Cabinetsjustiz

Cabinetsjustiz

Cabinetsjustiz, die Ausübung der Gerichtsbarkeit von der Person des Regenten; wenn z.B. processualische Handlungen od. richterliche Entscheidungen eines einzelnen bestimmten Rechtsstreites vom Fürsten nach anderen Regeln gegeben werden, als nach denen, die in den allgemeinen Gesetzen enthalten sind. Die Ungültigkeit u. Verwerflichkeit einer solchen C. ist in Deutschland von jeher anerkannt u. insbesondere in den neueren Verfassungsurkunden überall ausdrücklich ausgesprochen, während im Römischen Rechte bestimmte Grundsätze hierüber deshalb nicht zu suchen sind, weil den römischen Imperatoren nach der damaligen Staatsverfassung selbst richterliche Functionen zukamen. Der Grund, aus welchem nach deutscher Verfassung C. nicht Statt finden darf, liegt in dem Jus quaesitum der Parteien, Rechtsgleichheit vor Gericht zu genießen, in der Besorgniß einer parteiischen Cabinetsadministration u. in der Unvereinbarkeit der Herrscher- mit der richterlichen Gewalt. Dennoch werden oft gute Fürsten verleitet, in einzelnen Fällen, wo sie meinen, Recht u. Gerechtigkeit zu handhaben, die C. vorwalten zu lassen, wie z.B. Friedrich d. Gr. in der Sache des Müllers Arnold. Dagegen wird von Gegnern der Regierungen oft vieles für C. ausgegeben, was es nicht ist. Keine C. ist es, wenn der Landesherr nur sein Oberaufsichtsrecht übt, welches ihm jedenfalls auch erlaubt, die Richter zu einer unparteiischen u. prompten Rechtspflege anzuhalten; nur in die Rechtssprüche, sowie in den Proceßgang selbst ist es ihm nicht verstattet einzugreifen. Ebensowenig enthält die Ausübung des landesherrlichen Begnadigungs- u. Abolitionsrechtes einen Act der C. Sollte einmal nichtsdestoweniger ein Act der C. sich ereignen, so hat der Richter selbst die Pflicht, dagegen mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln anzufechten. Er hat daher vor Allem gegen die Ausführung zu remonstriren, im äußersten Falle aber zwar zu gehorchen, dann aber den Befehl nicht als Urtheil, sondern so zu verkünden, wie er ihm zugegangen ist. Den Parteien sind durch Anklage der Minister für den Umfang des Deutschen Bundes auch durch eine Beschwerde bei dem Bundestage die Mittel gegeben, sich gegen C. zu sichern.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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