Actien). Die A. sind a) gezwungene, wenn der Staat jeden in seiner Gewalt befindlichen Unterthanen nöthigt, ihm eine gewisse mit seinem Vermögen in Verhältniß stehende Summe vorzuschießen, wogegen er verspricht, diese Summe in einer gewissen Zeit zurückzuerstatten; od. b) freiwillige, wo Jedem überlassen bleibt, ob u. wie viel er beitragen will. Bei letztern wendet der Staat, welcher die Anleihe negociri, immer alle Mittel an, die Capitalisten zu bewegen, ihr Geld zu der A. herzuschießen. Die gewöhnlichsten Wege zur Aufbringung von A. sind: Aufforderung zur allgemeinen Betheiligung, Subscription, in welchem Falle der Staat die Theilbeträge nach ihrem nominalen u. reellen Werthe nebst dem Zinsfuße, der oft ein hoher ist, u. der Art der Tilgung des Capitals bekannt macht; Ausgeben der Schuldscheine an die die Anleihe garantirenden u. vermittelnden Bankiers zu einem niedern Curs, als der Schuldschein besagt (so soll z.B. der Schuldschein 100 Thlr. lauten; dafür erhalten die Bankiers eine Provision od. sie leisten vertragsmäßig baar nur 95 Proc. u. können die Differenz benutzen, um Andern, welche bedeutendere Beträge nehmen, Vortheile zu gewähren); Aufforderung zu Submissionen, d.i. zur Übernahme der A-summe en bloc durch versiegelte Offerten, welche in einer öffentlichen Sitzung der Finanzbehörde geöffnet werden u. wonach denen, welche das höchste Gebot gethan haben, die Einzahlung der A., entweder in kürzeren od. längeren Zeiträumen, übertragen wird; Sicherung sowohl der Zinszahlung, als der zu einer bestimmten Zeit verheißenen Rückzahlung des. Capitals durch eigene, gleich im Voraus bestimmte Einkommen (fundirte, consolidirte Schuld), od. durch Anticipationen eines Theils des Einkommens der Regierung auf gewisse Jahre hinaus. Solche Amortisationsfonds werden jetzt bei allen neuern A. angewiesen u. dem englischen Sinkingfound (s.d.) nachgebildet. Auch ist pünktliche Abzahlung der älteren Verbindlichkeiten nöthig, um dadurch eine günstige Meinung für sich zu gewinnen. Oft wählt ein Staat auch noch andere beliebte Wege, um seiner Anleihe Gunst zu verschaffen, z.B. die Lotterieanleihen, wo dem, der eine gewisse Summe, z.B. 100 Thlr., herschießt, noch durch einen eignen Prämienschein die Aussicht wird, bei einer der folgenden Verlosungen mit seinen Schuldscheinen herauszukommen u. beträchtliche Summen, von 1000 bis 100, 000 Thlr. zu gewinnen. Ferner die Annuitäten, wo sich der Staat verbindlich macht, dem Darleiher für sein Capital eine gewisse Reihe Jahre hindurch, z.B. 49 od. 99 Jahre lang, jährlich eine bestimmte, den gewöhnlichen Zinsfuß übersteigende Rente zu zahlen, nach Ablauf welcher Zeit aber auch das Capital nicht zurückbezahlt wird, indem es schon durch die höhern Interessen nach u. nach zurückgezahlt ist. Ferner Leibrenten u. Tontinen (s. b.); am gewöhnlichsten ist aber die immerwährende (perpetuirliche) Rente, wo, wie in Frankreich, England u. Rußland, ohne die Aussicht einer jemaligen Wiedererstattung des Capitals von Staatswegen u. ohne einen eigentlichen Schuldschein, die Schuld vom Staat blos versichert ist, u. wo der Gläubiger jährlich nur eine gewisse Summe als Zinsen vom Staat erhält. Da diese Forderungen auf der Börse mit größter Leichtigkeit Käufer finden (s. Staatspapiere), die ihren Capitalwerth baar ersetzen, so sind sie nicht als blos ideelle Capitale zu betrachten, sie sind vielmehr nichts anders als andere gewöhnliche Staatspapiere. Der Preis, den die Theilbeträge der A. erreichen, hängt zunächst von den Vortheilen ab, welche die Regierung den Darleihern gewährt; dann aber auch von dem Plane, nach welchem die Rückzahlung erfolgen soll, u. von dem Vertrauen, welches der betreffende Staat genießt. Daß die A. unter dem Nominalwerthe abgeschlossen werden, liegt in der Natur der Sache; oft werden sie aber unter dem Drucke ungünstiger Verhältnisse zu so niedrigen Preisen zugeschlagen, daß der Staat dadurch einen sehr empfindlichen Schlag erleidet; so gab man in England im J. 1814 für 100 £ Sterl. Consols zu 30/0 nur 231/2 u. zu 50/0 auch nur 30 £ Sterl. Das Gegentheil davon liefert die französische A. von 1830, wo das Gouvernement für 100 Frcs. zu 40/0, 102,67 erhielt; wohl das einzige Beispiel in der Finanzgeschichte. Über die erhaltenen Vorschüsse gibt die Regierung gewöhnlich bes. Staatspapiere aus, u. diese sind in neurer Zeit ein Gegenstand des innersten Staatslebens geworden. Die seit 1840 gemachten A., deren Obligationen am häufigsten an den deutschen Börsen vorkommen, sind: A) Staats-Lotterie-A. a) Großherzoglich Badische A. vom J. 1840, von 5 Mill. Fl. in 100,000 Loosen à 50 Fl., getheilt in 1000 Serien à 100 Loosen; die 1. Gewinnziehung war 1841 u. die letzte (29.) soll 1865 sein. b) Eine dergl. Badische A. von 1845, von 14 Mill. Fl., in 400,000 Loosen à 35 Fl., deren je 50 Stück eine Serie bilden; hierbei findet alle 3 Monate eine Gewinnziehung statt, u. jeder derselben geht die Serienziehung einen Monat voraus. Das Ganze soll bis 1885 getilgt werden. c) Privat-A. des Königs von Sardinien vom J. 1845, von 3,600,000 Franken, gegen 100,000 Obligationen à 36 Franken; diese A. ist in 1000 Serien à 100 Oblig. getheilt, u. war die[522] 1. Ziehung der Oblig. 1846; das Ganze soll bis 1869 getilgt werden. d) Kurhessische Staats-Lotterie-A. vom J. 1845 über 6,725, 000 Thlr. Cour., in 168,125 Prämienscheinen à 40 u. 20 Thlr. Die 1. Ziehung war 1846 u. die letzte (60.) soll 1895 sein. e) Hamburger Staats-Prämien-A. vom J. 1846, von 9,600,000 Mk. Bco.; in 1920 Serien von 50 Stück à 100 Mk. Bco.: die Gewinnziehung war 1847 u. das Ganze soll bis 1894 getilgt werden. f) Die Privat-A., von einem Vereine deutscher Fürsten u. Edelleute im J. 1847 gemacht, beträgt 1,200,000 Fl. in Loosen à 10 Fl., u. soll dieselbe durch Ziehungen von 1848 bis 1862 getilgt werden. g) Österreichische Lotterien-A. vom 4. März 1852, von 50 Mill. à 250 Fl. u. zu einem Zinsfuß von 40/0; h) Prämien-A. der preußischen Seehandlung von 3,598, 629 Thlr. à 50 Thlr. in 2525 Serien u. zu einem Zinsfuße von 40/0. B) Andere A.: a) Hamburger Feuer-Kassen-Staats-A., vom J. 1842, von 34,400,000 Mk. Bco., in Obligationen à 1000 u. 2000 Mk. Bco., mit 31/2 0/0 Zinsen; die Tilgung geschieht durch Rückkäufe der Oblig. od. durch Verloosungen. b) A. der Stadt Frankfurt a. M.: aa) vom J. 1843 (zum Bau des Frankfurter Antheils an der Frankfurt-Offenbacher- u. Main-Neckarbahn) von 2 Mill. Fl. in Oblig. à 1000, 500, 300 u. 100 Fl., à 30/0 Zinsen; u. bb) vom J. 1846, von 5 Mill. Fl., in Oblig. wie vorher u. mit 31/2 0/0 Zinsen; c) die Hannoversche Eisenbahn-A.: aa) vom J. 1845, von 1,500, 000 Thlr. u. vom J. 1846 von 2,900, 000 Thlr., in Oblig. à 5000 bis zu 100 Thlr. herab, mit 31/2 0/0 Zinsen; die A. soll von 1847 an in 38 Jahren getilgt werden; eine dergl. à 52, von 4 Mill. Thlr. in Oblig. von 5000 bis zu 100 Thlr., vom J. 1851, 1852 u. 1853 von 10,724, 570 Thlr. à 5000 bis 100 Thlr. u. zu 40/0. bb) Freiwillige A. von 1848 von 800, 000 Thlr. à 5000 bis 100 Thlr. zu 5 u. 41/3 0/0. cc) Convertirte Obligationen zu 40/0. d) Österreichische A.: Metalliques von 1841 von 40 Mill. Fl. zu 50/0, Metalliques von 1843 von 43,600,000 Fl. zu 50/0;, Metalliques von 1847 von 11,312,000 Fl. à 100,500 u. 1000 Fl. zu 50/0; die 41/2 0/0 Anleihe von 1849 von 71 Mill. à 1000, 500 u. 100 Fl.; Lombardisch-Venetianische A. von 1850 von 128 Mill. Lire à 100, 300, 900, 1500, 3000 zu 50/0. Die 50/0 Silbermetalliques von 30 Mill. à 1000, 500, 100 Fl.; die 50/0 Silber-A. von 1851, Serie A u. B, von 85 Mill.; die 50/0 A. vom Mai 1852 von 31/2 Mill. à 100 u. 50 Fl., u. die 50/0 Silber-A. vom 4. Sept. 1852 von 80 Mill. Fl. u. die 50/0 A. von 1854 von 35 Mill. à 100, 500, 1000, 5000, 10,000 Fl.; die 50/0 National-Silber-A. von 1854 von 500 Mill. à 20 bis 10,000 Fl. e) Schwedische Hypotheken-Kasse-A.; die erstere betrug 21/2 Mill. Mk. Bco., u. ist von einem Vereine von Bergwerksbesitzern mit Genehmigung, aber nicht unter Garantie des Staates, in Kopenhagen gemacht worden. Die Oblig. sind in Mk. Bco. ausgestellt u. tragen 40/0 Zinsen. Im J. 1846 wurde der Verein zu einer neuen A. von 10 Mill. Mk. autorisirt. f) Königl. Sächsische Staats-A. aa) vom J. 1847 à 42, in Oblig. à 500 Thlr. Dem Nominalbetrage nach war dieselbe 10 Mill. Thlr., eigentlich aber nur 5 Mill. Thlr., da die Hälfte jener Summe in Landrentenbriefen u. 30/0 Oblig. in Zahlung angenommen ward; u. bb) vom J. 1848 à 52, in Oblig. à 1000, 500, 200, 100 u. 50 Thlr. g) Preußische freiwillige 41/2 0/0 Staats s-A., vom J. 1848, die Oblig. sind mit Lit. A. bis F. bezeichnet u. gehen von 100 bis auf Stücke à 10 Thlr. herab; 41/2 0/0 Preußische Staats-A. von 1850 von 17,635, 000 Thlr., von 1852 von 16 Mill. Thlr., 40/0 Preußische Staats-A. von 1853 von 5 Mill. Thlr., 41/2 0/0 von 1854 von 15 Mill. Thlr., 42 Rentenbriefe von 52,227,120 à 10 bis 1000 Thlr. h) 31/2 0/0 Württembergische Obligationen Lit. A. bis G. von 18 Mill. C) Von den ausländischen A. werden folgende Obligationen am meisten an die deutsche Börse gebracht: a) Belgien, 41/2 0/0 Anleihe bei Rothschild à 40 bis 100 £ Sterl., 40/0 Oblig. von 1836 von 500 bis 1000 Frcs., 30/0 A. bei Rothschild von 1838 u. die 50/0 A. bei Rothschild von 1840 u. die 41/2 0/0 A. vom 21. Juni 1854 à 40 bis 100 £ Sterl., 21/2 u. 30/0 A. von 1856. b) England, 3, 31/2 u. 40/0 Consols, 21/2 0/0 Schatzkammerscheine à 100, 200, 500 u. 1000 £ Sterl. c) Frankreich, 30/0 Rente à 200 Frcs. u. höher, zweite 30/0 Rente von 1855, 40/0, 41/20/0 Rente u. 41/2 0/0 während 10 Jahre nicht remboursirte Rente; zweite 41/2 0/0 A. von 1855. d) Holland, 21/20/0 Integrale à 1000 Fl., 4-, 31/2- u. 30/0 Oblig. Sindicate à 1000 Fl., 41/2 0/0 Schatzbillets von 1851, von 250, 500 u. 1000 Fl. e) Neapel, 40/0 Certificate bei Falconet à 25 u. 500 Duc. Rente; 40/0 englische A. bei Rothschild u. 50/0 sicilianische A. à 400 Oncien od. 1200 Ducati. f) Rußland, 60/0 Inscription Papier à 100 bis 5000 Rubel, 50/0 Inscription Silber, verschieden, 50/0 Inscription Silber 3. u. 4. Serie à 500 Rubel Silber, 6); Inscription Silber à 500 Rubel Silber, 50/0 Certificate 1. Serie, 60/0 Certificate, 50/0 Certificate bei Hope u. Sohn à 500 Rubel Silber, 50/0 Englische A. (in Petersburg auch 2. Serie genannt), 50/0 Holländische bei Hope à 1000 Fl., 40/0 Holländische bei Hope von 1840 à 500 Rubel Silber, 40/0 A. bei Stieglitz u. Comp. 3. u. 4. Serie à 500, Reichsschatzbillets mit 90 Kopeken Zinsen pr. Monat à 250 Rubel Silber, 50/0 A. vom 8. Juni 1854 à 500 bis 5000 Rubel Silber. g) Spanien, 50/0 A. bei Guebsard, 50/0 immerwährende Rente bei Aguado à 200 bis 2000 Piaster, 50/0 Cortes-A. bei Ardoins à 85, 170, 255, 340, 510, 1020 £ Sterl., 30/0 Oblig. von 1842, 50/0 Holländische A. à 1000 Fl. 3- u. 40/0, 50/0 Französische Cortes à 1000 Frcs. od. 200 Dollar.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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