- Blatt [1]
Blatt (Folium, Bot.), ist eine seitliche Ausdehnung des Mittel- od. Oberstocks u. seiner Zweige, welche stielrund, mehrkantig, am häufigsten aber in eine verschieden geformte Fläche ausgebreitet ist u. zum Hauptzwecke die Aufnahme u. Ausscheidung der gasartigen Stoffe der Atmosphäre hat. I. Das vollständige Blatt besteht aus dem Grundtheile od. der Blattscheide (Vagina). dem stielförmigen Theile od. Blattstiel (Petiŏlus), u. der Blattfläche od. Blattscheibe (Lamina s. Limbus), doch ist nicht selten der eine od. andere dieser Theile wenig od. gar nicht entwickelt, u. nur selten sind alle gleichmäßig ausgebildet. A) Die Blattscheide (Vagina) ist die Basis des Blattes od. des Blattstieles, wenn diese den Stängel od. Ast, aus dem sie hervorkommt, scheiden- od. röhrenartig umschließt. Man unterscheidet demnach: a) die Blattstielscheide (Vagina petiolaris), welche die Basis eines Stieles ist, wie bei Angelica sylvestris, u. b) die Blattscheide im engeren Sinne (Vagina foliaris), welche unmittelbar mit der Blattfläche verbunden ist, welcher in diesem Falle der Stiel fehlt, wie bei den Cypergräsern. Bei letzterer unterscheidet man wieder: aa) die ganze od. geschlossene Blattscheide (Vagina integra s. clausa), wenn sie eine vollständige Röhre bildet, wie bei Veratrum album; bb) die gespaltene Blattscheide (V. fissa), wenn sie durch eine Längsspalte mehr od. weniger in 2 Theile getrennt ist, wie bei den Cypergräsern; cc) die nackte Blattscheide (V. nuda), wenn nur die Scheide entwickelt ist, Blattstiel u. Blattscheibe dagegen fehlen, wie bei Scirpus Allium u. Galanthus. Die kleine nackte Scheide am Grunde der Blüthenäste der Cypergräser nennt man auch wohl Stieselchen od. Pericladium. Durch theilweise Verwachsung der Blattscheide mit dem Stängel od. Aste entstehen jene eigenthümlichen[854] blattartigen Organe, die man c) Nebenblätter (Stipulae) nennt, u. welche seitlich am Grunde des Blattstiels od. des übrigen Theiles der Blattscheide stehen. Man unterscheidet: aa) das dem Blattstiele gegenüberstehende Nebenblatt (Stipula petiolo opposita), wenn die Nebenblätter mit ihren dem Blattstiele entgegengesetzten Rändern verwachsen sind; bb) das achselständige Nebenblatt (St. axillaris), wenn es zwischen dem Blattstiele u. dem Stängel (in der sogenannten Blattachsel) steht, wie bei Melianthus; cc) das scheidige Nebenblatt (St. vaginans s. vaginalis), wenn die entgegengesetzten, nicht verwachsenen Blattränder des achselständigen Nebenblattes sich breit um den Stängel od. Zweig herumschlagen, also eine Art gespaltene Scheide bilden, wie bei Potamogeton natans; dd) das Blatthäutchen (Ligula), ist die freie, gewöhnlich häutige Spitze eines achselständigen Nebenblattes, das fast seiner ganzen Länge nach an den Blattstiel angewachsen ist, den es als Scheide umgibt, wie dies bei den Gräsern der Fall ist; ee) die Tute (Ochrea s. Stipula vaginalis tubulosa), wenn die dem Blattstiele entgegengesetzten Ränder zweier achselständiger Nebenblätter ebenfalls verwachsen sind, so daß sie eine Scheide bilden, die jedoch an ihrem Ende den Blattstiel nicht erreicht, indem dieser vielmehr an ihrer Basis entspringt.
B) Der Blattstiel (Petiolus) ist bald stielrund (teres), bald halbstielrund (semiteres), kantig (angularis), zusammengedrückt (compressus), rinnenförmig (canaliculatus), aufgeblasen (inflatus) od. verbreitert (dilatatus). Das Blatt heißt sitzend (Folium sessile), wenn es ungestielt ist; der Blattstiel heißt scheidig (Petiolus vaginans), wenn er sich an seinem Grunde scheidenartig erweitert, umfassend (P. amplexicaulis), wenn er mit seiner Basis den Stängel od. Zweig zum Theil umschließt, geflügelt (P. altus), geöhrt (auriculatus), od. blattartig (foliaceus), wenn er jederseits einen Theil der Blattfläche trägt. Blattstielblätter (Phyllodia) endlich nennt man verbreiterte, blattartige Stiele, an denen gewöhnlich die eigentliche Blattfläche fehlt, wie beizahllosen, neuholländischen Akazien (Acacia).
C) Die Blattfläche (Blattscheibe, Lamina, Limbus, Blatt im engern Sinne, Folium) ist der ausgebildetste Theil des Blattes u. zugleich der für die Function desselben wesentlichste, der jedoch dann gewöhnlich fehlt, wenn die mehr oder weniger entwickelte Blattscheide, od. der ausgebreitete Blattstiel, od. selbst der fast blattartige Stängel od. Zweig die Verrichtung der Blätter übernehmen kann. Die Blattfläche besteht aus den unmittelbar vom Stängel od. Zweige, od. der Scheide, od. dem Stiele ausgehenden Gefäßbündeln, welche durch ihre mannigfache Verzweigung gleichsam das Skelet bilden u. Nerven u. Adern genannt werden; ferner aus dem dazwischen liegenden, mehr od. weniger saftigen Zellgewebe; u. endlich aus der dieses von beiden Seiten einschließenden Epidermis (Ober- u. Unterhaut). a) Adern (Venae) nennt man die äußersten Verzweigungen, die also von den Nerven dritter Ordnung ausgehen; dagegen b) Nerven (Nervi) nennt man die Gefäßbündel, die als unmittelbare Verlängerung aus dem Zweige der Blattstiele kommen (Nerven erster Ordnung, Nervi primarii), u. als erste u. zweite Verzweigung dieser Verlängerung (Nerven zweiter u. dritter Ordnung, Nervi secundarii et tertiarii). Der Nerv, welcher von der Basis bis zur Spitze des Blattes gerade ausläuft u. das Blatt in zwei Längshälften theilt, heißt Mittelnerv (Nervus medius, Costa). Die Theilung der Nerven geschieht entweder so, daß die der 2. Ordnung ihren weiteren Verlauf nach dem Blattrande hinnehmen (winkelnervige Blätter, Folia angulinervia); od. sie geschieht so, daß sie ihren Verlauf neben einander nach der Spitze hinnehmen (krummnervige Blätter, F. curvinervia). aa) Die winkelnervigen Blätter sind entweder: fiedernervige Blätter (F. penninervia), wenn sie gefiederte Nerven (Nervi pinnati) haben, bei denen die Nerven 2. Ordnung in verschiedenen Höhenpunkten aus dem Mittelnerv hervorkommen u. sich nach dem Blattrande hinrichten; od. handförmige Blätter (F. palmatinervia). wenn sie handförmige Nerven (Nervi palmati) haben, d.h. der Mittelnerv sich gleich an der Basis verzweigt u. die ersten Verzweigungen lauter Hauptnerven bilden; od. schildförmige Blätter (F. peltinervia), wenn sie schildförmige Nerven (Nervi peltati) haben, d.h. alle Nerven 1. Ordnung vom Mittelpunkte des Blattes nach dem Rande hin verlaufen, indem hier der Stiel im Centrum der Blattfläche eingefügt ist; od. fußnervige Blätter (F. pedatinervia), wenn sie fußförmige Nerven (Nervi pedati) haben, bei denen der sehr kurze Mittelnerv zwei sehr starke Seitennerven aussendet, aber auch einen grade nach der Spitze hin, von der Theilung jener Seitennerven aus. bb) Die krummnervigen Blätter haben entweder zusammenneigende Nerven (N. convergentes), die ihrer ganzen Länge nach od. am Grunde gebogen, gegen die Spitze aber zusammenneigend verlaufen; od. auseinandergehende Nerven (N. divergentes), die in verschiedenen Höhenpunkten zahlreiche Seitennerven bilden, ohne daß sich der Mittelnerv bis zur Spitze fortsetzt, also wie gefiederte Nerven, nur daß kein eigentlicher Mittelnerv vorhanden ist.
II. Will man die Blattflächen genau ihrer Form nach beschreiben, so hat man dabei die Form der ganzen Fläche, des Randes, der Basis u. der Spitze insbesondere zu betrachten. A) Seiner Fläche nach ist das Blatt kreisrund (Folium orbiculare), oval (F. ovale), elliptisch (F. ellipticum), länglich (F. oblongum), od. lanzettförmig (F. lanceolatum). od. es ist eirund (F. ovatum), od. verkehrteirund (F. obovatum), od. spatheiförmig (F. spathulatum), keilförmig (F. cuneiforme), deltaförmig (F. deltoideum), rautenförmig (F. rhombeum), dreieckig (F. triangulare), lanzenförmig (lanceatum), bandförmig od. lineal (F. lineare), od. endlich haar- od. borstenförmig (F. capillare s. setaceum). B) Wenn ein Blatt am Rande keine Einschnitte hat, so heißt es ganzrandig (F. integerrimum). im Gegensatze zu dem nicht tief, u. ungetheilt (F. integrum) im Gegensatze zu dem tief eingeschnittenen od. getheilten Blatte. Bei den eingeschnittenen Blättern unterscheidet man die einwärtsgehenden Winkel od. Bogen des Randes u. nennt diese Buchten (Sinus) u. die auswärts gehenden Winkel od. Bogen[855] nennt man Lappen od. Zipfel (Lobi, Lacinia). Die bogigen Lappen od. Buchten nennt man stumpf u. die winkeligen Lappen od. Buchten heißen spitzig. a) Blätter mit nicht tiefen Buchten u. kleinen Lappen: das gesägte Blatt (F. serratum), das aus geschweifte od. wellenrandige (F. repandum s. undulatum), das gekerbte (F. crenatum), das gezähnte (F. dentatum). Die Lappen dieser Blätter nennt man Zähne (Dentes), bei den gekerbten Blättern auch wohl Kerbzähne (Crenaturae) u. bei dem gesägten Sägezähne (Serraturae). Von diesen Formen giebt es auch wieder Nebenformen, z.B. sein gekerbt (crenulatum), sein gesägt (serrulatum) u. sein gezähnt (denticulatum), wenn die Zähne sein sind; die Theilung kann doppelt sein, so daß jeder Zahn wieder kleine Zähne hat, u. man sagt dann doppelt gekerbt (duplicatocrenatum), doppelt gezähnt (duplicato-dentatum) u.s.w., od. gekerbt gezähnt (crenulato-dentatum), wenn die Kerbzähne kleine spitzige Zähne haben; die Lappen können ferner dicht od. weitläufig, od. anliegend (angedrückt) sein, d.h. sich mit der Spitze fast an die Basis des vorhergehenden anlegen; sie können endlich auch alle gleich sein, od. sie sind ungleich, u. steht immer ein kleiner Zahn zwischen zwei größeren, so heißt das Blatt unterbrochen gekerbt, gezähnt od. gesägt (F. interrupte crenatum, dentatum, serratum). Ein seiner Stachel, der zuweilen an der Spitze der Lappen steht, heißt Stachelspitze (Mucro) u. das Blatt stachelspitzig gezähnt, gekerbt u.s.w. (F. mucronato-dentatum, crenatum) u.s.w. b) Mit tiefen Buchten u. großen Lappen: bei diesen gibt man mit Ausnahme der fiederspaltigen zugleich die Zahl der Lappen an, das gelappte B. (F. lobatum, bi-, tri-, quadri-, quinque-lobatum), das geschlitzte B. (F. laciniatum, bi-, tri-laciniatum etc.), das gebuchtete B. (F. sinuatum, tri-sinuatum etc.), das gespaltene B. (F. fissum, trifidum etc.), das gewinkelte B. (F. angulatum), das getheilte B. (F. partitum), daß spieß- od. spontonförmige (F. hastatum, s. panduraeforme). Sind die Lappen der Blätter wieder gespalten, so setzt man das Wort doppelt (duplicato...) vor, z.B. doppelt dreispaltig (duplicato-trifidum). Ein Blatt mit tiefen Einschnitten kann ferner auch fiederspaltig (F. pinnatifidum), kammförmig (F. pectinatum) od. schrotsägenförmig (F. runcinatum); das fiederspaltige wieder bald zunehmend- (F. crescenti-pinnatifidum), bald abnehmend-fiederspaltig (F. decrescenti-pinnatifidum), bald leyerförmig (F. lyratum), bald doppelt-, drei- od. mehrfach fiederspaltig (F. bi-, tri-, multi-pinnatifidum) sein. C) Seiner Spitze nach ist das Blatt zugespitzt (acuminatum), spitzig (acutum), abgerundet (obtusum), abgestumpft (retusum), abgestutzt (truncatum), ausgerandet (emarginatum), zweizähnig od. verkehrt halbmondförmig (bidentatum, oblunatum), u. verkehrt herzförmig (obcordatum). D) An der Basis kann das B. auch spitzig, zugespitzt, abgerundet u.s.w. sein, oft ist es aber auch herzförmig (cordatum), halbmondförmig (lunatum), pfeilförmig (sagittatum) u. nierenförmig (reniforme). Ubrigens erscheint die Blattfläche nicht immer abgeplattet, sondern auch runzelig (rugosum), wogenfömig (undatum), wellig (undulatum), kraus (crispum), gefaltet (plicatum), kappenförmig (cucullatum), nachenförmig (naviculare, cymbiforme) u. rinnenförmig (canaliculatum). Alle diese Formen können übrigens auch bei allen anderen blattartigen Theilen, z.B. den Blumenkronen u. Kelchblättern, vorkommen u. werden dann eben so bezeichnet; auch sind die beiden Längshälften der Blätter nicht immer gleich, also ungleich (Folia inaequilatera s. dimidiata), wie z.B. bei den Begonien. Ferner breitet sich das Blatt nicht immer in eine Fläche aus, sondern erscheint vielmehr verdickt (F, crassum) u. es ist dann bald stielrund (teres), bald halbstielrund (semiteres), fadenförmig (filiforme), pfriedenförmig (subuliforme), borstenförmig (setiforme, setaceum), nadelförmig (acestosum, aciculare), zusammengedrückt (comgremssum), zweischneidig (anceps), dreischneidig (triquetrum), deltoidisch (deltoideum), vierkantig (quadrangulare, tetragonum) od. höckeig (gibbosum) u.s.w. Die Blattranken (Cirrhi folii) sind entweder fadenförmige, gewundene Verlängerungen des Mittelnervs (F. cirrhosum), od. des gemeinsamen Blattstieles eines zusammengesetzten B-s (F. cirrhiferum), od. sie sind auch als völlige Umwandelungen eines Blattes od. Nebenblattes in eine Ranke zu betrachten (F. cirrhiforme).
III. In Beziehung auf die Stellung des Blattes ist Folgendes zu bemerken: a) Kommen die Blätter aus dem Mittelstocke od. Rhizom od. doch aus dem untersten Theile des Stängels hervor, so heißen sie Wurzelblätter (Folia radicalia), dagegen untere od. obere Stängelblätter (F. caulina inferiora et superiora), wenn sie aus der unteren od. oberen Hälfte des Stängels, u. Astblätter (F. ramea), wenn sie aus den Asten hervorkommen. Bei Wasserpflanzen unterscheidet man untergetauchte Blätter (F. submersa), wenn sie sich ganz unter der Wasserfläche befinden, aufgetauchte (F. emersa), wenn sie über den Wasserspiegel hervorragen, u. schwimmend (F. natantia), wenn sie mit ihrer unteren Fläche auf dem Wasserspiegel liegen; b) der Winkel, den das B. mit seinem Stängel od. Aste bildet, heißt die Blattachsel (Axilla folii); das Blatt erscheint aber in Beziehung auf diesen Winkel bald angedrückt (adpressum), aufrechtstehend (erectum), abstehend (patens), ausgespreizt (divaricatum). niedergebogen (reclinatum), herabhängend (pendulum), zurückgeschlagen (reflexum). aufwärts gekrümmt (incurvum) od. gegen einander geneigt (Follum connivens); c) in Beziehung auf die Lage der blattfläche zum Stängel od. Zweige ist das B. horizontal (horizontale), vertical (verticale), schiefflächig (obliquum s. adversum) od. verkehrtflächig (resupinatum); d) die Grundform der Blattstellung ist die wirbel- od. quirlförmige (Folia verticillata) aus der durch stufenweise Auseinanderrückung der Blätter dieser Quirle die Spiralform (F. spiralia) entsteht. Die Blätter können ferner zerstreut [856] (F. sparsa), entgegengesetzt (gegenständig, opposita), abwechselnd (alterna), rosettig (rosulantia), reitend (equitantia). büschelig (fasciculata) od. rasenartig (caespitosa) sein. Ein Blätterbüschel am Ende des Stammes, wie bei den Palmen u. Bananen, heißt Blattkrone (Corona), ein Büschel aber von Blättern (Deckblättern), der einen Blüthenstand umgiebt, heißt Schopf (Coma); e) in Beziehung zu einander sind die Blätter entfernt (remota), genähert (approximata), gedrängt (conferta) od. dachziegelig (imbricata); f) nach der Zahl der Längsreihen, welche die Blätter bilden, sind sie ein seitig (unilateralia), zweizeilig od. zweiseitig (disticha). dreizeilig (tristicha), vierzeilig (tetrasticha) u. vielzeilig (polysticha); g) in Betreff des Stiels ist das Blatt entweder gestielt (Folium pedunculatum s. petiolatum) od. sitzend (F. sessile) d.h. nicht gestielt; aa) das sitzende B. kann wieder sein umfassend (stängelumfassend, amplexans, amplexicaule), halbstängelumfassend (samiamplexans, semiamplexicaule), od. stängeldurchwachsen (F. perfoliatum); bb) der Blattstiel ist entweder einfach (Petiolus simplex), d.h. nicht verzweigt, od. zusammengesetzt (P. compositus), d.h. verzweigt, u. in letzterem Falle heißen die Zweige des Stieles Nebenstiele (Petioli secundarii). Hiernach heißt nun auch das Blatt mit einfachem Stiele ein einfaches (F. simplex), das mit verzweigten aber, von denen jeder Nebenstiel eine Blattfläche trägt, ein zusammengesetztes Blatt (F compositum). Die einzelnen Blattflächen an den Nebenstielen heißen in letzterem Falle Blättchen (Foliola). Sie können jedoch auch sitzend am Hauptstiele vorkommen. Das zusammengesetzte Blatt ist entweder ein zwei-, drei-, vier-, fünf-, sechs-, sieben- od. mehrzähliges (F. binatum s. conjugatum, ternatum s. ternum, quaternatum, quinatum, senatum, septenatum u.s.w.), od. ein gefiedertes (F. pinnatum). Fünf- u. mehrzählige Blätter heißen auch fingerförmig (Folia digitata). Vielfach zusammengesetzt (decompositum) heißt das Blatt, wenn die Nebenstiele wieder verzweigt sind, aber diese Zweige nicht von derselben Zahl, wie die Nebenstiele sind, doppelt zwei-, dreizählig (bi-binatum, bi-ternatum etc.) dagegen, wenn dieselbe Zahl bei den secundären Zweigen wiederkehrt.
IV. Wenn das Blatt sich zu bilden beginnt, so bestehen alle Theile noch ausschließlich aus Zellen; in dem Gewebe bilden sich aber später Zellgewebsstränge, die endlich zu Gefäßbündeln werden. Die Entstehung dieser Gefäßbündel beginnt von der Achse (dem Stängel od. Zweige) aus u. schreitet allmählig vom Stiele aus in das Blatt hinein fort. Daß aber diese Gefäßbündel Nerven u. Adern genannt werden, ist oben I. c) gesagt worden. Der Verlauf derselben hängt wesent, ich von der Blattform ab. So liegen sie bei flachen Blättern, Blattstielen u. Blattscheiden in einer Fläche, bei verhältnißmäßig dicken Blättern etc. zerstreut, wie bei Palmen, od. in einem Kreise, wie bei Aloë u. Mesembryanthemum. Oft vereinigen sich (anastomosiren) die Gefäßbündel wieder durch ihre Seitenäste (Nebennerven) u. bilden dadurch ein Netz mit vieleckigen Maschen. Die Gefäßbündel entwickeln sich übrigens allmählig u. zwar so, daß, wenn man sich das Blattals horizontal von der Achse ausgebend denkt, die ältesten Theile nach oben, die jüngeren nach unten liegen. Auch zeigt sich nach unten bei den Dikotyledonen eine Cambialschicht; es begleiten Bastbündel die Gefäßbündel nach unten u. bei dünnen, stachen Blättern treten die Gefäßbündel nach unten über die Fläche hervor. Das Parenchym des Blattes entwickelt sich auf sehr verschiedene Weise. Im Allgemeinen ist es bei dicken, massiven Blättern nach außen kleinzelliger, enger u. mehr Chlorophyll führend, nach innen großzelliger, lockerer u. mit wässerigem Dunste erfüllt. Man findet im Parenchym Spiralfaserzelen stark verdickte poröse Zellen u. Zellen mit besonderen Saften u. Krystallen, auch durchziehen dasselbe Milchsaft-, Gummi-, Öl- u. Harz-, bes. aber Luftkanäle u. Luftlücken, so wie Bastbündel. Die äußersten Zellen beider Blattflächen bilden allmälig die Oberhaut (Epidermis), die meist aus sehr flachen tafelförmigen Zellen besteht. Die flachen, horizontalen Blätter haben in der Regel in der Oberhaut der unteren Fläche Spaltöffnungen (Stoma, Mehrzahl Stomata), welche die Mündungen der Luftkanäle bilden. Schwimmende Blätter haben dieselben jedoch in der Oberhaut der oberen Fläche, Diese Spaltöffnungen sind von zwei halbmondförmigen, mit concaven Seiten sich zugekehrten Parenchymzellen umgeben, die je nach ihrer Ausdehnung eine größere od. kleinere Spalte zwischen sich lassen, die eben diese Spaltöffnung ist.
V. Die Functionen der Blätter sind verschieden. a) Eine der einflußreichsten Functionen der Pflanze ist die Abgabe des Wassers an die Luft durch Verdunstung (Transspiration) u. zwar sowohl in Bezug auf den Vorgang der Aufnahme der Nahrungsflüssigkeit, als auf die Bildung derselben zu Pflanzenstoffen. Von ihr hängt das Gedeihen der Pflanzen ganz vorzüglich ab; denn die große Menge Wassers, welche die Pflanze wegen der geringen Löslichkeit verschiedener, ihr nothwendiger Substanzen bedarf, würde durch die Anhäufung in ihrem Innern mehr hinderlich als förderlich sein, wenn sie dieselben nicht wieder auf eine leichte u. unmerkliche Weise abgeben könnte. Der größte Theil des durch die Wurzel aufgenommenen Wassers wird daher aus der Pflanze wieder entfernt, u. alle oberflächlichen Theile, bes. aber die flächenförmig ausgebreiteten Blätter, eignen sich ganz vorzüglich zu dieser Function, das Wasser in Form von Dampf auszuscheiden. Bei den Blättern erfolgt übrigens die Transspiration auch da, wo sich keine Spaltöffnungen finden, wenn auch in geringerem Grade, dagegen haben sorgfältig ausgeführte Versuche gezeigt, daß die Pflanzen selbst bei erhöhten Bedürfnissen durch ihre Laubblätter durchaus kein Wasser aus der Atmosphäre aufnehmen u. eher zu Grunde gehen, wenn ihnen dieses nicht auf andere Weise zugeführt wird. Eine zweite wichtige Function der Blätter ist b) die Aufnahme der Bestandtheile der Luft, so wie die Abgabe gasförmiger Verbindungen. Die Assimilation der Kohlensäure der atmosphärischen Luft durch die grünen Pflanzentheile u. bes. durch die Blätter ist längst entschieden; doch ist man darüber noch nicht einig, ob jene Assimilation sich blos auf die durch diese Theile aufgenommene Kohlensäure beschränkt, od. ob auch hieran die durch die Wurzel den Blättern zugeführte Kohlensäure Theil nimmt; doch ist letzteres wohl anzunehmen,[857] da die Menge der in der Luft vorhandenen Kohlensäure so klein ist, daß die oft in kurzer Zeit sehr zunehmende Pflanzensubstanz unmöglich von dieser kleinen Quantität abgeleitet werden kann. Durch die Versuche Theodore's Saussure u. Grischows ist es ferner außer Zweifel gestellt, daß die grünen Pflanzentheile im Schattenlichte Sauerstoff aus der sie umgebenden Luft aufnehmen u. dafür eine geringere Menge Kohlensäure an dieselben abgeben. Ist man nun aber über das Verhältniß der Kohlensäure u. des Sauerstoffs der Luft zu den grünen Pflanzentheilen auch so ziemlich einig, so ist dies in Hinsicht des Ammoniaks u. des Stickstoffs doch noch nicht der Fall. Man weiß noch nicht, ob die Pflanzen sich nur des ersteren od. beider Bestandtheile der Luft bemächtigen können, auch nicht, welches die Organe dieser Assimilation sind. Nach Boussingaults letzten Versuchen (1854) bestätigt es sich, daß keineswegs der Stickstoff der atmosphärischen Luft auf directe Weise von den Pflanzen aufgenommen u. assimilirt wird. Unter den gasförmigen Ausscheidungen der blattartigen u. grünen Theile überhaupt ist die unter Einwirkung des directen Sonnenlichts erfolgende Entbindung einer sauerstoffreichen Luft die auffallendste u. wichtigste. Im Wasser untergetauchte, grüne Pflanzentheile, getrennt oder in Verbindung mit der Pflanze zeigen eine Entwickelung von Luftblasen an ihrer Oberfläche u. bei Verletzung der Luftbehälter ein Entströmen derselben aus diesen Organen. Mit der flüssigen Nahrung, welche die Wurzeln aufnehmen, kommt eine große Menge dem Wasser beigemischter sauerstoffreicher Luft in das Innere der Pflanze. Indem sie sich nun von dieser Luft befreit, gibt sie die erste Veranlassung zur Bildung von luftführenden Räumen, u. die auf gleiche Weise in der äußersten Zellgewebsschicht entstandenen Spaltöffnungen setzen die ausgeschiedene Luft mit der Atmosphäre in Verbindung. Anders ist es bei Einwirkung des directen Sonnenlichts; hier wird alle Kohlensäure in der Umgebung der grünen Pflanzentheile begierig aufgenommen u. zersetzt, der Kohlenstoff od. das Kohlenoxydgas desselben assimilirt, der Sauerstoff hingegen ausgeschieden, u. mit der durch die Wurzeln u. Spaltöffnungen aufgenommenen atmosphärischen Luft zugleich ausgeleert, die unter diesen Umständen vorzüglich reich an Sauerstoff sein muß. Vergl. F. Unger, Anatomie u. Physiologie der Pflanzen, Pesth, 1855.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.