- Bentinckscher Erbfolgestreit
Bentinckscher Erbfolgestreit. Anton Günther, Graf zu Aldenburg u. Delmenhorst, Herr zu Jever u. Kniphausen, hatte von Elisabeth von Ungnad einen natürlichen Sohn, Anton, geb. 1638, u. da Graf Anton Günther keine ehelichen Nachkommen hatte, so erwirkte er vom Kaiser durch Urkunde vom 16. März 1646 die Erhebung Antons unter Beilegung des väterlichen Familiennamens von Aldenburg u. Wappens in den Adel- u. am 28. Febr. 1651 in den Reichsfreiherrnstand, als Freiherr von Aldenburg, Edler Herr von Varel; den 15. Juli 1633 erhielt Anton auch noch die Reichsgrafen würde u. zwar so, daß dem neubegründeten Grafengeschlechte die persönliche u. dingliche Qualification zur Reichsstandschaft ertheilt wurde; daß alle seine ehelichen Leibeserben u. deren Erbeserben, so in rechter Ehe von ihm erzeugt sein möchten, in Stand, Ehren u. Würden der Reichsgrafen eintreten, u. daß er die Befugniß haben sollte, sich einem der 3 Grafencollegien zu associiren, dabei zu sitzen u. zu votiren. Die Grafschaft od. sonstige unmittelbare Herrschaft, welche Anton erwerben würde, wurde im Voraus zur unmittelbaren freigehörigen Grafschaft erhoben. Zugleich sollte in dem erhöhten Aldenburgischen Hause u. bei der Succession in deren Besitzungen das Jus primogeniturae Statt finden. Demjenigen Nachkommen aber, welcher keine ehelichen männlichen Nachkommen hinterlassen würde, wurde freigegeben, selbst wenn mehrere[574] Töchter vorhanden wären, einen von dem eigenen Geschlechte od. einen andern zu adoptiren u. ihm Besitzungen, Stand u. Namen der Familie zuzuwenden. Nachdem Anton Günther so die Erhebung Antons bewirkt, suchte er ihn auch mit unmittelbaren Gütern u. Herrschaften standesgemäß auszustatten. Er hatte durch den sogenannten Rendsburger Erbvergleich vom 10. April 1649 in Bezug auf das Amt Varel von dem König von Dänemark u. Herzog von Holstein-Gottorp, als seinem Lehnsherrn, die Befugniß erworben, über dasselbe, vorbehältlich der Territorialsuperiorität, wie über ein volles Eigenthum so zu verfügen, daß er es einem der Seinigen, dem er es gönnen würde, zuwenden od. nach Intestaterbfolge hinterlassen dürfte. Jetzt brachte es Anton Günther dahin, daß Dänemark u. Holstein auch durch Urkunde vom 8. Sept. 1654 der vorbehaltenen Territorialsuperiorität über Varel entsagten. Eine andere Besitzung Anton Günthers, die Herrschaft Jever nebst Kniphausen, war früher, nachdem er sich zuvor von seinem Lehnherrn, dem Könige von Spanien als Herzog von Brabant, die Befugniß erworben hatte, über dieselbe frei zu verfügen, seiner Schwester Magdalena, Witwe des Fürsten Rudolf von Anhalt-Zerbst, zugewendet worden. Auch in Betreff der Herrschaft Kniphausen bewirkte Anton Günther, daß die Legitimation des nunmehrigen Reichsgrafen Anton von Aldenburg auch für das Herzogthum Brabant als wirksam anerkannt u. die Befugniß, über die Brabantschen Lehngüter frei zu verfügen, zum Besten des Grafen Anton anerkannt würde. Die Fürstin Magdalena u. deren Sohn, Fürst Johann von Anhalt-Zerbst, wurden durch einen Vergleich vom 16. März 1657 dahin abgefunden, daß von Zerbstischer Seite das Successionsrecht u. alle Hoheit an der Herrschaft Kniphausen aufgegeben u. auf Graf Anton übertragen ward, wogegen allerdings nach Abgang der Aldenburgischen Leibeserben u. Erbeserben männlichen u. weiblichen Geschlechtes die genannte Herrschaft dem Fürsten Johann von Zerbst u. dessen ehelicher Descendenz wieder zufallen sollte. Am 13. März 1667 starb Anton Günther, u. sein Sohn Anton I. nahm nun Besitz von Varel u. Kniphausen. Allein schon diesem wurden die Rechte an der Erbschaft deshalb bestritten, weil Holstein-Plön, die zweite Holsteinische Linie, zu dem Vertrage, welchen sein Vater mit Dänemark u. Holstein-Gottorp geschlossen hatte (s. oben), nicht zugezogen worden war u. nicht beigestimmt hatte. Die Streitigkeiten dauerten fort, als Anton den 27. Octbr. 1680 starb. Zwischen den Vormündern des ihm folgenden unmündigen Anton II. u. dem König Christian, auf welchen inzwischen die von Holstein-Plön prätendirten Ansprüche übergegangen waren, kam es aber zu einem Vergleich (Aldenburgischen Tractat), welchen Anton II. auch nach erlangter Großjährigkeit 1706 bestätigte. Nach diesem Tractate mußte er unter andern auf die Reichsunmittelbarkeit des Amtes Varel verzichten u. namentlich die geistliche u. weltliche Superiorität des Grafen von Oldenburg anerkennen. Dagegen wurde ihm die Herrschaft Kniphausen in der nämlichen Weise, wie sie sein Vater Anton I. besessen hatte, mit allen Rechten u. Pertinenzien zugesichert. Mit Anton II. st. 1733 das männliche Geschlecht der Grafen von Aldenburg wieder aus, der Graf hinterließ nur eine Tochter, Charlotte Sophie, welche seit 1733 mit dem Grafen Wilhelm von Bentinck (s.d. 9) vermählt war. Nach den Familienstatuten u. dem Testamente ihres Vaters succedirte Charlotte Sophie in Land u. Leuten, Herrschaften u. Unterthanen, u. hatte die Nachfolge nach dem Primogeniturrecht auf die aus jener Ehe stammenden Nachkommen zu übertragen. 1734 trat sie auch die Herrschaften Varel u. Kniphausen, neben allen ihren andern in Deutschland gelegenen Besitzungen, an ihre beiden Söhne Christian Friedrich Anton (s. Bentinck 11) u. Johann Albert (geb. 1737 u. gest. 1775), Reichsgrafen von Bentinck ab, so jedoch, daß ihr Vater bis zu ihrer Volljährigkeit die Besitzungen regieren u. verwalten sollte. Graf Christian Friedrich Anton wurde 1759 majorenn u. trat am 15. Aug. die Regierung an. Bei seinem Tode 1768 hinterließ er 5 Kinder, von denen jedoch 3 ohne Descendenten verstarben, die beiden andern waren: Wilhelm Gustav Friedrich u. Johann Karl (s. Bentinck 12) u. 16). Von diesen succedirte der Ältere, anfangs unter Vormundschaft, den 24. Juli 1787 übernahm er die Regierung selbst. Von seiner ersten Gemahlin, Ottoline Friederike Louise, geb. von Reede, hatte er 2 Töchter u. 1 Sohn, Wilhelm Anton (geb. den 8. Oct. 1798, st. 1613); nach dem Tode seiner Gemahlin (st. 1799) zeugte der Graf noch mit der Sara Margaretha Gerdes, welche seit Mitte 1799 auf dem Schlosse zu Varel als Hofjungfer lebte, 3 Söhne: Wilhelm Friedrich (geb. 9. Juli 1801), Gustav Adolf (geb. 21. November 1809) u. Friedrich Anton (geb. 3. August 1612). In Folge eines Zerwürfnisses zwischen dem Grafen Wilhelm Gustav Friedrich u. seinem Bruder, Johann Karl, ließ sich Erstrer mit der Gerdes am 8. Sept. 1616 in der Kirche zu Accum trauen u. erklärte in einem, 1818 errichteten Testamente seine 3, mit seiner jetzigen Frau Sara geb. Gerdes, aus einer, bereits seit August des Jahres 1800 mit derselben bestandenen Gewissensehe hervorgegangenen, nun aber durch die nachfolgende Ehe überall mit den Rechten ehelicher Kinder versehenen Söhne zu seinen Erben, von denen jedoch nur der älteste, Wilhelm Friedrich, nach den Anordnungen des Stifters der Aldenburgischen Fideicommißgüter, als Erstgeborener zu succediren habe.
Unterdessen hatten sich jedoch in dem Besitze dieser Güter selbst wesentliche Veränderungen zugetragen. Durch den Frieden von Campo Formio (17. Oct. 1797) waren die Österreichischen Niederlande u. mit ihnen Brabant an die französische Republik gekommen, u. so der frühere Lehnnexus, welcher Kniphausen mit Brabant verbunden hatte, aufgehoben. Als aber 1806 die Auflösung des Deutschen Reiches erfolgte, erlangte die Herrschaft die volle Souveränetät. Nachdem König Ludwig von Holland Oldenburg u. die oldenburgischen Besitzungen militärisch besetzt hatte, übergab Napoleon durch den Vertrag von Fontainebleau (11. Novbr. 1807) seinem Bruder die Souveränetätsrechte über Kniphausen u. Barel so, daß der Graf Bentinck in das Verhältniß eines Mediatisirten treten sollte, u. durch das Senatus consulte organique vom 13. Dec. 1810 wurde Varel u. Kniphausen mit Holland u. Oldenburg dem französischen Kaiserreiche gänzlich einverleibt, Um seine Besitzungen nicht[575] ganz zu verlassen, übernahm Graf Wilhelm Gustav Friedrich das Amt eines Maires von Varel; da aber die Heere der Alliirten in Norddeutschland wieder vorrückten, u. die Franzosen Oldenburg verlassen hatten, erklärte er durch ein Patent vom 20. März 1613, daß er die Regierung über Varel wieder übernehme. Der Graf hatte jedoch diesen Schritt zu früh für sein eigenes Interesse gethan, er gerieth in französische Gefangenschaft, wurde durch ein von einer Specialcommission zu Wesel am 3. Mai 1813 gesprochenes Urtheil zur Landesverweisung u. Confiscation aller seiner Güter verurheilt, nach Paris geführt u. dort erst nach dem Einzug der Alliirten im April 1814 wieder in Freiheit gesetzt. Mittlerweile war Oldenburg von russischen Truppen besetzt worden u. der Herzog von Oldenburg in seine Residenz wieder zurückgekehrt. Der Graf von Bentinck hatte darauf auch Ende Oct. durch einen Bevollmächtigten wieder Besitz von Varel u. Kniphausen zu ergreifen gesucht, allein der russische General von Winzingerode besetzte dessenungeachtet Kniphausen im Namen seines Kaisers, mit der Erklärung, daß die Herrschaft mit Jever, wie bisher, einverleibt bleiben solle. Schritte u. Anträge, welche der Graf darauf bei dem Wiener Congreß that, um die Wiedereinsetzung in seine früheren Rechte zu erlangen, blieben eben so erfolglos. Erst in Folge des Congresses von Aachen im I. 1818 kam es unter Vermittelung Rußlands, Preußens u. Österreichs, zwischen dem Herzog von Oldenburg u. dem Grafen von Bentinck, unter dem 8. Juni 1825 zu dem sogenannten Berliner Abkommen, dessen Garantie der Deutsche Bund übernahm. Der Graf erlangte dadurch zwar nicht eine volle Souveränetät der Herrschaft Kniphausen, aber doch den Besitz u. Genuß der Landeshoheit u. der persönlichen Rechte u. Vorzüge wieder, welche ihm vor Auflösung des Deutschen Reiches zugestanden hatten. Dagegen erklärte er sich zufrieden, daß die Hoheit über Kniphausen, ihn selbst u. seine Familie, als Besitzer der Herrschaft, von dem Großherzog von Oldenburg so ausgeübt werde, wie solche ehedem bei Kaiser u. Reich gewesen sei, wogegen derselbe aber auch für sich u. seine Nachfolger die Pflichten zu übernehmen habe, welche mit der Reichshoheit verbunden waren. In Folge dieses Abkommens wurde der Graf in Kniphausen wieder eingesetzt; aber die ihm in Bezug auf die Herrschaft Varel zustehenden Hoheitsrechte wurden ihm erst durch eine Großherzogliche Verordnung vom Jan. 1830 restituirt.
Noch ehe es jedoch so weit kam, entspann sich der Streit zwischen dem Grafen Wilhelm Gustav Friedrich u. seinem Bruder Johann Karl (s. Bentinck 16) von Bentinck, als nächstem Agnaten u. demnach, wenn von jenem 3 Gerdesschen Kindern abgesehen würde, erstberechtigtem Anwarte auf die mit dem Tode Wilhelm Gustav Friedrichs erledigten Güter. Dem Grafen Johann Karl war weder von der Gewissensehe, noch von der 1816 in ordnungsmäßiger Weise eingegangenen Ehe (s. ob.) Kenntniß gegeben worden. Dennoch war Johann Karl immer beflissen gewesen, überall, wo er ahnen konnte, daß Etwas zum Nachtheil seiner Anrechte geschehe, stets seine u. der Seinigen agnatischen u. anwartschaftlichen Rechte zu sichern. Zu bestimmteren Schritten sah sich aber der Graf Johann Karl veranlaßt, als sein Bruder den 1. Sept. 1827 eine öffentliche Bekanntmachung erließ, daß er den Besitz der reichsgräflich Aldenburg-bentinckschen Familienfideicommißherrschaften u. Güter auf seinen ältesten Sohn, den Erbreichsgrafen Wilhelm Friedrich von Bentinck, übertragen u. denselben zum Mitregenten angenommen habe. Johann Karl erhob hiergegen als nächster Agnat nicht blos eine Protestation bei der Großherzoglichen Regierung zu Oldenburg, sondern übergab auch am 9. Mai 1828 eine auf Wahrung seiner Rechte abzweckende Erklärung bei der Deutschen Bundesversammlung, welche das Berliner Abkommen auch nur mit dem ausdrücklichen Vorbehalte, daß dadurch dem Rechte eines Dritten nicht vorgegriffen werde, bestätigt hatte. Die Bundesversammlung erklärte sich jedoch in dieser Sache für incompetent. Gegen diese Schritte des Grafen Johann Karl erhob sein Bruder Graf Wilhelm Gustav Friedrich wegen dieser Ansprüche eine Provocation zur Klage, welche darauf auch von dem Provocaten bei dem Oberappellationsgerichte in Oldenburg eingereicht wurde. In derselben stellte Johann Karl das Gesuch, dem Wilhelm Friedrich Bentinck u. resp. dessen Brüdern sowohl die vermeintlich zustehenden u. eingeräumten Successions- u. Besitzgerechtsame, als Titel, Rang u. Würde der Familie abzuerkennen u. die fragliche Besitzeseinräumung für recht- u. wirkungslos zu erklären. Die Klage stützte sich hierbei auf den Mangel der Successionsfähigkeit u. Ebenbürtigkeit der mit Sara Gerdes erzeugten Söhne. Dagegen wurde von Seiten der Beklagten auszuführen versucht, wie zunächst die Successionsfähigkeit u. Ebenbürtigkeit der Söhne durch ihre Abstammung aus einer Gewissensehe vorhanden sei, daß aber weiterhin durch die unter der französischen Herrschaft bewirkte Aufhebung de Fideicommißeigenschaft des Aldenburgischen Familiengutes u. durch die Vernichtung des Adelstandes des Besitzers die Nothwendigkeit einer ebenbürtigen Ehe weggefallen sei; eventuell sollte aber die Successionsfähigkeit der Kinder aus ihrer Eigenschaft als sogenannte Brautkinder, als Kinder aus einer vermeinten Ehe od. als Mantelkinder deducirt werden. Während dieser Proceß über den Besitz noch schwebte, ging im März 1833 der ältere, zum Mitregenten angenommene Sohn, Wilhelm Friedrich, nach Amerika, indem er seinem Successionsrechte zu Gunsten seines nächstgeborenen Bruders Gustav Adolf (s. Bentinck 14) entsagte. Dieser erhielt hierauf vom Vater am 23. Mai 1834 den Besitz u. die Mitregentschaft in derselben Weise übertragen, wie 1827 der älteste Sohn. Am 1. Dec. 1833 starb der Graf Johann Karl, der damalige Kläger, u. am 22. Oct. 1835 auch sein Bruder. Wilhelm Gustav Friedrich. Die Rollen der streitenden Parteien änderten sich dadurch in soweit, daß an Stelle des bisher klagend aufgetretenen Grafen Johann Karl seine 3 Söhne (s. Bentinck 17)_– 19) eintraten. Von diesen hatte der älteste, Wilhelm Friedrich Christian, geb. den 15. Nov. 1787, schon 1830 sich durch eine eigene Protestation gegen alle nachtheiligen Folgen verwahrt, welche aus dem Processe des Vaters entstehen könnten. Der angefangene Proceß wurde deshalb auch nicht von ihm fortgesetzt. Durch einen oldenburgischen Cabinetsbescheid wurde zwar den Kindern der Sara Gerdes die ausdrückliche Anerkennung des Adelstandes u. gräflichen Titels, weil die Erwerbung[576] des Adelstandes durch die Legitimation zweifelhaft sei, verweigert, jedoch der einstweilige Gebrauch des Grafentitels zugestanden. Die oldenburgische Regierung ließ sich sogar durch die Anzeige, daß der Graf Gustav Adolf Bentinck sich im factischen Besitze des Fideicommisses befinde, bestimmen, in vorkommenden Fällen bis auf Weiteres mit ihm zu communiciren, jedoch immer freilich unter dem Vorbehalte, daß dadurch den Rechten Dritter nicht präjudicirt werde. Dem Grafen Wilhelm Friedrich Christian wurde dagegen von der Regierung die nachgesuchte Anerkennung als rechtmäßiger Nachfolger verweigert, auch ein anderes Gesuch um Herstellung eines angemessenen provisorischen Zustandes zurückgewiesen, weil die Entscheidung über die Zulässigkeit u. Rechtmäßigkeit des bestehenden Besitzes lediglich dem competenten Gericht überlassen bleiben sollte. Der Graf Wilhelm Friedrich Christian sah sich dadurch nun veranlaßt, am 18. Juni 1836 eine neue Imploration bei dem Oberappellationsgericht zu Oldenburg einzureichen, wonach er Einräumung des Besitzes, eventuel wenigstens des Mitbesitzes od. Sequestration der Güter verlangte.
Die Verhandlungen dieses Processes waren bereits bis zum Inrotulationstermin gediehen, als ein Zwischenvorfall der Sache wieder eine neue Wendung gab: von Seiten der klägerischen Partei wurde der Versuch gemacht, sich in den Besitz der Burg Kniphausen zu setzen. Es kamen nämlich die beiden jüngeren Brüder des Imploranten, die Grafen Karl Anton Ferdinand u. Heinrich am 16. October 1836 mit etwa 25 Mann vor die Burg u. versuchten auf Leitern in das Innere zu gelangen. Sie wurden jedoch an der Ausführung des Unternehmens durch die im Schlosse befindlichen Beamten gehindert, u. ebenso mißlang ein ähnlicher Versuch, welcher 2 Tage später zu Sangwarden gemacht wurde. Die Beklagten leiteten aus diesen Thatsachen, welche einen Landfriedensbruch u. eine unerlaubte Selbsthülfe enthielten, neue Einreden ab, beantragten Wiederaufhebung des Inrotulationstermines u. behaupteten sogar den gänzlichen Verlust alles Rechtes in dem Successionsstreite als Strafe der unerlaubten Selbsthülfe. Von diesen wurde der Inrotulationstermin auch wirklich wieder aufgehoben, auch dem Kläger durch unbedingtes Mandat aufgegeben, sich aller ferneren Besitzesstörungen zu enthalten. Der Besitzstreit selbst erhielt sein Ende durch einen provisorischen Vergleich vom 28. März 1838 zwischen den beiden streitenden Theilen, daß der Kläger, während der Dauer des Streites, bis zum rechtskräftigen Erkenntniß auf alle possessorischen Rechtsmittel verzichtete, daß beide Theile bis zum Endurtheil ohne Verpflichtung der Wiedererstattung eine gewisse Rente ziehen u. der dann noch bleibende Überschuß der Einnahmen gerichtlich deponirt werden solle. In der Hauptsache selbst war indeß von dem Grafen Wilhelm Friedrich Christian schon unter dem 20. April 1837 die Klage bei dem Oberappellationsgericht zu Oldenburg eingereicht worden. Nachdem auf dieselbe von beiden Parteien Proceßschriften gewechselt worden waren, wurde 1842 darauf auch von der Juristenfacultät zu Jena ein erstes Erkenntniß gefällt (veröffentlicht durch Professor Dieck, Leipz. 1843). Nach diesem Erkenntniß wurden die sämmtlichen Klaganträge des Klägers auf Herausgabe der Aldenburgischen Fideicommißgüter, auf Untersagung der Führung des väterlichen Namens, Titels u. Wappens, so wie auf Ungültigkeitserklärung der, von dem Beklagten auf den Fideicommißgütern vorgenommenen Handlungen als unstatthaft verworfen, weil die Familie Bentinck, wegen der ihr bis dahin fehlenden Anerkennung des Deutschen Bundes, als zum hohen Adel nicht gehörig anzusehen u. deshalb die Ehe des Grafen Wilhelm Gustav Friedrich Bentinck mit Sara Gerdes eine unebenbürtige gewesen sei. Graf Wilhelm Fr. Christ. (der Kläger) u. seine jüngeren Brüder wiesen darauf ihren hohen Adel bei dem Deutschen Bunde nach u. erwirkten einen Bundesbeschluß vom 12. Juni 1845, durch welchen die Anerkennung des hohen Adels der Familie Bentinck ausgesprochen wurde. Hiermit schien die Unebenbürtigkeit u. Nichtberechtigung des factischen Besitzes erwiesen, u. die jüngeren Brüder, welche sich bei dem Processe bis dahin nicht betheiligt hatten, erlangten in Folge dessen 1847 von dem Deutschen Bunde, welcher der Familie den Besitz von Kniphausen garantirt hatte, die Wiederherstellung einer rechtmäßigen Regierung daselbst. Diesem Gesuche wurde 1848, nach Wegfall der Bundesversammlung, durch die an die Stelle derselben getretene Provisorische Centralgewalt in der Weise gewillfahrt, daß die gesammte Gerdessche Descendenz von ihr als der Familienrechte des Hauses Bentinck untheilhaftig u. daher als unfähig zur Erbfolge u. Regierung in der Herrschaft Kniphausen erklärt, die oldenburgische Regierung aber ersucht wurde, in Gemäßheit dieses Beschlusses das Geeignete zur Herstellung der rechtmäßigen Regierung zu veranlassen. Diese Beschlüsse der Bundesversammlung u. Provisorischen Centralgewalt (der letztere vom 8. Nov. 1849) wurden jedoch wieder von der anderen Seite als eine unzulässige Cabinetsjustiz bezeichnet u. deshalb in ihrer rechtlichen Kraft angefochten. Nach dem Rücktritt der Centralgewalt that die Bundescentralcommission im April 1850 einen Ausspruch dahin gehend, daß es den Cabineten von Wien u. Berlin überlassen bleiben sollte zu entscheiden, ob der Beschluß der provisorischen Centralgewalt ausgeführt od. ob die Commission von Neuem die Prüfung dieses Streites vornehmen sollte. Nach der Auflösung der Bundescentralcommission im Mai 1850 wandten sich die Kläger zunächst au die österreichische u. preußische Regierung, um von diesen als Garanten des Berliner Abkommens, die Vollziehung der letzten Beschlüsse der Bundesversammlung u. der Provisorischen Centralgewalt zu erlangen. Beide Regierungen kamen auch diesem an sie gerichteten Verlangen hierauf in der Weise nach, daß sie den Großherzog von Oldenburg als Inhaber der Hoheitsrechte über Kniphausen ersuchten, wegen Einleitung von Vergleichsverhandlungen mit dem factischen Besitzer das Angemessene anzuordnen. Zu diesem Zwecke wurde von Seiten der Großherzoglich oldenburgischen Regierung die bereits früher zur Wahrung der Hoheitsrechte über Kniphausen niedergesetzte Commission beauftragt, mit dem factischen Besitzer in Unterhandlung zu treten. Allein diese Unterhandlungen führten zu keinem Ziele. Als daher inzwischen die Erneuerung des Bundestages erfolgt war, so wendeten sich die Kläger von Neuem an diesen mit der Bitte, das[577] Geeignete zur Herstellung der rechtmäßigen Regierung in der Herrschaft Kniphausen zu veranlassen. Indeß wurde die Berechtigung des Beschlusses der Provisorischen Centralgewalt von mehreren Seiten wiederholt angegriffen u. selbst die Tragweite des früheren Bundesbeschlusses vom 12. Juni 1845 in Frage gestellt. Auch suchte die oldenburgische Regierung darzulegen, daß beide Beschlüsse dem weiteren Gange des Rechtes nicht hätten vorgreifen sollen u. können, u. weigerte sich anfänglich, auf einen von Seiten der Kläger weiter gestellten Antrag den bis dahin zwar für Kniphausen, nicht aber für das Großherzogthum Oldenburg publicirten Bundesbeschluß nachträglich zur Publication zu bringen. Durch einen neuen Beschluß vom 12. Mai 1853 vereinigte sich jedoch die Bundesversammlung dahin, daß der frühere Beschluß vom 12. Juni 1845 nunmehr auch in allen deutschen Bundesstaaten als Landesgesetz bekannt gemacht werden solle, u. nachdem in Folge dessen auch in Oldenburg die Publication erfolgt war, kamen endlich unter Mitwirkung der Höfe von Wien u. Berlin unterm 13. April u. 30. Juni 1854 mehrere Verträge zu Stande, welche dem weiteren Fortgange des Streites ein Ziel setzten. Laut diesem Vertrage ist das ganze Object des Streites mit allen Hoheits- u. Patrimonialrechten von beiden streitenden Theilen an die Großherzoglich oldenburgische Regierung abgetreten worden, so daß dieser nunmehr das völlig freie Eigenthum davon zusteht u. sämmtliche Herrschaften mit dem Großherzogthum Oldenburg als vollständig vereinigt zu betrachten sind. Zur Abfindung machte sich zunächst die oldenburgische Regierung den Klägern, dem Grafen Wilhelm Friedrich Christian u. seinen Brüdern, gegenüber, verbindlich, daß außer einer Baarzahlung von 200,000 Thlrn. Gold die Fideicommißqualität des bisherigen gräflich Aldenburgischen Fideicommisses auf einen mit der Standesherrlichkeit im Sinne des Art. 14 der Bundesacte beliehenen Complex von Liegenschaften in einem deutschen Staate übertragen werde, welcher dem Werthe von 1,100,000 Thlrn. Gold gleich kommt. Bis diese Liegenschaften erworben wären, sollte die nur gedachte Summe als ein unaufkündbar auf das Großherzogthum Oldenburg radicirter Fideicommißstamm mit jährlich 31/2 Procent verzinst u. zu mehrerer Sicherheit auch eine Specialhypothek an mehreren bisher zum Fideicommiß gehörigen Vorwerken u. Holzungenbestellt werden. Dieses so bestimmte Abfindungsobject erhielt die klägerische Linie zu stiftungsmäßigem Besitze, unter Aufrechterhaltung aller fideicommissarischen Erbfolge- u. Heimfallsrechte, eingeräumt. Dem Beklagten, Gustav Adolf von Bentinck, u. dessen jüngerem Bruder, Friedrich Anton, dagegen wurde eine Summe von 500,000 Thlrn. Gold zu freier Verfügung, der Mutter des Beklagten ein Witthum von jährlich 2000 Thlrn. Gold nebst der lebenslänglichen Benutzung des Schlosses zu Varel (wo sie 1856 starb) gewährt. Dem älteren Bruder, Graf Wilhelm Friedrich (seit 1. März 1833 in Amerika), u. dessen Kindern endlich wurde noch eine bis zum Tode des Grafen zahlbare jährliche Rente von zusammen 3750 Thalern Gold u. für den Todesfall des Grafen eine dann an Stelle der Renten tretende Capitalsumme von 100,000 Thlrn. Gold zugesichert. Als Zeitpunkt des Überganges des Fideicommisses an die Großherzogliche Regierung wurde der 1. Jan. 1854 bestimmt u. durch ein Patent vom 1. Aug. 1854 die Wiedervereinigung mit Oldenburg feierlich ausgesprochen. Am 8. Juni 1855 starb der Graf Wilhelm Friedrich Christian im Haag, u. sein Bruder u. Nachfolger im Fideicommiß, der Graf Karl Anton Ferdinand (s. Bentinck 18), welcher Anfangs einen Versuch machte, der Ausführung der Verträge Hindernisse zu bereiten, gab im August d. J. jenen Versuch auf u. bequemte sich zur Annahme des Vergleiches.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.