- Niŏbe
Niŏbe, 1) Tochter des Phoroneus, die erste Sterbliche, welche von Zeus umarmt wurde. Sie gebar ihm den Argos u. Pelasgos. 2) Tochter des Tantalos u. der Pleiade Taygete od. der Hyade Dione, Schwester des Pelops u. Gemahlin Amphions, welchem sie sieben Söhne: Sipylos, Minytos, Ismenos, Damasichthon, Agenor, Phädimos, Tantalos, u. sieben Töchter: Ethodåa (Neära), Kleodoxe, Astyoche, Phthia, Pelopia, Astykratia u. Ogygia gebar. Nach Hesiod gebar sie 10 Söhne u. 10 Töchter, nach Homer sechs Söhne u. sechs Töchter, nach Herodot zwei Söhne u. drei Töchter. Amphion u. sein Bruder Zethos herrschten gemeinschaftlich über Theben. Der Stolz der N. über ihre zahlreichen Kinder reizte die Gemahlin des Zethos zur Eifersucht, u. diese beschloß, eins von den Kindern der N. zu tödten, mordete aber aus Versehen ihr eigenes, Itylos, weshalb sie in eine Nachtigall (s. Aëdon) verwandelt wurde. Der Stolz der N. stieg nun noch mehr, u. sie verbot sogar, der Leto Opfer zu bringen, weil diese Mutter nur zweier Kinder sei (Apollon u. Artemis). Leto forderte nun ihre Kinder zur Rache auf, u. diese erlegten die Kinder der N. mit Pfeilen; neun Tage lang lagen sie im Blute, denn Zeus versteinerte jeden, welcher sie sah; am 10. Tage begruben sie die Götter. N., voll Schmerz u. Verzweiflung umherirrend, wurde zuletzt in einen Stein verwandelt, welchen man am Gebirge Sipylon (zwischen Lydien u. Magnesia) zeigte. Amphion u. Zethos brachen wüthend in Apollons Heiligthum, wurden aber am Altare des Gottes durch dessen Pfeile erlegt. Andere erzählen: Amphion stürzte sich in sein Schwert, N. verließ Theben u. wurde, nach Phrygien zurückgekehrt, auf ihr Bitten von Zeus in einen Stein verwandelt, welcher immer Thränen vergoß; Parthenios erzählt: N., Tochter Assaons u. Gemahlin des Philottos, zog sich die Rache der Leto zu, weil sie behauptete, schönere Kinder zu haben. Deshalb wurde Philottos auf der Jagd zerrissen, Assaon verliebte sich in seine Tochter, fand kein Gehör u. verbrannte ihre Kinder; N. stürzte sich deshalb vor Schmerz von einem Felsen herab u. Assaon nahm sich das Leben. Die Fabel von der N. u. ihren Kindern ist theils von den Tragikern benutzt worden, so dichteten Äschylos u. Sophokles (jetzt verlorene) Tragödien dieses Namens; theils von der Bildenden Kunst, am besten wurde N. durch eine noch vorhandene Gruppe dargestellt, welche 1583 bei der Porta Lateranensis in Rom gefunden u. in der Villa des Cardinals Ferdinand che Medicis aufgestellt wurde. Kaiser Leopold schaffie sie 1770 nach Florenz, wo alle dazu gehörigen Figuren in der Tribune der Mediceischen Gallerie aufgestellt sind, Winckelmann machte zuerst auf sie aufmerksam, u. Fabroni beschrieb sie in Diss. sulle statue di N., Flor. 1799. Außer der Mutter mit der jüngsten Tochter im Schooße rechnet man noch 16 Figuren zur Gruppe. Man setzt ihren Ursprung in Alexanders des Großen Zeit, Einige schreiben sie dem Praxiteles, Andere dem Skopas, noch Andere Anderen zu. Wahrscheinlich hat N. mit ihren Kindern ursprünglich keine Gruppe ausgemacht; vielleicht standen sie in einem runden od. halbrunden Gebäude, jede Figur in einer Nische, so daß der Beschauer, in der Mitte des Platzes stehend, die Übersicht hatte. Copien findet man in Kunstcabineten. Auch ist die Fabel mehrmals als Basrelief dargestellt, z.B. in der Villa Borghese, in Winckelmanns Monumenti antichi inediti, Taf. 80, abgebildet.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.